wurden abgeschnallt und Julie mußte sich umziehen. Friedrich bereitete unterdeß fröhlich alles, was sich hier schaffen ließ, zu einem lustigen Hochzeitsfeste, während Leontin, der sich in dieser Lage als feyer¬ licher Bräutigam gar komisch vorkam, allerhand Possen machte, und die seltsamsten Anstalten traf, um das Fest recht phantastisch auszuschmücken.
Endlich erschien Julie wieder. Sie hatte ein weisses Kleid, die schönen goldenen Haare fielen in langen Locken über den Nacken und die Schultern, man konnte sie nicht ansehen, ohne sich an irgend ein schönes altdeutsches Bild zu erinnern. Sie be¬ stiegen nun alle ihre Pferde und zogen so, Julie'n in die Mitte nehmend, auf das Kloster zu. Als sie die letzte Höhe vor demselben erreichten, wo auf einmal das Meer durch die Wälder und Hügel sei¬ nen furchtbargroßen Geisterblick hinaufsandte, that. Julie einen Freudenschrey über den unerwarteten, noch nie gehabten Anblick, und sah dann den gan¬ zen Weg über mit den großen, sinnigen Augen stumm in das wunderbare Reich, wie in eine unbe¬ kannte, gewaltige Zukunft. Die Glockenklänge von dem Klosterthurme kamen ihnen wunderbartröstend aus der unermeßlichen Aussicht entgegen.
In dem Kloster selbst war eben das Wall¬ farthsfest, das alle Jahr einigemal gefeyert wur¬ de, wiedergekehrt. Die Einsamkeit ringsherum war wieder bunt belebt, eine Menge Pilger war, als sie dort ankamen, in kleinen Haufen unter den grü¬ nen Bäumen vor der Kirche gelagert, die Kirche
wurden abgeſchnallt und Julie mußte ſich umziehen. Friedrich bereitete unterdeß fröhlich alles, was ſich hier ſchaffen ließ, zu einem luſtigen Hochzeitsfeſte, während Leontin, der ſich in dieſer Lage als feyer¬ licher Bräutigam gar komiſch vorkam, allerhand Poſſen machte, und die ſeltſamſten Anſtalten traf, um das Feſt recht phantaſtiſch auszuſchmücken.
Endlich erſchien Julie wieder. Sie hatte ein weiſſes Kleid, die ſchönen goldenen Haare fielen in langen Locken über den Nacken und die Schultern, man konnte ſie nicht anſehen, ohne ſich an irgend ein ſchönes altdeutſches Bild zu erinnern. Sie be¬ ſtiegen nun alle ihre Pferde und zogen ſo, Julie'n in die Mitte nehmend, auf das Kloſter zu. Als ſie die letzte Höhe vor demſelben erreichten, wo auf einmal das Meer durch die Wälder und Hügel ſei¬ nen furchtbargroßen Geiſterblick hinaufſandte, that. Julie einen Freudenſchrey über den unerwarteten, noch nie gehabten Anblick, und ſah dann den gan¬ zen Weg über mit den großen, ſinnigen Augen ſtumm in das wunderbare Reich, wie in eine unbe¬ kannte, gewaltige Zukunft. Die Glockenklänge von dem Kloſterthurme kamen ihnen wunderbartröſtend aus der unermeßlichen Ausſicht entgegen.
