diesen Worten sprang der Offizier, der Friedrichs ruhige Züge nicht länger ertragen konnte, auf, packte ihn bey der Brust und wollte ihn über die Gallerie in den Abgrund stürzen. Sie rangen ei¬ nige Zeit miteinander; Friedrich war von vielem Blutverlust ermattet und taumelte nach dem schwind¬ lichen Rande zu. Da fiel ein Schuß aus einem Fenster des Schlosses; ein Schütze hatte alles mit angesehen. -- Jesus Maria! rief der Offizier ge¬ troffen und stürzte über das Geländer in den Ab¬ grund hinunter. -- Da wurde es auf einmal still, nur der Wald rauschte finster von unten herauf. Friedrich wandte sich schaudernd von dem unheimli¬ chen Orte.
Die Schützen hatten unterdeß ausgerastet; das Morgenroth begann bereits sich zu erheben. Neue Nachrichten, die so eben eingelaufen waren, be¬ stimmten die Truppe, sogleich von ihrem Schlosse auf¬ zubrechen, um sich mit den anderen tiefer im Lande zu vereinigen.
Eine seltsame Erscheinung zog jedoch bald dar¬ auf Aller Augen auf sich. Als sie nemlich auf der einen Seite des Schlosses herauskamen, sahen sie jenseits zwischen den Bäumen auf einer hohen Klippe eine weibliche Gestalt stehen, welche zwey von den ihrigen, die ihr nachstiegen, mit dem De¬ gen abwehrte. Friedrich wurde hinzugerufen. Er erfuhr, das Mädchen sey gegen Morgen allein mit verwirrtem Haar und einem Degen in der Hand an dem Schlosse herumgeirrt, als suche sie etwas.
dieſen Worten ſprang der Offizier, der Friedrichs ruhige Züge nicht länger ertragen konnte, auf, packte ihn bey der Bruſt und wollte ihn über die Gallerie in den Abgrund ſtürzen. Sie rangen ei¬ nige Zeit miteinander; Friedrich war von vielem Blutverluſt ermattet und taumelte nach dem ſchwind¬ lichen Rande zu. Da fiel ein Schuß aus einem Fenſter des Schloſſes; ein Schütze hatte alles mit angeſehen. — Jeſus Maria! rief der Offizier ge¬ troffen und ſtürzte über das Geländer in den Ab¬ grund hinunter. — Da wurde es auf einmal ſtill, nur der Wald rauſchte finſter von unten herauf. Friedrich wandte ſich ſchaudernd von dem unheimli¬ chen Orte.
Die Schützen hatten unterdeß ausgeraſtet; das Morgenroth begann bereits ſich zu erheben. Neue Nachrichten, die ſo eben eingelaufen waren, be¬ ſtimmten die Truppe, ſogleich von ihrem Schloſſe auf¬ zubrechen, um ſich mit den anderen tiefer im Lande zu vereinigen.
