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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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furchtsam fortgelaufen, und ich blieb allein in dem
großen, dämmernden Garten und glaubte fest, nun,
als Mörder, auch sogar von Gott verlassen zu seyn;
niemals fühlt' ich mich so finster und leer.

In der Nacht konnt' ich nicht schlafen, ich stand
auf und zog mich völlig an. Es war alles still,
nur die Wetterhähne knarrten im Hofe, der Mond
schien sehr hell. Du schliefst still neben mir, das
Gebethbuch lag noch halbaufgeschlagen bey Dir, ich
wußte nicht, wie Du so ruhig seyn könntest. Ich
küßte Dich auf den Mund, gieng dann schnell aus
dem Hause, durch den Garten, und kehrte niemals
mehr wieder.

Von nun an geht mein Leben rasch, bunt,
ungenügsamwechselnd und in allem Wechsel doch un¬
befriedigt. Ich will nur einige Augenblicke aushe¬
ben, die mich, wie einsamerleuchtete Berggipfel
über dem dunkelwühlenden Gewirre, noch immer
von weitem anseh'n.

Als ich zu Ende jener Nacht die letzte Höhe er¬
reicht hatte, gieng eben die Sonne prächtig auf.
Die Gegend unten, so weit die Blicke langten, war
mit bunten Zelten, unermeßlich blitzenden Reihen
und Lust und Schallen überdeckt. Einzelne bunte
Reiter flogen in allen Richtungen über den grünen
Anger, einzelne Schüsse fielen bis in die tiefste Fer¬
ne hin und her im Walde. Ich stand wie einge¬
wurzelt vor Lust bey dem Anblick. Ich glaubte, es
nun auf einmal gefunden zu haben, was mir fehlte

furchtſam fortgelaufen, und ich blieb allein in dem
großen, dämmernden Garten und glaubte feſt, nun,
als Mörder, auch ſogar von Gott verlaſſen zu ſeyn;
niemals fühlt' ich mich ſo finſter und leer.

In der Nacht konnt' ich nicht ſchlafen, ich ſtand
auf und zog mich völlig an. Es war alles ſtill,
nur die Wetterhähne knarrten im Hofe, der Mond
ſchien ſehr hell. Du ſchliefſt ſtill neben mir, das
Gebethbuch lag noch halbaufgeſchlagen bey Dir, ich
wußte nicht, wie Du ſo ruhig ſeyn könnteſt. Ich
küßte Dich auf den Mund, gieng dann ſchnell aus
dem Hauſe, durch den Garten, und kehrte niemals
mehr wieder.

Von nun an geht mein Leben raſch, bunt,
ungenügſamwechſelnd und in allem Wechſel doch un¬
befriedigt. Ich will nur einige Augenblicke aushe¬
ben, die mich, wie einſamerleuchtete Berggipfel
über dem dunkelwühlenden Gewirre, noch immer
von weitem anſeh'n.

Als ich zu Ende jener Nacht die letzte Höhe er¬
reicht hatte, gieng eben die Sonne prächtig auf.
Die Gegend unten, ſo weit die Blicke langten, war
mit bunten Zelten, unermeßlich blitzenden Reihen
und Luſt und Schallen überdeckt. Einzelne bunte
Reiter flogen in allen Richtungen über den grünen
Anger, einzelne Schüſſe fielen bis in die tiefſte Fer¬
ne hin und her im Walde. Ich ſtand wie einge¬
wurzelt vor Luſt bey dem Anblick. Ich glaubte, es
nun auf einmal gefunden zu haben, was mir fehlte

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[420/0426] furchtſam fortgelaufen, und ich blieb allein in dem großen, dämmernden Garten und glaubte feſt, nun, als Mörder, auch ſogar von Gott verlaſſen zu ſeyn; niemals fühlt' ich mich ſo finſter und leer. In der Nacht konnt' ich nicht ſchlafen, ich ſtand auf und zog mich völlig an. Es war alles ſtill, nur die Wetterhähne knarrten im Hofe, der Mond ſchien ſehr hell. Du ſchliefſt ſtill neben mir, das Gebethbuch lag noch halbaufgeſchlagen bey Dir, ich wußte nicht, wie Du ſo ruhig ſeyn könnteſt. Ich küßte Dich auf den Mund, gieng dann ſchnell aus dem Hauſe, durch den Garten, und kehrte niemals mehr wieder. Von nun an geht mein Leben raſch, bunt, ungenügſamwechſelnd und in allem Wechſel doch un¬ befriedigt. Ich will nur einige Augenblicke aushe¬ ben, die mich, wie einſamerleuchtete Berggipfel über dem dunkelwühlenden Gewirre, noch immer von weitem anſeh'n. Als ich zu Ende jener Nacht die letzte Höhe er¬ reicht hatte, gieng eben die Sonne prächtig auf. Die Gegend unten, ſo weit die Blicke langten, war mit bunten Zelten, unermeßlich blitzenden Reihen und Luſt und Schallen überdeckt. Einzelne bunte Reiter flogen in allen Richtungen über den grünen Anger, einzelne Schüſſe fielen bis in die tiefſte Fer¬ ne hin und her im Walde. Ich ſtand wie einge¬ wurzelt vor Luſt bey dem Anblick. Ich glaubte, es nun auf einmal gefunden zu haben, was mir fehlte

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/426>, abgerufen am 23.11.2024.