ich dieses kleine Bild hier gesehen, sagte dieser, und ihre weitere Geschichte und Nahmen von Euch gehört, ist es mir gewiß. Ich habe sie später, nachdem ich schon von der Welt geschieden war, manchmal von der Mauer gesehen und gesprochen, wenn ich des Nachts an Leontins Schlosse vorbey¬ streifte. Aber mir war der Knabe, für den ich sie hielt, wie Ihr, nur reitzend als eine besondere neue Art von Narren, als von welcher mir noch keiner vorgekommen war. Denn auch ich konnte und moch¬ te niemals etwas von ihrem früheren Leben aus ihr herauskriegen. Das gute Kind fürchtete wahrschein¬ lich noch immer Strafe für die unwillkührliche, schändliche Verbindung, in der sie ihre Kindheit zu¬ gebracht. -- Doch, hört nun meine Geschichte völlig aus, denn das viele Plaudern ist mir schon zuwi¬ der:
Noch vor Tagesanbruch also, als wir so lagen und erzählten, kam ein junger Kerl von der Ban¬ de, der auf Kundschaft ausgeschickt worden war, mit fröhlicher Bothschaft zurück, die sogleich den ganzen Haufen in Allarm brachte. Der reiche Graf, sagte er nemlich aus, wird heute Abend auf dem Schlosse seinen Geburtstag feyern, da giebt's was zu schmaussen und zu verdienen! Es wurde sogleich beschlossen, dem Feste auf was immer für eine Art ungeladen beyzuwohnen. Das Wetter hatte sich aufgeklärt, wir brachen daher alle schnell auf und zogen lustig über das Gebirge fort.
ich dieſes kleine Bild hier geſehen, ſagte dieſer, und ihre weitere Geſchichte und Nahmen von Euch gehört, iſt es mir gewiß. Ich habe ſie ſpäter, nachdem ich ſchon von der Welt geſchieden war, manchmal von der Mauer geſehen und geſprochen, wenn ich des Nachts an Leontins Schloſſe vorbey¬ ſtreifte. Aber mir war der Knabe, für den ich ſie hielt, wie Ihr, nur reitzend als eine beſondere neue Art von Narren, als von welcher mir noch keiner vorgekommen war. Denn auch ich konnte und moch¬ te niemals etwas von ihrem früheren Leben aus ihr herauskriegen. Das gute Kind fürchtete wahrſchein¬ lich noch immer Strafe für die unwillkührliche, ſchändliche Verbindung, in der ſie ihre Kindheit zu¬ gebracht. — Doch, hört nun meine Geſchichte völlig aus, denn das viele Plaudern iſt mir ſchon zuwi¬ der:
Noch vor Tagesanbruch alſo, als wir ſo lagen und erzählten, kam ein junger Kerl von der Ban¬ de, der auf Kundſchaft ausgeſchickt worden war, mit fröhlicher Bothſchaft zurück, die ſogleich den ganzen Haufen in Allarm brachte. Der reiche Graf, ſagte er nemlich aus, wird heute Abend auf dem Schloſſe ſeinen Geburtstag feyern, da giebt's was zu ſchmauſſen und zu verdienen! Es wurde ſogleich beſchloſſen, dem Feſte auf was immer für eine Art ungeladen beyzuwohnen. Das Wetter hatte ſich aufgeklärt, wir brachen daher alle ſchnell auf und zogen luſtig über das Gebirge fort.
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ich dieſes kleine Bild hier geſehen, ſagte dieſer,
und ihre weitere Geſchichte und Nahmen von Euch
gehört, iſt es mir gewiß. Ich habe ſie ſpäter,
nachdem ich ſchon von der Welt geſchieden war,
manchmal von der Mauer geſehen und geſprochen,
wenn ich des Nachts an Leontins Schloſſe vorbey¬
ſtreifte. Aber mir war der Knabe, für den ich ſie
hielt, wie Ihr, nur reitzend als eine beſondere neue
Art von Narren, als von welcher mir noch keiner
vorgekommen war. Denn auch ich konnte und moch¬
te niemals etwas von ihrem früheren Leben aus ihr
herauskriegen. Das gute Kind fürchtete wahrſchein¬
lich noch immer Strafe für die unwillkührliche,
ſchändliche Verbindung, in der ſie ihre Kindheit zu¬
gebracht. — Doch, hört nun meine Geſchichte völlig
aus, denn das viele Plaudern iſt mir ſchon zuwi¬
der:
Noch vor Tagesanbruch alſo, als wir ſo lagen
und erzählten, kam ein junger Kerl von der Ban¬
de, der auf Kundſchaft ausgeſchickt worden war,
mit fröhlicher Bothſchaft zurück, die ſogleich den
ganzen Haufen in Allarm brachte. Der reiche Graf,
ſagte er nemlich aus, wird heute Abend auf dem
Schloſſe ſeinen Geburtstag feyern, da giebt's was
zu ſchmauſſen und zu verdienen! Es wurde ſogleich
beſchloſſen, dem Feſte auf was immer für eine Art
ungeladen beyzuwohnen. Das Wetter hatte ſich
aufgeklärt, wir brachen daher alle ſchnell auf und
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/442>, abgerufen am 23.11.2024.
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