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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Von der deutschen Jungfrau.
Es stand ein Fräulein auf dem Schloß,
Erschlagen war im Streit ihr Roß,
Schnob wie ein See die finstre Nacht,
Wollt' überschrey'n die wilde Schlacht.
Im Thal die Brüder lagen todt,
Es brannt' die Burg so blutigroth,
In Lohen stand sie auf der Wand,
Hielt hoch die Fahne in der Hand.
Da kam ein röm'scher Rittersmann,
Der ritt keck an die Burg hinan,
Es blitzt sein Helm gar mannigfach,
Der schöne Ritter also sprach:
"Jungfrau, komm' in die Arme mein!
Sollst deines Siegers Herrinn seyn.
Will bau'n dir einen Pallast schön,
In prächt'gen Kleidern sollst du geh'n.
Es thun dein' Augen mir Gewalt,
Kann nicht mehr fort aus diesem Wald.
Aus wilder Flammen Spiel und Graus,
Trag' ich mir meine Braut nach Haus!"
Der Ritter ließ sein weißes Roß,
Stieg durch den Brand hinauf ins Schloß,
Viel Knecht' ihm waren da zur Hand,
Zu holen das Fräulein von der Wand.
Das Fräulein stieß die Knecht' hinab,
Den Liebsten auch ins heiße Grab,
Sie selbst dann in die Flammen sprang,
Ueber ihnen die Burg zusammensank.
Von der deutſchen Jungfrau.
Es ſtand ein Fräulein auf dem Schloß,
Erſchlagen war im Streit ihr Roß,
Schnob wie ein See die finſtre Nacht,
Wollt' überſchrey'n die wilde Schlacht.
Im Thal die Brüder lagen todt,
Es brannt' die Burg ſo blutigroth,
In Lohen ſtand ſie auf der Wand,
Hielt hoch die Fahne in der Hand.
Da kam ein röm'ſcher Rittersmann,
Der ritt keck an die Burg hinan,
Es blitzt ſein Helm gar mannigfach,
Der ſchöne Ritter alſo ſprach:
„Jungfrau, komm' in die Arme mein!
Sollſt deines Siegers Herrinn ſeyn.
Will bau'n dir einen Pallaſt ſchön,
In prächt'gen Kleidern ſollſt du geh'n.
Es thun dein' Augen mir Gewalt,
Kann nicht mehr fort aus dieſem Wald.
Aus wilder Flammen Spiel und Graus,
Trag' ich mir meine Braut nach Haus!“
Der Ritter ließ ſein weißes Roß,
Stieg durch den Brand hinauf ins Schloß,
Viel Knecht' ihm waren da zur Hand,
Zu holen das Fräulein von der Wand.
Das Fräulein ſtieß die Knecht' hinab,
Den Liebſten auch ins heiße Grab,
Sie ſelbſt dann in die Flammen ſprang,
Ueber ihnen die Burg zuſammenſank.
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[463/0469] Von der deutſchen Jungfrau. Es ſtand ein Fräulein auf dem Schloß, Erſchlagen war im Streit ihr Roß, Schnob wie ein See die finſtre Nacht, Wollt' überſchrey'n die wilde Schlacht. Im Thal die Brüder lagen todt, Es brannt' die Burg ſo blutigroth, In Lohen ſtand ſie auf der Wand, Hielt hoch die Fahne in der Hand. Da kam ein röm'ſcher Rittersmann, Der ritt keck an die Burg hinan, Es blitzt ſein Helm gar mannigfach, Der ſchöne Ritter alſo ſprach: „Jungfrau, komm' in die Arme mein! Sollſt deines Siegers Herrinn ſeyn. Will bau'n dir einen Pallaſt ſchön, In prächt'gen Kleidern ſollſt du geh'n. Es thun dein' Augen mir Gewalt, Kann nicht mehr fort aus dieſem Wald. Aus wilder Flammen Spiel und Graus, Trag' ich mir meine Braut nach Haus!“ Der Ritter ließ ſein weißes Roß, Stieg durch den Brand hinauf ins Schloß, Viel Knecht' ihm waren da zur Hand, Zu holen das Fräulein von der Wand. Das Fräulein ſtieß die Knecht' hinab, Den Liebſten auch ins heiße Grab, Sie ſelbſt dann in die Flammen ſprang, Ueber ihnen die Burg zuſammenſank.

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/469>, abgerufen am 25.11.2024.