ne entgegen, ob sie nicht bald aufgeh'n will -- Doch ich will ruhig erzählen:
Die erste Begebenheit meines Lebens, auf die ich mich wie auf einen Traum erinnere, war eine große Feuersbrunst. Es war in der Nacht, die Mutter fuhr mit uns und noch einigen fremden Leuten, auf die ich mich nicht mehr besinne, im Kahne über einen großen See. Mehrere Schlösser und Dörfer brannten ringsumher an den Ufern und der Widerschein von den Flammen spiegelte sich bis weit in den See hinein. Meine Wärterin hob mich aus dem Kahne hoch in die Höhe, und ich langte mit beyden Armen nach dem Feuer. Alle die frem¬ den Leute im Kahne waren still, meine Mutter weinte sehr; man sagte mir, mein Vater sey todt. --
Noch eines Umstandes muß ich dabey gedenken, weil er seltsam mit meinem übrigen Leben zusam¬ menhängt. Als wir nemlich, soviel ich mich erinne¬ re, gleichsam aus Flammen in den Kahn einstiegen, erblickte ich einen Knaben etwa von meinem Alter, den ich sonst nie gesehen hatte. Der lachte uns aus, tanzte an dem Feuer mit höhnenden Gebehr¬ den und schnitt mir Gesichter. Ich nahm schnell ei¬ nen Stein und warf ihn ihm mit einer für mein Alter ungewöhnlichen Kraft an den Kopf, daß er umfiel. Sein Gesicht ist mir noch jetzt ganz deut¬ lich und ich wurde des widrigen Eindrucks dieser Begebenheit niemals wieder los. -- Das ist alles,
was
ne entgegen, ob ſie nicht bald aufgeh'n will — Doch ich will ruhig erzählen:
Die erſte Begebenheit meines Lebens, auf die ich mich wie auf einen Traum erinnere, war eine große Feuersbrunſt. Es war in der Nacht, die Mutter fuhr mit uns und noch einigen fremden Leuten, auf die ich mich nicht mehr beſinne, im Kahne über einen großen See. Mehrere Schlöſſer und Dörfer brannten ringsumher an den Ufern und der Widerſchein von den Flammen ſpiegelte ſich bis weit in den See hinein. Meine Wärterin hob mich aus dem Kahne hoch in die Höhe, und ich langte mit beyden Armen nach dem Feuer. Alle die frem¬ den Leute im Kahne waren ſtill, meine Mutter weinte ſehr; man ſagte mir, mein Vater ſey todt. —
Noch eines Umſtandes muß ich dabey gedenken, weil er ſeltſam mit meinem übrigen Leben zuſam¬ menhängt. Als wir nemlich, ſoviel ich mich erinne¬ re, gleichſam aus Flammen in den Kahn einſtiegen, erblickte ich einen Knaben etwa von meinem Alter, den ich ſonſt nie geſehen hatte. Der lachte uns aus, tanzte an dem Feuer mit höhnenden Gebehr¬ den und ſchnitt mir Geſichter. Ich nahm ſchnell ei¬ nen Stein und warf ihn ihm mit einer für mein Alter ungewöhnlichen Kraft an den Kopf, daß er umfiel. Sein Geſicht iſt mir noch jetzt ganz deut¬ lich und ich wurde des widrigen Eindrucks dieſer Begebenheit niemals wieder los. — Das iſt alles,
was
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ne entgegen, ob ſie nicht bald aufgeh'n will —
Doch ich will ruhig erzählen:
Die erſte Begebenheit meines Lebens, auf die
ich mich wie auf einen Traum erinnere, war eine
große Feuersbrunſt. Es war in der Nacht, die
Mutter fuhr mit uns und noch einigen fremden
Leuten, auf die ich mich nicht mehr beſinne, im
Kahne über einen großen See. Mehrere Schlöſſer
und Dörfer brannten ringsumher an den Ufern und
der Widerſchein von den Flammen ſpiegelte ſich bis
weit in den See hinein. Meine Wärterin hob mich
aus dem Kahne hoch in die Höhe, und ich langte
mit beyden Armen nach dem Feuer. Alle die frem¬
den Leute im Kahne waren ſtill, meine Mutter
weinte ſehr; man ſagte mir, mein Vater ſey
todt. —
Noch eines Umſtandes muß ich dabey gedenken,
weil er ſeltſam mit meinem übrigen Leben zuſam¬
menhängt. Als wir nemlich, ſoviel ich mich erinne¬
re, gleichſam aus Flammen in den Kahn einſtiegen,
erblickte ich einen Knaben etwa von meinem Alter,
den ich ſonſt nie geſehen hatte. Der lachte uns
aus, tanzte an dem Feuer mit höhnenden Gebehr¬
den und ſchnitt mir Geſichter. Ich nahm ſchnell ei¬
nen Stein und warf ihn ihm mit einer für mein
Alter ungewöhnlichen Kraft an den Kopf, daß er
umfiel. Sein Geſicht iſt mir noch jetzt ganz deut¬
lich und ich wurde des widrigen Eindrucks dieſer
Begebenheit niemals wieder los. — Das iſt alles,
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/422>, abgerufen am 23.11.2024.
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