altbekannt, und doch war ich so lange ich lebe nicht hier. --
Je weiter sie kamen, je erinnernder und sehn¬ süchtiger sprach jede Stelle zu ihm; oft verwan¬ delte sich auf einmal alles wieder, ein Baum, ein Hügel legte sich fremd vor seine Aussicht wie in eine uralte, wehmüthige Zeit, doch konnte er sich durchaus nicht besinnen.
So hatten sie nach und nach den Gipfel des Berges erreicht. Freudig überrascht standen sie bey¬ de still, denn eine überschwengliche Aussicht über Städte, Ströme und Wälder, so weit die Blicke in das fröhlichbunte Reich hinauslangten, lag un¬ ermeßlich unter ihnen. Da erinnerte sich Friedrich auf einmal; das ist ja meine Heimath! rief er, mit ganzer Seele in die Aussicht versenkt. Was ich sehe, hier und in die Runde, alles gemahnt mich wie ein Zauberspiegel an den Ort, wo ich als Kind aufwuchs! Derselbe Wald, dieselbe Gänge -- nur das schöne alterthümliche Schloß finde ich nicht wieder auf dem Berge. --
Sie stiegen weiter und erblickten wirklich auf dem Gipfel im Gebüsche die Ruinen eines alten, verfallenen Schlosses. Sie kletterten über die um¬ hergeworfenen Steine hinein, und erstaunten nicht wenig, als sie dort ein steinernes Grabmal fanden, das ihnen durch seine Schönheit sowohl, als durch seine mannigfaltige Bedeutsamkeit auffiel. Es stell¬ te nemlich eine junge, schöne, fast wollüstiggebaute
altbekannt, und doch war ich ſo lange ich lebe nicht hier. —
Je weiter ſie kamen, je erinnernder und ſehn¬ ſüchtiger ſprach jede Stelle zu ihm; oft verwan¬ delte ſich auf einmal alles wieder, ein Baum, ein Hügel legte ſich fremd vor ſeine Ausſicht wie in eine uralte, wehmüthige Zeit, doch konnte er ſich durchaus nicht beſinnen.
So hatten ſie nach und nach den Gipfel des Berges erreicht. Freudig überraſcht ſtanden ſie bey¬ de ſtill, denn eine überſchwengliche Ausſicht über Städte, Ströme und Wälder, ſo weit die Blicke in das fröhlichbunte Reich hinauslangten, lag un¬ ermeßlich unter ihnen. Da erinnerte ſich Friedrich auf einmal; das iſt ja meine Heimath! rief er, mit ganzer Seele in die Ausſicht verſenkt. Was ich ſehe, hier und in die Runde, alles gemahnt mich wie ein Zauberſpiegel an den Ort, wo ich als Kind aufwuchs! Derſelbe Wald, dieſelbe Gänge — nur das ſchöne alterthümliche Schloß finde ich nicht wieder auf dem Berge. —
Sie ſtiegen weiter und erblickten wirklich auf dem Gipfel im Gebüſche die Ruinen eines alten, verfallenen Schloſſes. Sie kletterten über die um¬ hergeworfenen Steine hinein, und erſtaunten nicht wenig, als ſie dort ein ſteinernes Grabmal fanden, das ihnen durch ſeine Schönheit ſowohl, als durch ſeine mannigfaltige Bedeutſamkeit auffiel. Es ſtell¬ te nemlich eine junge, ſchöne, faſt wollüſtiggebaute
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altbekannt, und doch war ich ſo lange ich lebe nicht
hier. —
Je weiter ſie kamen, je erinnernder und ſehn¬
ſüchtiger ſprach jede Stelle zu ihm; oft verwan¬
delte ſich auf einmal alles wieder, ein Baum, ein
Hügel legte ſich fremd vor ſeine Ausſicht wie in
eine uralte, wehmüthige Zeit, doch konnte er ſich
durchaus nicht beſinnen.
So hatten ſie nach und nach den Gipfel des
Berges erreicht. Freudig überraſcht ſtanden ſie bey¬
de ſtill, denn eine überſchwengliche Ausſicht über
Städte, Ströme und Wälder, ſo weit die Blicke
in das fröhlichbunte Reich hinauslangten, lag un¬
ermeßlich unter ihnen. Da erinnerte ſich Friedrich
auf einmal; das iſt ja meine Heimath! rief er,
mit ganzer Seele in die Ausſicht verſenkt. Was ich
ſehe, hier und in die Runde, alles gemahnt mich
wie ein Zauberſpiegel an den Ort, wo ich als
Kind aufwuchs! Derſelbe Wald, dieſelbe Gänge —
nur das ſchöne alterthümliche Schloß finde ich nicht
wieder auf dem Berge. —
Sie ſtiegen weiter und erblickten wirklich auf
dem Gipfel im Gebüſche die Ruinen eines alten,
verfallenen Schloſſes. Sie kletterten über die um¬
hergeworfenen Steine hinein, und erſtaunten nicht
wenig, als ſie dort ein ſteinernes Grabmal fanden,
das ihnen durch ſeine Schönheit ſowohl, als durch
ſeine mannigfaltige Bedeutſamkeit auffiel. Es ſtell¬
te nemlich eine junge, ſchöne, faſt wollüſtiggebaute
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/399>, abgerufen am 23.11.2024.
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