In dem Kloſter ſelbſt war eben das Wall¬ farthsfeſt, das alle Jahr einigemal gefeyert wur¬ de, wiedergekehrt. Die Einſamkeit ringsherum war wieder bunt belebt, eine Menge Pilger war, als ſie dort ankamen, in kleinen Haufen unter den grü¬ nen Bäumen vor der Kirche gelagert, die Kirche
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0461"n="455"/>
wurden abgeſchnallt und Julie mußte ſich umziehen.<lb/>
Friedrich bereitete unterdeß fröhlich alles, was ſich<lb/>
hier ſchaffen ließ, zu einem luſtigen Hochzeitsfeſte,<lb/>
während Leontin, der ſich in dieſer Lage als feyer¬<lb/>
licher Bräutigam gar komiſch vorkam, allerhand<lb/>
Poſſen machte, und die ſeltſamſten Anſtalten traf,<lb/>
um das Feſt recht phantaſtiſch auszuſchmücken.</p><lb/><p>Endlich erſchien Julie wieder. Sie hatte ein<lb/>
weiſſes Kleid, die ſchönen goldenen Haare fielen in<lb/>
langen Locken über den Nacken und die Schultern,<lb/>
man konnte ſie nicht anſehen, ohne ſich an irgend<lb/>
ein ſchönes altdeutſches Bild zu erinnern. Sie be¬<lb/>ſtiegen nun alle ihre Pferde und zogen ſo, Julie'n<lb/>
in die Mitte nehmend, auf das Kloſter zu. Als ſie<lb/>
die letzte Höhe vor demſelben erreichten, wo auf<lb/>
einmal das Meer durch die Wälder und Hügel ſei¬<lb/>
nen furchtbargroßen Geiſterblick hinaufſandte, that.<lb/>
Julie einen Freudenſchrey über den unerwarteten,<lb/>
noch nie gehabten Anblick, und ſah dann den gan¬<lb/>
zen Weg über mit den großen, ſinnigen Augen<lb/>ſtumm in das wunderbare Reich, wie in eine unbe¬<lb/>
kannte, gewaltige Zukunft. Die Glockenklänge von<lb/>
dem Kloſterthurme kamen ihnen wunderbartröſtend<lb/>
aus der unermeßlichen Ausſicht entgegen.</p><lb/><p>In dem Kloſter ſelbſt war eben das Wall¬<lb/>
farthsfeſt, das alle Jahr einigemal gefeyert wur¬<lb/>
de, wiedergekehrt. Die Einſamkeit ringsherum war<lb/>
wieder bunt belebt, eine Menge Pilger war, als<lb/>ſie dort ankamen, in kleinen Haufen unter den grü¬<lb/>
nen Bäumen vor der Kirche gelagert, die Kirche<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[455/0461]
wurden abgeſchnallt und Julie mußte ſich umziehen.
Friedrich bereitete unterdeß fröhlich alles, was ſich
hier ſchaffen ließ, zu einem luſtigen Hochzeitsfeſte,
während Leontin, der ſich in dieſer Lage als feyer¬
licher Bräutigam gar komiſch vorkam, allerhand
Poſſen machte, und die ſeltſamſten Anſtalten traf,
um das Feſt recht phantaſtiſch auszuſchmücken.
Endlich erſchien Julie wieder. Sie hatte ein
weiſſes Kleid, die ſchönen goldenen Haare fielen in
langen Locken über den Nacken und die Schultern,
man konnte ſie nicht anſehen, ohne ſich an irgend
ein ſchönes altdeutſches Bild zu erinnern. Sie be¬
ſtiegen nun alle ihre Pferde und zogen ſo, Julie'n
in die Mitte nehmend, auf das Kloſter zu. Als ſie
die letzte Höhe vor demſelben erreichten, wo auf
einmal das Meer durch die Wälder und Hügel ſei¬
nen furchtbargroßen Geiſterblick hinaufſandte, that.
Julie einen Freudenſchrey über den unerwarteten,
noch nie gehabten Anblick, und ſah dann den gan¬
zen Weg über mit den großen, ſinnigen Augen
ſtumm in das wunderbare Reich, wie in eine unbe¬
kannte, gewaltige Zukunft. Die Glockenklänge von
dem Kloſterthurme kamen ihnen wunderbartröſtend
aus der unermeßlichen Ausſicht entgegen.
In dem Kloſter ſelbſt war eben das Wall¬
farthsfeſt, das alle Jahr einigemal gefeyert wur¬
de, wiedergekehrt. Die Einſamkeit ringsherum war
wieder bunt belebt, eine Menge Pilger war, als
ſie dort ankamen, in kleinen Haufen unter den grü¬
nen Bäumen vor der Kirche gelagert, die Kirche
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/461>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.