Eine ſeltſame Erſcheinung zog jedoch bald dar¬ auf Aller Augen auf ſich. Als ſie nemlich auf der einen Seite des Schloſſes herauskamen, ſahen ſie jenſeits zwiſchen den Bäumen auf einer hohen Klippe eine weibliche Geſtalt ſtehen, welche zwey von den ihrigen, die ihr nachſtiegen, mit dem De¬ gen abwehrte. Friedrich wurde hinzugerufen. Er erfuhr, das Mädchen ſey gegen Morgen allein mit verwirrtem Haar und einem Degen in der Hand an dem Schloſſe herumgeirrt, als ſuche ſie etwas.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0348"n="342"/>
dieſen Worten ſprang der Offizier, der Friedrichs<lb/>
ruhige Züge nicht länger ertragen konnte, auf,<lb/>
packte ihn bey der Bruſt und wollte ihn über die<lb/>
Gallerie in den Abgrund ſtürzen. Sie rangen ei¬<lb/>
nige Zeit miteinander; Friedrich war von vielem<lb/>
Blutverluſt ermattet und taumelte nach dem ſchwind¬<lb/>
lichen Rande zu. Da fiel ein Schuß aus einem<lb/>
Fenſter des Schloſſes; ein Schütze hatte alles mit<lb/>
angeſehen. — Jeſus Maria! rief der Offizier ge¬<lb/>
troffen und ſtürzte über das Geländer in den Ab¬<lb/>
grund hinunter. — Da wurde es auf einmal ſtill,<lb/>
nur der Wald rauſchte finſter von unten herauf.<lb/>
Friedrich wandte ſich ſchaudernd von dem unheimli¬<lb/>
chen Orte.</p><lb/><p>Die Schützen hatten unterdeß ausgeraſtet; das<lb/>
Morgenroth begann bereits ſich zu erheben. Neue<lb/>
Nachrichten, die ſo eben eingelaufen waren, be¬<lb/>ſtimmten die Truppe, ſogleich von ihrem Schloſſe auf¬<lb/>
zubrechen, um ſich mit den anderen tiefer im Lande<lb/>
zu vereinigen.</p><lb/><p>Eine ſeltſame Erſcheinung zog jedoch bald dar¬<lb/>
auf Aller Augen auf ſich. Als ſie nemlich auf der<lb/>
einen Seite des Schloſſes herauskamen, ſahen ſie<lb/>
jenſeits zwiſchen den Bäumen auf einer hohen<lb/>
Klippe eine weibliche Geſtalt ſtehen, welche zwey<lb/>
von den ihrigen, die ihr nachſtiegen, mit dem De¬<lb/>
gen abwehrte. Friedrich wurde hinzugerufen. Er<lb/>
erfuhr, das Mädchen ſey gegen Morgen allein mit<lb/>
verwirrtem Haar und einem Degen in der Hand<lb/>
an dem Schloſſe herumgeirrt, als ſuche ſie etwas.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[342/0348]
dieſen Worten ſprang der Offizier, der Friedrichs
ruhige Züge nicht länger ertragen konnte, auf,
packte ihn bey der Bruſt und wollte ihn über die
Gallerie in den Abgrund ſtürzen. Sie rangen ei¬
nige Zeit miteinander; Friedrich war von vielem
Blutverluſt ermattet und taumelte nach dem ſchwind¬
lichen Rande zu. Da fiel ein Schuß aus einem
Fenſter des Schloſſes; ein Schütze hatte alles mit
angeſehen. — Jeſus Maria! rief der Offizier ge¬
troffen und ſtürzte über das Geländer in den Ab¬
grund hinunter. — Da wurde es auf einmal ſtill,
nur der Wald rauſchte finſter von unten herauf.
Friedrich wandte ſich ſchaudernd von dem unheimli¬
chen Orte.
Die Schützen hatten unterdeß ausgeraſtet; das
Morgenroth begann bereits ſich zu erheben. Neue
Nachrichten, die ſo eben eingelaufen waren, be¬
ſtimmten die Truppe, ſogleich von ihrem Schloſſe auf¬
zubrechen, um ſich mit den anderen tiefer im Lande
zu vereinigen.
Eine ſeltſame Erſcheinung zog jedoch bald dar¬
auf Aller Augen auf ſich. Als ſie nemlich auf der
einen Seite des Schloſſes herauskamen, ſahen ſie
jenſeits zwiſchen den Bäumen auf einer hohen
Klippe eine weibliche Geſtalt ſtehen, welche zwey
von den ihrigen, die ihr nachſtiegen, mit dem De¬
gen abwehrte. Friedrich wurde hinzugerufen. Er
erfuhr, das Mädchen ſey gegen Morgen allein mit
verwirrtem Haar und einem Degen in der Hand
an dem Schloſſe herumgeirrt, als ſuche ſie etwas.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/348>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.