selbst mit Blumen und grünen Reisern freundlich geschückt. Friedrich hatte schon früher den Prior von ihrer Ankunft benachrichtigen lassen, und so wurden denn Leontin und Julie noch diesen Vor¬ mittag in der Kirche feyerlich zusammengegeben.
Die Menge fremder Pilger freute sich über das fremde Paar. Nur eine hohe, junge Dame, die einen dichten Schleyer über das Gesicht geschlagen hatte, lag seitwärts vor einem einsamen Altare voll Andacht auf den Knieen und schien von allem, was hinter ihr in der Kirche vorgieng, nichts zu bemerken. Friedrich sah sie; sie kam ihm bekannt vor. -- Diese einsame Gestalt, das unaufhörliche Ringen und Brausen der Orgeltöne, der fröhliche Sonnenschein, der draussen vor der offenen Thüre auf dem grünen Platze spielte, alles drang so selt¬ sam rührend auf ihn ein, als wollte das ganze vergangene Leben noch einmal mit den ältesten Er¬ innerungen und langvergessenen Klängen an ihm vorübergehen, um auf immer Abschied zu nehmen. Ihm fiel dabey recht ein, wie nun auch Leontin fortreise und wahrscheinlich nie mehr wiederkomme, und eine unbeschreibliche Wehmuth bemächtigte sich seiner, so daß er ins Freye hinaus mußte. Er gieng draussen unter den hohen Bäumen vor der Kirche auf und ab und weinte sich herzlich aus.
Die Zeremonie war unterdeß geendigt, und sie ritten wieder nach dem alten Schlosse zurück. Auf dem grünen Platze vor demselben empfieng sie un¬
ſelbſt mit Blumen und grünen Reiſern freundlich geſchückt. Friedrich hatte ſchon früher den Prior von ihrer Ankunft benachrichtigen laſſen, und ſo wurden denn Leontin und Julie noch dieſen Vor¬ mittag in der Kirche feyerlich zuſammengegeben.
Die Menge fremder Pilger freute ſich über das fremde Paar. Nur eine hohe, junge Dame, die einen dichten Schleyer über das Geſicht geſchlagen hatte, lag ſeitwärts vor einem einſamen Altare voll Andacht auf den Knieen und ſchien von allem, was hinter ihr in der Kirche vorgieng, nichts zu bemerken. Friedrich ſah ſie; ſie kam ihm bekannt vor. — Dieſe einſame Geſtalt, das unaufhörliche Ringen und Brauſen der Orgeltöne, der fröhliche Sonnenſchein, der drauſſen vor der offenen Thüre auf dem grünen Platze ſpielte, alles drang ſo ſelt¬ ſam rührend auf ihn ein, als wollte das ganze vergangene Leben noch einmal mit den älteſten Er¬ innerungen und langvergeſſenen Klängen an ihm vorübergehen, um auf immer Abſchied zu nehmen. Ihm fiel dabey recht ein, wie nun auch Leontin fortreiſe und wahrſcheinlich nie mehr wiederkomme, und eine unbeſchreibliche Wehmuth bemächtigte ſich ſeiner, ſo daß er ins Freye hinaus mußte. Er gieng drauſſen unter den hohen Bäumen vor der Kirche auf und ab und weinte ſich herzlich aus.
Die Zeremonie war unterdeß geendigt, und ſie ritten wieder nach dem alten Schloſſe zurück. Auf dem grünen Platze vor demſelben empfieng ſie un¬
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ſelbſt mit Blumen und grünen Reiſern freundlich
geſchückt. Friedrich hatte ſchon früher den Prior
von ihrer Ankunft benachrichtigen laſſen, und ſo
wurden denn Leontin und Julie noch dieſen Vor¬
mittag in der Kirche feyerlich zuſammengegeben.
Die Menge fremder Pilger freute ſich über das
fremde Paar. Nur eine hohe, junge Dame, die
einen dichten Schleyer über das Geſicht geſchlagen
hatte, lag ſeitwärts vor einem einſamen Altare
voll Andacht auf den Knieen und ſchien von allem,
was hinter ihr in der Kirche vorgieng, nichts zu
bemerken. Friedrich ſah ſie; ſie kam ihm bekannt
vor. — Dieſe einſame Geſtalt, das unaufhörliche
Ringen und Brauſen der Orgeltöne, der fröhliche
Sonnenſchein, der drauſſen vor der offenen Thüre
auf dem grünen Platze ſpielte, alles drang ſo ſelt¬
ſam rührend auf ihn ein, als wollte das ganze
vergangene Leben noch einmal mit den älteſten Er¬
innerungen und langvergeſſenen Klängen an ihm
vorübergehen, um auf immer Abſchied zu nehmen.
Ihm fiel dabey recht ein, wie nun auch Leontin
fortreiſe und wahrſcheinlich nie mehr wiederkomme,
und eine unbeſchreibliche Wehmuth bemächtigte ſich
ſeiner, ſo daß er ins Freye hinaus mußte. Er
gieng drauſſen unter den hohen Bäumen vor der
Kirche auf und ab und weinte ſich herzlich aus.
Die Zeremonie war unterdeß geendigt, und ſie
ritten wieder nach dem alten Schloſſe zurück. Auf
dem grünen Platze vor demſelben empfieng ſie un¬
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/462>, abgerufen am 25.11.2024.
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