drich höchstbetroffen einen großen, ziemlich weitläu¬ figen Umriß seiner Heimath, das große alte Schloß und den Garten auf dem Berge, den Strom un¬ ten, den Wald und die ganze Gegend. Aber es war unbeschreiblich einsam anzusehen, denn ein un¬ geheuerer Sturm schien über die winterliche Gegend zu gehen, und beugte die entlaubten Bäume alle nach einer Seite, so wie auch eine wilde Flammen¬ krone, die aus dem Dache des Schlosses hervor¬ brach, welches zum Theil schon in der Feuersbrunst zusammenstürzte.
Friedrich konnte die Augen von diesen Zügen kaum wegwenden, als Leontin einen Haufen von Zeichnungen und Skizzen hervorzog, die ganz ver¬ staubt und vermodert in einem Winkel des Zimmers lagen. Sie setzten sich beyde auf den Fußboden hin und rollten eine nach der anderen auf. Die meisten Blätter waren komischen Inhalts, fast alle von ei¬ nem ungewöhnlichen Umfang. Die Züge waren durchaus keck und oft bis zur Härte streng, aber keine der Darstellungen machte einen angenehmen, viele sogar einen widrigen Eindruck. Unter den ko¬ mischen Gesichtern glaubte Friedrich zu seiner höch¬ sten Verwunderung manche alte Bekannte aus sei¬ ner Kindheit wiederzufinden.
Der erste Morgenschein fiel indeß so eben durch die hohen Bogenfenster und spielte gar seltsam an den Wänden der Polterkammer und in die wunder¬ liche Welt der Gedanken und Gestalten hinein, die rings um sie her auf dem Boden zerstreut lagen.
drich höchſtbetroffen einen großen, ziemlich weitläu¬ figen Umriß ſeiner Heimath, das große alte Schloß und den Garten auf dem Berge, den Strom un¬ ten, den Wald und die ganze Gegend. Aber es war unbeſchreiblich einſam anzuſehen, denn ein un¬ geheuerer Sturm ſchien über die winterliche Gegend zu gehen, und beugte die entlaubten Bäume alle nach einer Seite, ſo wie auch eine wilde Flammen¬ krone, die aus dem Dache des Schloſſes hervor¬ brach, welches zum Theil ſchon in der Feuersbrunſt zuſammenſtürzte.
Friedrich konnte die Augen von dieſen Zügen kaum wegwenden, als Leontin einen Haufen von Zeichnungen und Skizzen hervorzog, die ganz ver¬ ſtaubt und vermodert in einem Winkel des Zimmers lagen. Sie ſetzten ſich beyde auf den Fußboden hin und rollten eine nach der anderen auf. Die meiſten Blätter waren komiſchen Inhalts, faſt alle von ei¬ nem ungewöhnlichen Umfang. Die Züge waren durchaus keck und oft bis zur Härte ſtreng, aber keine der Darſtellungen machte einen angenehmen, viele ſogar einen widrigen Eindruck. Unter den ko¬ miſchen Geſichtern glaubte Friedrich zu ſeiner höch¬ ſten Verwunderung manche alte Bekannte aus ſei¬ ner Kindheit wiederzufinden.
Der erſte Morgenſchein fiel indeß ſo eben durch die hohen Bogenfenſter und ſpielte gar ſeltſam an den Wänden der Polterkammer und in die wunder¬ liche Welt der Gedanken und Geſtalten hinein, die rings um ſie her auf dem Boden zerſtreut lagen.
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drich höchſtbetroffen einen großen, ziemlich weitläu¬
figen Umriß ſeiner Heimath, das große alte Schloß
und den Garten auf dem Berge, den Strom un¬
ten, den Wald und die ganze Gegend. Aber es
war unbeſchreiblich einſam anzuſehen, denn ein un¬
geheuerer Sturm ſchien über die winterliche Gegend
zu gehen, und beugte die entlaubten Bäume alle
nach einer Seite, ſo wie auch eine wilde Flammen¬
krone, die aus dem Dache des Schloſſes hervor¬
brach, welches zum Theil ſchon in der Feuersbrunſt
zuſammenſtürzte.
Friedrich konnte die Augen von dieſen Zügen
kaum wegwenden, als Leontin einen Haufen von
Zeichnungen und Skizzen hervorzog, die ganz ver¬
ſtaubt und vermodert in einem Winkel des Zimmers
lagen. Sie ſetzten ſich beyde auf den Fußboden hin
und rollten eine nach der anderen auf. Die meiſten
Blätter waren komiſchen Inhalts, faſt alle von ei¬
nem ungewöhnlichen Umfang. Die Züge waren
durchaus keck und oft bis zur Härte ſtreng, aber
keine der Darſtellungen machte einen angenehmen,
viele ſogar einen widrigen Eindruck. Unter den ko¬
miſchen Geſichtern glaubte Friedrich zu ſeiner höch¬
ſten Verwunderung manche alte Bekannte aus ſei¬
ner Kindheit wiederzufinden.
Der erſte Morgenſchein fiel indeß ſo eben durch
die hohen Bogenfenſter und ſpielte gar ſeltſam an
den Wänden der Polterkammer und in die wunder¬
liche Welt der Gedanken und Geſtalten hinein, die
rings um ſie her auf dem Boden zerſtreut lagen.
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/412>, abgerufen am 23.11.2024.
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