Umwege mich wieder zu vereinigen, aber je länger ich ritt, je tiefer verirrte ich mich in dem verteufel¬ ten Walde. Es regnet und stürmte in einem fort, aber ich mochte nirgends einkehren, denn ich war innerlichst so zornig, daß ich mich in dem Wetter noch am leidlichsten befand.
Am Abend des anderen Tages fiengen endlich die Wolken an sich zu zertheilen, die Sonne brach wieder hindurch und schien warm und dampfend auf den Erdboden, da kam ich auf einer Höhe plötzlich aus dem Walde und stand -- vor Juliens Gegend. Ich kann es nicht beschreiben, mit welcher Empfin¬ dung ich aus der kriegerischen Wildniß meines em¬ pörten Gemüths so auf einmal in die Friedens- und Segensreiche Gegend voll alter Erinnerungen und Anklänge hinaussah, die, wie Du wissen wirst, zwi¬ schen ihren einsamen Bergen und Wäldern mitten im Kriege in tiefster Stille lag.
Überrascht blieb ich oben stehen. Da sah ich den blauen Strom unten wieder gehn und Segel fahren, das freundliche Schloß am Hügel und den wohlbekannten Garten ringsumher, alles in alter Ruhe, wie damals. Den Herrn v. A. sah ich auf dem mittelsten Gange des Gartens hinab ruhig spa¬ zieren gehen. Auf den weiten Plänen jenseits des Stromes, über welche die eben untergehende Sonne schräge ihre letzten Strahlen warf, kam ein Reiter auf daß Schloß zugezogen, ich konnte ihn nicht er¬ kennen. Julien erblickte ich nirgends.
Umwege mich wieder zu vereinigen, aber je länger ich ritt, je tiefer verirrte ich mich in dem verteufel¬ ten Walde. Es regnet und ſtürmte in einem fort, aber ich mochte nirgends einkehren, denn ich war innerlichſt ſo zornig, daß ich mich in dem Wetter noch am leidlichſten befand.
Am Abend des anderen Tages fiengen endlich die Wolken an ſich zu zertheilen, die Sonne brach wieder hindurch und ſchien warm und dampfend auf den Erdboden, da kam ich auf einer Höhe plötzlich aus dem Walde und ſtand — vor Juliens Gegend. Ich kann es nicht beſchreiben, mit welcher Empfin¬ dung ich aus der kriegeriſchen Wildniß meines em¬ pörten Gemüths ſo auf einmal in die Friedens- und Segensreiche Gegend voll alter Erinnerungen und Anklänge hinausſah, die, wie Du wiſſen wirſt, zwi¬ ſchen ihren einſamen Bergen und Wäldern mitten im Kriege in tiefſter Stille lag.
Überraſcht blieb ich oben ſtehen. Da ſah ich den blauen Strom unten wieder gehn und Segel fahren, das freundliche Schloß am Hügel und den wohlbekannten Garten ringsumher, alles in alter Ruhe, wie damals. Den Herrn v. A. ſah ich auf dem mittelſten Gange des Gartens hinab ruhig ſpa¬ zieren gehen. Auf den weiten Plänen jenſeits des Stromes, über welche die eben untergehende Sonne ſchräge ihre letzten Strahlen warf, kam ein Reiter auf daß Schloß zugezogen, ich konnte ihn nicht er¬ kennen. Julien erblickte ich nirgends.
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Umwege mich wieder zu vereinigen, aber je länger
ich ritt, je tiefer verirrte ich mich in dem verteufel¬
ten Walde. Es regnet und ſtürmte in einem fort,
aber ich mochte nirgends einkehren, denn ich war
innerlichſt ſo zornig, daß ich mich in dem Wetter
noch am leidlichſten befand.
Am Abend des anderen Tages fiengen endlich
die Wolken an ſich zu zertheilen, die Sonne brach
wieder hindurch und ſchien warm und dampfend auf
den Erdboden, da kam ich auf einer Höhe plötzlich
aus dem Walde und ſtand — vor Juliens Gegend.
Ich kann es nicht beſchreiben, mit welcher Empfin¬
dung ich aus der kriegeriſchen Wildniß meines em¬
pörten Gemüths ſo auf einmal in die Friedens- und
Segensreiche Gegend voll alter Erinnerungen und
Anklänge hinausſah, die, wie Du wiſſen wirſt, zwi¬
ſchen ihren einſamen Bergen und Wäldern mitten
im Kriege in tiefſter Stille lag.
Überraſcht blieb ich oben ſtehen. Da ſah ich
den blauen Strom unten wieder gehn und Segel
fahren, das freundliche Schloß am Hügel und den
wohlbekannten Garten ringsumher, alles in alter
Ruhe, wie damals. Den Herrn v. A. ſah ich auf
dem mittelſten Gange des Gartens hinab ruhig ſpa¬
zieren gehen. Auf den weiten Plänen jenſeits des
Stromes, über welche die eben untergehende Sonne
ſchräge ihre letzten Strahlen warf, kam ein Reiter
auf daß Schloß zugezogen, ich konnte ihn nicht er¬
kennen. Julien erblickte ich nirgends.
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/368>, abgerufen am 25.11.2024.
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