chen, und jenes große, reiche Geheimniß des Le¬ bens hatte sich ihm endlich in Gott gelöst.
Während er dieß alles so überdachte, fiel ihm ein, wie Leontins Schloß ganz in der Nähe von hier sey. Er fühlte ein recht herzliches Verlangen, diesen seinen Bruder und jene Waldberge wieder¬ zusehen. Der Gedanke bewegte ihn so, daß er so¬ gleich sein Pferd bestieg und von dem Berge hinab die schattigte Landstrasse wieder einschlug.
Die Sonne stand noch hoch, er hoffte den Wald noch vor Anbruch der Nacht zurückzulegen. Nach einiger Zeit erlangte er einen hohen Bergrücken. Die Lage der Wälder, der Kreis von niederern Ber¬ gen ringsumher, alles kam ihm so bekannt vor. Er ritt langsam und sinnend fort, bis er sich endlich erinnerte, daß es dieselbe Hayde sey, über welche er in jener Nacht, da er sich verirrt und das selt¬ same Abentheuer in der Mühle bestanden, sein Pferd am Zügel geführt hatte. Der Schlag der Eisenhämmer kam nur schwach und verworren durch das Singen der Vögel und den schallenden Tag aus der fernen Tiefe herauf. Es war ihm, als rückte sein ganzes Leben Bild vor Bild so wieder rück¬ wärts, wie ein Schiff nach langer Farth, die wohlbekannten Ufer wieder begrüßend, endlich dem alten, heymathlichen Hafen bereichert zufährt.
Ein Gebirgsbach fand sich dort in der Einsam¬ keit mit seiner plauderhaften Emsigkeit neben ihm
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chen, und jenes große, reiche Geheimniß des Le¬ bens hatte ſich ihm endlich in Gott gelöst.
Während er dieß alles ſo überdachte, fiel ihm ein, wie Leontins Schloß ganz in der Nähe von hier ſey. Er fühlte ein recht herzliches Verlangen, dieſen ſeinen Bruder und jene Waldberge wieder¬ zuſehen. Der Gedanke bewegte ihn ſo, daß er ſo¬ gleich ſein Pferd beſtieg und von dem Berge hinab die ſchattigte Landſtraſſe wieder einſchlug.
Die Sonne ſtand noch hoch, er hoffte den Wald noch vor Anbruch der Nacht zurückzulegen. Nach einiger Zeit erlangte er einen hohen Bergrücken. Die Lage der Wälder, der Kreis von niederern Ber¬ gen ringsumher, alles kam ihm ſo bekannt vor. Er ritt langſam und ſinnend fort, bis er ſich endlich erinnerte, daß es dieſelbe Hayde ſey, über welche er in jener Nacht, da er ſich verirrt und das ſelt¬ ſame Abentheuer in der Mühle beſtanden, ſein Pferd am Zügel geführt hatte. Der Schlag der Eiſenhämmer kam nur ſchwach und verworren durch das Singen der Vögel und den ſchallenden Tag aus der fernen Tiefe herauf. Es war ihm, als rückte ſein ganzes Leben Bild vor Bild ſo wieder rück¬ wärts, wie ein Schiff nach langer Farth, die wohlbekannten Ufer wieder begrüßend, endlich dem alten, heymathlichen Hafen bereichert zufährt.
Ein Gebirgsbach fand ſich dort in der Einſam¬ keit mit ſeiner plauderhaften Emſigkeit neben ihm
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chen, und jenes große, reiche Geheimniß des Le¬
bens hatte ſich ihm endlich in Gott gelöst.
Während er dieß alles ſo überdachte, fiel ihm
ein, wie Leontins Schloß ganz in der Nähe von
hier ſey. Er fühlte ein recht herzliches Verlangen,
dieſen ſeinen Bruder und jene Waldberge wieder¬
zuſehen. Der Gedanke bewegte ihn ſo, daß er ſo¬
gleich ſein Pferd beſtieg und von dem Berge hinab
die ſchattigte Landſtraſſe wieder einſchlug.
Die Sonne ſtand noch hoch, er hoffte den Wald
noch vor Anbruch der Nacht zurückzulegen. Nach
einiger Zeit erlangte er einen hohen Bergrücken.
Die Lage der Wälder, der Kreis von niederern Ber¬
gen ringsumher, alles kam ihm ſo bekannt vor. Er
ritt langſam und ſinnend fort, bis er ſich endlich
erinnerte, daß es dieſelbe Hayde ſey, über welche
er in jener Nacht, da er ſich verirrt und das ſelt¬
ſame Abentheuer in der Mühle beſtanden, ſein
Pferd am Zügel geführt hatte. Der Schlag der
Eiſenhämmer kam nur ſchwach und verworren durch
das Singen der Vögel und den ſchallenden Tag aus
der fernen Tiefe herauf. Es war ihm, als rückte
ſein ganzes Leben Bild vor Bild ſo wieder rück¬
wärts, wie ein Schiff nach langer Farth, die
wohlbekannten Ufer wieder begrüßend, endlich dem
alten, heymathlichen Hafen bereichert zufährt.
Ein Gebirgsbach fand ſich dort in der Einſam¬
keit mit ſeiner plauderhaften Emſigkeit neben ihm
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/361>, abgerufen am 23.11.2024.
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