weiter verhallend. Friedrich wagte kaum zu ath¬ men, um die Zauberey nicht zu stören. Doch, je länger er den leise, verschwindenden Tönen lauschte, je unruhiger wurde er nach und nach; denn es war wieder jenes alte Lied aus seiner Kindheit, das er einmal in der Nacht auf Leontins Schlosse von Er¬ win auf der Mauer singen gehört; auch schien es dieselbe Stimme. Er raffte sich endlich auf und trat leise vor die Thüre hinaus. Da lag und schlief der Bediente quer über der Schwelle wie ein Tod¬ ter. Draussen sah er den Sänger im hellen Mond¬ scheine unter den hohen Eichen wandeln. Er lief freudig auf ihn zu -- es war Erwin! -- Der Kna¬ be wandte sich schnell, und als er Friedrich'n er¬ blickte, stürzte er mit einem durchdringenden Schrey zu Boden, unter ihm lag seine Zitter zerbrochen.
Der Bediente auf der Schwelle fuhr über dem Schrey taumelnd auf. Verrückt! verrückt! rief er, sich aufmunternd, Friedrich'n zu, und eilte sehr ängstlich in das Haus hinein, um seine Herrschaft zu wecken. Friedrich'n schnitt dieser Ausruf wie Schwerdter durchs Herz, denn er hatte es aus des Knaben unbegreiflicher Flucht längst gefürchtet.
Erwin sah indeß wie aus einem langen Traume mit ungewißschweifenden Blicken rings um sich her und dann Friedrich'n an, während sehr heftige innerliche Zuckungen, die sich immer mehr dem Her¬ zen zu nähern schienen, durch seinen Körper fuh¬ ren. Abgebrochen durch den Schmerz, aber ohne sein schönes Gesicht zu verziehen, sagte er zu Frie¬
weiter verhallend. Friedrich wagte kaum zu ath¬ men, um die Zauberey nicht zu ſtören. Doch, je länger er den leiſe, verſchwindenden Tönen lauſchte, je unruhiger wurde er nach und nach; denn es war wieder jenes alte Lied aus ſeiner Kindheit, das er einmal in der Nacht auf Leontins Schloſſe von Er¬ win auf der Mauer ſingen gehört; auch ſchien es dieſelbe Stimme. Er raffte ſich endlich auf und trat leiſe vor die Thüre hinaus. Da lag und ſchlief der Bediente quer über der Schwelle wie ein Tod¬ ter. Drauſſen ſah er den Sänger im hellen Mond¬ ſcheine unter den hohen Eichen wandeln. Er lief freudig auf ihn zu — es war Erwin! — Der Kna¬ be wandte ſich ſchnell, und als er Friedrich'n er¬ blickte, ſtürzte er mit einem durchdringenden Schrey zu Boden, unter ihm lag ſeine Zitter zerbrochen.
Der Bediente auf der Schwelle fuhr über dem Schrey taumelnd auf. Verrückt! verrückt! rief er, ſich aufmunternd, Friedrich'n zu, und eilte ſehr ängſtlich in das Haus hinein, um ſeine Herrſchaft zu wecken. Friedrich'n ſchnitt dieſer Ausruf wie Schwerdter durchs Herz, denn er hatte es aus des Knaben unbegreiflicher Flucht längſt gefürchtet.
Erwin ſah indeß wie aus einem langen Traume mit ungewißſchweifenden Blicken rings um ſich her und dann Friedrich'n an, während ſehr heftige innerliche Zuckungen, die ſich immer mehr dem Her¬ zen zu nähern ſchienen, durch ſeinen Körper fuh¬ ren. Abgebrochen durch den Schmerz, aber ohne ſein ſchönes Geſicht zu verziehen, ſagte er zu Frie¬
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weiter verhallend. Friedrich wagte kaum zu ath¬
men, um die Zauberey nicht zu ſtören. Doch, je
länger er den leiſe, verſchwindenden Tönen lauſchte,
je unruhiger wurde er nach und nach; denn es war
wieder jenes alte Lied aus ſeiner Kindheit, das er
einmal in der Nacht auf Leontins Schloſſe von Er¬
win auf der Mauer ſingen gehört; auch ſchien es
dieſelbe Stimme. Er raffte ſich endlich auf und
trat leiſe vor die Thüre hinaus. Da lag und ſchlief
der Bediente quer über der Schwelle wie ein Tod¬
ter. Drauſſen ſah er den Sänger im hellen Mond¬
ſcheine unter den hohen Eichen wandeln. Er lief
freudig auf ihn zu — es war Erwin! — Der Kna¬
be wandte ſich ſchnell, und als er Friedrich'n er¬
blickte, ſtürzte er mit einem durchdringenden Schrey
zu Boden, unter ihm lag ſeine Zitter zerbrochen.
Der Bediente auf der Schwelle fuhr über dem
Schrey taumelnd auf. Verrückt! verrückt! rief er,
ſich aufmunternd, Friedrich'n zu, und eilte ſehr
ängſtlich in das Haus hinein, um ſeine Herrſchaft
zu wecken. Friedrich'n ſchnitt dieſer Ausruf wie
Schwerdter durchs Herz, denn er hatte es aus des
Knaben unbegreiflicher Flucht längſt gefürchtet.
Erwin ſah indeß wie aus einem langen Traume
mit ungewißſchweifenden Blicken rings um ſich her
und dann Friedrich'n an, während ſehr heftige
innerliche Zuckungen, die ſich immer mehr dem Her¬
zen zu nähern ſchienen, durch ſeinen Körper fuh¬
ren. Abgebrochen durch den Schmerz, aber ohne
ſein ſchönes Geſicht zu verziehen, ſagte er zu Frie¬
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/383>, abgerufen am 25.11.2024.
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