ter den hohen Bäumen ein reinlich gedeckter Tisch; große Blumensträuße und vielfarbiges Obst stand in silbernen Gefäßen zwischen dem goldenblickenden Wein und hellgeschliffenen Gläsern, alle das fröh¬ lichbunte Gemisch von Farben gab in dem Grün und unter blauheiterm Himmel einen frischerlocken¬ den Schein. Man hatte, was in dem Schlosse nicht zu finden war, schnell aus dem Kloster herbeyge¬ schafft. Rudolph ließ sich nirgends sehen.
Sie assen und tranken nun in der grünen Ein¬ samkeit, während der Kreis der Wälder in ihre Gespräche hineinrauschte. Julie saß still in die Zu¬ kunft versenkt und schien innerlich entzückt, daß nun endlich ihr ganzes Leben in des Geliebten Gewalt gegeben sey.
So kam der Abend heran. Da sahen sie zwey Männer, die in einem lebhaften Gespräche mitein¬ ander begriffen schienen, aus dem Walde zu ihnen heraufkommen. Sie erkannten Rudolphen an der Stimme. Kaum hatte ihn Julie, die schon von dem vielen Weine erhitzt war, erblickt, als sie laut auf¬ schrie und sich furchtsam an Leontin andrückte. Es war dieselbe dunkle Gestalt, die sie bey dem Lei¬ chenzuge ihres Vaters aus dem Wagen einsam auf dem beschneyten Felde hatte stehen sehen. --
O seht, was ich da habe, rief ihnen Rudolph schon von weitem entgegen, ich habe im Walde ei¬ nen Poeten gefunden, wahrhaftig, einen Poeten! Er saß unter einem Baume und schmälte laut auf
ter den hohen Bäumen ein reinlich gedeckter Tiſch; große Blumenſträuße und vielfarbiges Obſt ſtand in ſilbernen Gefäßen zwiſchen dem goldenblickenden Wein und hellgeſchliffenen Gläſern, alle das fröh¬ lichbunte Gemiſch von Farben gab in dem Grün und unter blauheiterm Himmel einen friſcherlocken¬ den Schein. Man hatte, was in dem Schloſſe nicht zu finden war, ſchnell aus dem Kloſter herbeyge¬ ſchafft. Rudolph ließ ſich nirgends ſehen.
Sie aſſen und tranken nun in der grünen Ein¬ ſamkeit, während der Kreis der Wälder in ihre Geſpräche hineinrauſchte. Julie ſaß ſtill in die Zu¬ kunft verſenkt und ſchien innerlich entzückt, daß nun endlich ihr ganzes Leben in des Geliebten Gewalt gegeben ſey.
So kam der Abend heran. Da ſahen ſie zwey Männer, die in einem lebhaften Geſpräche mitein¬ ander begriffen ſchienen, aus dem Walde zu ihnen heraufkommen. Sie erkannten Rudolphen an der Stimme. Kaum hatte ihn Julie, die ſchon von dem vielen Weine erhitzt war, erblickt, als ſie laut auf¬ ſchrie und ſich furchtſam an Leontin andrückte. Es war dieſelbe dunkle Geſtalt, die ſie bey dem Lei¬ chenzuge ihres Vaters aus dem Wagen einſam auf dem beſchneyten Felde hatte ſtehen ſehen. —
O ſeht, was ich da habe, rief ihnen Rudolph ſchon von weitem entgegen, ich habe im Walde ei¬ nen Poeten gefunden, wahrhaftig, einen Poeten! Er ſaß unter einem Baume und ſchmälte laut auf
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ter den hohen Bäumen ein reinlich gedeckter Tiſch;
große Blumenſträuße und vielfarbiges Obſt ſtand
in ſilbernen Gefäßen zwiſchen dem goldenblickenden
Wein und hellgeſchliffenen Gläſern, alle das fröh¬
lichbunte Gemiſch von Farben gab in dem Grün
und unter blauheiterm Himmel einen friſcherlocken¬
den Schein. Man hatte, was in dem Schloſſe nicht
zu finden war, ſchnell aus dem Kloſter herbeyge¬
ſchafft. Rudolph ließ ſich nirgends ſehen.
Sie aſſen und tranken nun in der grünen Ein¬
ſamkeit, während der Kreis der Wälder in ihre
Geſpräche hineinrauſchte. Julie ſaß ſtill in die Zu¬
kunft verſenkt und ſchien innerlich entzückt, daß nun
endlich ihr ganzes Leben in des Geliebten Gewalt
gegeben ſey.
So kam der Abend heran. Da ſahen ſie zwey
Männer, die in einem lebhaften Geſpräche mitein¬
ander begriffen ſchienen, aus dem Walde zu ihnen
heraufkommen. Sie erkannten Rudolphen an der
Stimme. Kaum hatte ihn Julie, die ſchon von dem
vielen Weine erhitzt war, erblickt, als ſie laut auf¬
ſchrie und ſich furchtſam an Leontin andrückte. Es
war dieſelbe dunkle Geſtalt, die ſie bey dem Lei¬
chenzuge ihres Vaters aus dem Wagen einſam auf
dem beſchneyten Felde hatte ſtehen ſehen. —
O ſeht, was ich da habe, rief ihnen Rudolph
ſchon von weitem entgegen, ich habe im Walde ei¬
nen Poeten gefunden, wahrhaftig, einen Poeten!
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/463>, abgerufen am 25.11.2024.
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