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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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des großen Albrecht Dürers und Michel Angelo's.
Ich studierte nun mit eisernem, unausgesetztem
Fleiß fast alle Philosopheme, was die Alten ahndeten
und Neuen grübelten oder phantasirten. Aber alle
Systeme führten mich entweder von Gott ab, oder
zu einem falschen Gott.

Alles aufgebend und verzweifelt, daß ich auf
keine Weise die Schranken durchbrechen und aus
mir selber herauskommen konnte, stürzt' ich mich
nun wüthend, mit wenigen lichten Augenblicken
schrecklicher Reue, in den flimmernden Abgrund al¬
ler sinnlichen Ausschweifungen und Gräuel, als
wollt' ich mein eignes Bild aus meinem Andenken
verwischen. Dabey wurde ich niemals fröhlich,
denn mitten im Genuß mußte ich die Menschen ver¬
höhnen, die, als wären sie meines Gleichen, halb
schlecht und halb furchtsam, nach der Weltlust
haschten, und dabey wirklich und in allem Ernst zu¬
frieden und glücklich waren. Niemals ist mir das
Handthieren und Treiben der Welt so erbärmlich
vorgekommen, als damals, da ich mich selber darin
untertauchte.

Eines Abends sitz' ich am Pharotisch, ohne
aufzublicken und mich um die Gesellschaft zu beküm¬
mern. Ich spielte diesen Abend, wider alle sonsti¬
ge Gewohnheit, immerfort unglücklich, und wagte
immer toller, je mehr ich verlohr. Zuletzt setzte ich
mein noch übriges Vermögen auf die Karte. --
Verlohren! hört' ich den Bankhalter am anderen

Ende

des großen Albrecht Dürers und Michel Angelo's.
Ich ſtudierte nun mit eiſernem, unausgeſetztem
Fleiß faſt alle Philoſopheme, was die Alten ahndeten
und Neuen grübelten oder phantaſirten. Aber alle
Syſteme führten mich entweder von Gott ab, oder
zu einem falſchen Gott.

Alles aufgebend und verzweifelt, daß ich auf
keine Weiſe die Schranken durchbrechen und aus
mir ſelber herauskommen konnte, ſtürzt' ich mich
nun wüthend, mit wenigen lichten Augenblicken
ſchrecklicher Reue, in den flimmernden Abgrund al¬
ler ſinnlichen Ausſchweifungen und Gräuel, als
wollt' ich mein eignes Bild aus meinem Andenken
verwiſchen. Dabey wurde ich niemals fröhlich,
denn mitten im Genuß mußte ich die Menſchen ver¬
höhnen, die, als wären ſie meines Gleichen, halb
ſchlecht und halb furchtſam, nach der Weltluſt
haſchten, und dabey wirklich und in allem Ernſt zu¬
frieden und glücklich waren. Niemals iſt mir das
Handthieren und Treiben der Welt ſo erbärmlich
vorgekommen, als damals, da ich mich ſelber darin
untertauchte.

Eines Abends ſitz' ich am Pharotiſch, ohne
aufzublicken und mich um die Geſellſchaft zu beküm¬
mern. Ich ſpielte dieſen Abend, wider alle ſonſti¬
ge Gewohnheit, immerfort unglücklich, und wagte
immer toller, je mehr ich verlohr. Zuletzt ſetzte ich
mein noch übriges Vermögen auf die Karte. —
Verlohren! hört' ich den Bankhalter am anderen

Ende
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[432/0438] des großen Albrecht Dürers und Michel Angelo's. Ich ſtudierte nun mit eiſernem, unausgeſetztem Fleiß faſt alle Philoſopheme, was die Alten ahndeten und Neuen grübelten oder phantaſirten. Aber alle Syſteme führten mich entweder von Gott ab, oder zu einem falſchen Gott. Alles aufgebend und verzweifelt, daß ich auf keine Weiſe die Schranken durchbrechen und aus mir ſelber herauskommen konnte, ſtürzt' ich mich nun wüthend, mit wenigen lichten Augenblicken ſchrecklicher Reue, in den flimmernden Abgrund al¬ ler ſinnlichen Ausſchweifungen und Gräuel, als wollt' ich mein eignes Bild aus meinem Andenken verwiſchen. Dabey wurde ich niemals fröhlich, denn mitten im Genuß mußte ich die Menſchen ver¬ höhnen, die, als wären ſie meines Gleichen, halb ſchlecht und halb furchtſam, nach der Weltluſt haſchten, und dabey wirklich und in allem Ernſt zu¬ frieden und glücklich waren. Niemals iſt mir das Handthieren und Treiben der Welt ſo erbärmlich vorgekommen, als damals, da ich mich ſelber darin untertauchte. Eines Abends ſitz' ich am Pharotiſch, ohne aufzublicken und mich um die Geſellſchaft zu beküm¬ mern. Ich ſpielte dieſen Abend, wider alle ſonſti¬ ge Gewohnheit, immerfort unglücklich, und wagte immer toller, je mehr ich verlohr. Zuletzt ſetzte ich mein noch übriges Vermögen auf die Karte. — Verlohren! hört' ich den Bankhalter am anderen Ende

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/438>, abgerufen am 23.11.2024.