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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Friedrich, ausser sich, stürzte über ihn her und
öffnete oben schnell sein Wamms, denn es war die¬
selbe phantastische Kleidung, die der Knabe sonst
auf dem Schlosse des Herrn v. A. getragen hatte.
Wie sehr erschrack und erstaunte er, als ihm da
der schönste Mädchenbusen entgegenschwoll, noch
warm, aber nicht mehr schlagend. -- Er blieb wie
eingewurzelt auf seinen Knieen und starrte dem
Mädchen in das stille Gesicht, als hätte er es noch
nie vorher gesehen.

Leontin und Julie waren unterdeß auch aus der
Mühle herbeygeeilt. Sie schienen gar nicht er¬
staunt, Erwin hier zu sehen, noch weniger über
die Entdeckung seines Geschlechts, sondern nur be¬
stürzt über seinen jetzigen, unerwarteten Zustand.
In stummer Geschäftigkeit, ohne sich, wechselseitig
zu erklären, waren alle nur bemüht, ihn ins Le¬
ben zurückzurufen -- aber alles blieb vergebens,
das schöne, seltsame Mädchen war todt.

Julie hatte sie trostlos vor sich auf dem Schoo¬
ße liegen. Sie ruhte wie ein Engel still und
schön. Kein Athem wehte mehr säuselnd durch die
zarten, rothen Lippen, die sonst zu so wunderschö¬
nen Tönen sich aufthaten, ihre großen Augen, so
lieblichwild, waren auf ewig verschlossen, nur eine
einsame Nachtluft bewegte noch ihre Locken hin und
her. Leontin und Friedrich sassen stillschweigend ge¬
genüber. Friedrich, dem jetzt auf einmal viele Son¬
derbarkeiten des Mädchens nur zu klar wurden,
klagte sich in tiefem, stummen Schmerze bey sich

Friedrich, auſſer ſich, ſtürzte über ihn her und
öffnete oben ſchnell ſein Wamms, denn es war die¬
ſelbe phantaſtiſche Kleidung, die der Knabe ſonſt
auf dem Schloſſe des Herrn v. A. getragen hatte.
Wie ſehr erſchrack und erſtaunte er, als ihm da
der ſchönſte Mädchenbuſen entgegenſchwoll, noch
warm, aber nicht mehr ſchlagend. — Er blieb wie
eingewurzelt auf ſeinen Knieen und ſtarrte dem
Mädchen in das ſtille Geſicht, als hätte er es noch
nie vorher geſehen.

Leontin und Julie waren unterdeß auch aus der
Mühle herbeygeeilt. Sie ſchienen gar nicht er¬
ſtaunt, Erwin hier zu ſehen, noch weniger über
die Entdeckung ſeines Geſchlechts, ſondern nur be¬
ſtürzt über ſeinen jetzigen, unerwarteten Zuſtand.
In ſtummer Geſchäftigkeit, ohne ſich, wechſelſeitig
zu erklären, waren alle nur bemüht, ihn ins Le¬
ben zurückzurufen — aber alles blieb vergebens,
das ſchöne, ſeltſame Mädchen war todt.

Julie hatte ſie troſtlos vor ſich auf dem Schoo¬
ße liegen. Sie ruhte wie ein Engel ſtill und
ſchön. Kein Athem wehte mehr ſäuſelnd durch die
zarten, rothen Lippen, die ſonſt zu ſo wunderſchö¬
nen Tönen ſich aufthaten, ihre großen Augen, ſo
lieblichwild, waren auf ewig verſchloſſen, nur eine
einſame Nachtluft bewegte noch ihre Locken hin und
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[379/0385] Friedrich, auſſer ſich, ſtürzte über ihn her und öffnete oben ſchnell ſein Wamms, denn es war die¬ ſelbe phantaſtiſche Kleidung, die der Knabe ſonſt auf dem Schloſſe des Herrn v. A. getragen hatte. Wie ſehr erſchrack und erſtaunte er, als ihm da der ſchönſte Mädchenbuſen entgegenſchwoll, noch warm, aber nicht mehr ſchlagend. — Er blieb wie eingewurzelt auf ſeinen Knieen und ſtarrte dem Mädchen in das ſtille Geſicht, als hätte er es noch nie vorher geſehen. Leontin und Julie waren unterdeß auch aus der Mühle herbeygeeilt. Sie ſchienen gar nicht er¬ ſtaunt, Erwin hier zu ſehen, noch weniger über die Entdeckung ſeines Geſchlechts, ſondern nur be¬ ſtürzt über ſeinen jetzigen, unerwarteten Zuſtand. In ſtummer Geſchäftigkeit, ohne ſich, wechſelſeitig zu erklären, waren alle nur bemüht, ihn ins Le¬ ben zurückzurufen — aber alles blieb vergebens, das ſchöne, ſeltſame Mädchen war todt. Julie hatte ſie troſtlos vor ſich auf dem Schoo¬ ße liegen. Sie ruhte wie ein Engel ſtill und ſchön. Kein Athem wehte mehr ſäuſelnd durch die zarten, rothen Lippen, die ſonſt zu ſo wunderſchö¬ nen Tönen ſich aufthaten, ihre großen Augen, ſo lieblichwild, waren auf ewig verſchloſſen, nur eine einſame Nachtluft bewegte noch ihre Locken hin und her. Leontin und Friedrich ſaſſen ſtillſchweigend ge¬ genüber. Friedrich, dem jetzt auf einmal viele Son¬ derbarkeiten des Mädchens nur zu klar wurden, klagte ſich in tiefem, ſtummen Schmerze bey ſich

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/385>, abgerufen am 23.11.2024.