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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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mal eine wunderschöne weibliche Stimme von dem
Altan eines Hauses mit der nächstfolgenden Strophe
desselben Liedes antwortete. Ich sprang sogleich
ans Ufer und eilte auf das Haus zu, von dem der
Gesang herkam. Eine weiße Mädchengestalt neigte
sich zwischen den Orangenbäumen und Blumen über
den Balkon herab und sagte flüsternd: Rudolph!
Ich erkannte bey dem hellen Mondscheine sogleich
Angelinen. Sie schien noch mehr sprechen zu
wollen, aber die Thüre auf dem Balkon öffnete sich
von innen, und sie war verschwunden.

Verwundert und entzückt in allen meinen Sin¬
nen, setzt' ich mich an einen steinernen Springbrun¬
nen, der auf dem weitstillen Platze vor dem Hause
stand. Ich mochte ohngefähr eine Stunde dort ge¬
sessen haben, als ich die Glasthüre oben leise wie¬
der öffnen hörte. Angelina trat, sich furchtsam auf
den Platz umsehend, noch einmal auf den Balkon
heraus. Ihre schönen Locken fielen auf den schnee¬
weißen, nur halbverhüllten Busen herab, sie war
baarfuß und im leichtesten Nachtkleide. Sie erschrack,
als sie mich wirklich noch unten erblickte. Sie legte
den Finger auf den Mund, während sie mit der
anderen Hand auf die Thüre deutete, lehnte sich
stillschweigend über das Geländer und sah mich so
lange Zeit unbeschreiblich lieblich an. Darauf zog
sie ein Papierchen hervor, warf es mir hinab,
lispelte kaum hörbar: gute Nacht! und gieng zau¬
dernd wieder hinein. -- Auf dem Zettel stand mit
Bleystift der Nahme einer Kirche aufgeschrieben.

mal eine wunderſchöne weibliche Stimme von dem
Altan eines Hauſes mit der nächſtfolgenden Strophe
deſſelben Liedes antwortete. Ich ſprang ſogleich
ans Ufer und eilte auf das Haus zu, von dem der
Geſang herkam. Eine weiße Mädchengeſtalt neigte
ſich zwiſchen den Orangenbäumen und Blumen über
den Balkon herab und ſagte flüſternd: Rudolph!
Ich erkannte bey dem hellen Mondſcheine ſogleich
Angelinen. Sie ſchien noch mehr ſprechen zu
wollen, aber die Thüre auf dem Balkon öffnete ſich
von innen, und ſie war verſchwunden.

Verwundert und entzückt in allen meinen Sin¬
nen, ſetzt' ich mich an einen ſteinernen Springbrun¬
nen, der auf dem weitſtillen Platze vor dem Hauſe
ſtand. Ich mochte ohngefähr eine Stunde dort ge¬
ſeſſen haben, als ich die Glasthüre oben leiſe wie¬
der öffnen hörte. Angelina trat, ſich furchtſam auf
den Platz umſehend, noch einmal auf den Balkon
heraus. Ihre ſchönen Locken fielen auf den ſchnee¬
weißen, nur halbverhüllten Buſen herab, ſie war
baarfuß und im leichteſten Nachtkleide. Sie erſchrack,
als ſie mich wirklich noch unten erblickte. Sie legte
den Finger auf den Mund, während ſie mit der
anderen Hand auf die Thüre deutete, lehnte ſich
ſtillſchweigend über das Geländer und ſah mich ſo
lange Zeit unbeſchreiblich lieblich an. Darauf zog
ſie ein Papierchen hervor, warf es mir hinab,
liſpelte kaum hörbar: gute Nacht! und gieng zau¬
dernd wieder hinein. — Auf dem Zettel ſtand mit
Bleyſtift der Nahme einer Kirche aufgeſchrieben.

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[424/0430] mal eine wunderſchöne weibliche Stimme von dem Altan eines Hauſes mit der nächſtfolgenden Strophe deſſelben Liedes antwortete. Ich ſprang ſogleich ans Ufer und eilte auf das Haus zu, von dem der Geſang herkam. Eine weiße Mädchengeſtalt neigte ſich zwiſchen den Orangenbäumen und Blumen über den Balkon herab und ſagte flüſternd: Rudolph! Ich erkannte bey dem hellen Mondſcheine ſogleich Angelinen. Sie ſchien noch mehr ſprechen zu wollen, aber die Thüre auf dem Balkon öffnete ſich von innen, und ſie war verſchwunden. Verwundert und entzückt in allen meinen Sin¬ nen, ſetzt' ich mich an einen ſteinernen Springbrun¬ nen, der auf dem weitſtillen Platze vor dem Hauſe ſtand. Ich mochte ohngefähr eine Stunde dort ge¬ ſeſſen haben, als ich die Glasthüre oben leiſe wie¬ der öffnen hörte. Angelina trat, ſich furchtſam auf den Platz umſehend, noch einmal auf den Balkon heraus. Ihre ſchönen Locken fielen auf den ſchnee¬ weißen, nur halbverhüllten Buſen herab, ſie war baarfuß und im leichteſten Nachtkleide. Sie erſchrack, als ſie mich wirklich noch unten erblickte. Sie legte den Finger auf den Mund, während ſie mit der anderen Hand auf die Thüre deutete, lehnte ſich ſtillſchweigend über das Geländer und ſah mich ſo lange Zeit unbeſchreiblich lieblich an. Darauf zog ſie ein Papierchen hervor, warf es mir hinab, liſpelte kaum hörbar: gute Nacht! und gieng zau¬ dernd wieder hinein. — Auf dem Zettel ſtand mit Bleyſtift der Nahme einer Kirche aufgeſchrieben.

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/430>, abgerufen am 23.11.2024.