Aber ich bleibe nun gewiß, auch wider seinen Wil¬ len, hier, ich will keine Mühe sparen, sein reines Gold, denn solches war in ihm, aus dem wüstver¬ fallenen Schacht wieder ans Tageslicht zu fördern. -- O, fiel ihm Leontin ins Wort, das Meer ist nicht so tief, als der Hochmüthige in sich selber versunken ist! Nimm dich in Acht! er zieht dich eher schwindelnd zu sich hinunter, ehe du ihn zu dir hin¬ auf.
Friedrich'n hatte der Anblick seines Bruders auf das heftigste bewegt. Er gieng schnell von Leon¬ tinen fort und allein tief in den Wald hinein. Er brauchte der stillen, vollen Einsamkeit, um die neuen Erscheinungen, die auf einmal so gewaltsam auf ihn eindrangen, zu verarbeiten, und seine seltsam auf¬ geregten Geister zu beruhigen.
Lange war er so im Walde herumgeschweift, als auch Leontin wieder zu ihm stieß. Dieser hatte während deß wieder jene Bilderstube bestiegen, und die Zeit unter den Zeichnungen gesessen. Dabey waren ihm in dieser Einsamkeit die Figuren oft wie lebendiggeworden vorgekommen und verschiedene Lie¬ der eines Wahnsinnigen eingefallen, die er, wie Sprüche auf die alten Bilder, den Gestalten aus dem Munde auf die Wand aufgeschrieben hatte.
Die Sonne fieng schon wieder an sich von der Mittagshöhe herabzuneigen. Weder Leontin noch Friedrich wußten recht, wo sie sich befanden, denn kein ordentlicher Weg führte vom Schlosse hieher.
Aber ich bleibe nun gewiß, auch wider ſeinen Wil¬ len, hier, ich will keine Mühe ſparen, ſein reines Gold, denn ſolches war in ihm, aus dem wüſtver¬ fallenen Schacht wieder ans Tageslicht zu fördern. — O, fiel ihm Leontin ins Wort, das Meer iſt nicht ſo tief, als der Hochmüthige in ſich ſelber verſunken iſt! Nimm dich in Acht! er zieht dich eher ſchwindelnd zu ſich hinunter, ehe du ihn zu dir hin¬ auf.
Friedrich'n hatte der Anblick ſeines Bruders auf das heftigſte bewegt. Er gieng ſchnell von Leon¬ tinen fort und allein tief in den Wald hinein. Er brauchte der ſtillen, vollen Einſamkeit, um die neuen Erſcheinungen, die auf einmal ſo gewaltſam auf ihn eindrangen, zu verarbeiten, und ſeine ſeltſam auf¬ geregten Geiſter zu beruhigen.
Lange war er ſo im Walde herumgeſchweift, als auch Leontin wieder zu ihm ſtieß. Dieſer hatte während deß wieder jene Bilderſtube beſtiegen, und die Zeit unter den Zeichnungen geſeſſen. Dabey waren ihm in dieſer Einſamkeit die Figuren oft wie lebendiggeworden vorgekommen und verſchiedene Lie¬ der eines Wahnſinnigen eingefallen, die er, wie Sprüche auf die alten Bilder, den Geſtalten aus dem Munde auf die Wand aufgeſchrieben hatte.
Die Sonne fieng ſchon wieder an ſich von der Mittagshöhe herabzuneigen. Weder Leontin noch Friedrich wußten recht, wo ſie ſich befanden, denn kein ordentlicher Weg führte vom Schloſſe hieher.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0417"n="411"/>
Aber ich bleibe nun gewiß, auch wider ſeinen Wil¬<lb/>
len, hier, ich will keine Mühe ſparen, ſein reines<lb/>
Gold, denn ſolches war in ihm, aus dem wüſtver¬<lb/>
fallenen Schacht wieder ans Tageslicht zu fördern.<lb/>— O, fiel ihm Leontin ins Wort, das Meer iſt<lb/>
nicht ſo tief, als der Hochmüthige in ſich ſelber<lb/>
verſunken iſt! Nimm dich in Acht! er zieht dich eher<lb/>ſchwindelnd zu ſich hinunter, ehe du ihn zu dir hin¬<lb/>
auf.</p><lb/><p>Friedrich'n hatte der Anblick ſeines Bruders<lb/>
auf das heftigſte bewegt. Er gieng ſchnell von Leon¬<lb/>
tinen fort und allein tief in den Wald hinein. Er<lb/>
brauchte der ſtillen, vollen Einſamkeit, um die neuen<lb/>
Erſcheinungen, die auf einmal ſo gewaltſam auf ihn<lb/>
eindrangen, zu verarbeiten, und ſeine ſeltſam auf¬<lb/>
geregten Geiſter zu beruhigen.</p><lb/><p>Lange war er ſo im Walde herumgeſchweift,<lb/>
als auch Leontin wieder zu ihm ſtieß. Dieſer hatte<lb/>
während deß wieder jene Bilderſtube beſtiegen, und<lb/>
die Zeit unter den Zeichnungen geſeſſen. Dabey<lb/>
waren ihm in dieſer Einſamkeit die Figuren oft wie<lb/>
lebendiggeworden vorgekommen und verſchiedene Lie¬<lb/>
der eines Wahnſinnigen eingefallen, die er, wie<lb/>
Sprüche auf die alten Bilder, den Geſtalten aus<lb/>
dem Munde auf die Wand aufgeſchrieben hatte.</p><lb/><p>Die Sonne fieng ſchon wieder an ſich von der<lb/>
Mittagshöhe herabzuneigen. Weder Leontin noch<lb/>
Friedrich wußten recht, wo ſie ſich befanden, denn<lb/>
kein ordentlicher Weg führte vom Schloſſe hieher.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[411/0417]
Aber ich bleibe nun gewiß, auch wider ſeinen Wil¬
len, hier, ich will keine Mühe ſparen, ſein reines
Gold, denn ſolches war in ihm, aus dem wüſtver¬
fallenen Schacht wieder ans Tageslicht zu fördern.
— O, fiel ihm Leontin ins Wort, das Meer iſt
nicht ſo tief, als der Hochmüthige in ſich ſelber
verſunken iſt! Nimm dich in Acht! er zieht dich eher
ſchwindelnd zu ſich hinunter, ehe du ihn zu dir hin¬
auf.
Friedrich'n hatte der Anblick ſeines Bruders
auf das heftigſte bewegt. Er gieng ſchnell von Leon¬
tinen fort und allein tief in den Wald hinein. Er
brauchte der ſtillen, vollen Einſamkeit, um die neuen
Erſcheinungen, die auf einmal ſo gewaltſam auf ihn
eindrangen, zu verarbeiten, und ſeine ſeltſam auf¬
geregten Geiſter zu beruhigen.
Lange war er ſo im Walde herumgeſchweift,
als auch Leontin wieder zu ihm ſtieß. Dieſer hatte
während deß wieder jene Bilderſtube beſtiegen, und
die Zeit unter den Zeichnungen geſeſſen. Dabey
waren ihm in dieſer Einſamkeit die Figuren oft wie
lebendiggeworden vorgekommen und verſchiedene Lie¬
der eines Wahnſinnigen eingefallen, die er, wie
Sprüche auf die alten Bilder, den Geſtalten aus
dem Munde auf die Wand aufgeſchrieben hatte.
Die Sonne fieng ſchon wieder an ſich von der
Mittagshöhe herabzuneigen. Weder Leontin noch
Friedrich wußten recht, wo ſie ſich befanden, denn
kein ordentlicher Weg führte vom Schloſſe hieher.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/417>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.