Verwundert gieng er in den Hof hinaus und fragte nach den Bewohnern des Schlosses. Nur einige wußten Bescheid und sagten aus, das Schloß werde gewöhnlich, bloß von einem Vogte bewohnt und gehöre eigentlich einer Edelfrau im Auslande, die alle Jahre immer nur auf wenige Tage herkom¬ me. Sonst konnte er nichts erfahren. Ihm fiel da¬ bey unwillkührlich die weiße Frau ein, die er schon fast wieder vergessen hatte. --
Sein Schlaf war vorbey -- er begab sich da¬ her auf die alte steinerne Gallerie, die auf der Waldseite über eine tiefe Schluft hinausgieng, um dort den Morgen abzuwarten. Dort fand er auch den gefangenen Offizier, der in einem dunklen Win¬ kel zusammengekrümmt lag. Er setzte sich zu ihm auf das halbabgebrochene Geländer.
Das Unglück macht vieles wieder gut, sagte er, und reichte ihm die Hand. -- Der Offizier wickelte sich fester in seinen Mantel, und antwortete nicht. -- Hast Du denn alles vergessen, fuhr Friedrich fort, was wir in der guten Zeit vorbereitet? Mir war es Ernst mit dem, was ich vorhatte. Ich war ein ehrlicher Narr, und ich will es lieber seyn, als klug ohne Ehre. -- Der Offizier fuhr auf, schlug seinen Mantel auseinander und rief: Schlag' mich todt wie einen Hund! -- Laß diese weibische Wuth, wenn Du nichts besseres kannst, sagte Friedrich ru¬ hig. Du siehst so wüst und dunkel aus, ich kenne Dein Gesicht nicht mehr wieder. Ich liebte Dich sonst, so bist Du mir gar nichts werth. -- Bey
Verwundert gieng er in den Hof hinaus und fragte nach den Bewohnern des Schloſſes. Nur einige wußten Beſcheid und ſagten aus, das Schloß werde gewöhnlich, bloß von einem Vogte bewohnt und gehöre eigentlich einer Edelfrau im Auslande, die alle Jahre immer nur auf wenige Tage herkom¬ me. Sonſt konnte er nichts erfahren. Ihm fiel da¬ bey unwillkührlich die weiße Frau ein, die er ſchon faſt wieder vergeſſen hatte. —
Sein Schlaf war vorbey — er begab ſich da¬ her auf die alte ſteinerne Gallerie, die auf der Waldſeite über eine tiefe Schluft hinausgieng, um dort den Morgen abzuwarten. Dort fand er auch den gefangenen Offizier, der in einem dunklen Win¬ kel zuſammengekrümmt lag. Er ſetzte ſich zu ihm auf das halbabgebrochene Geländer.
Das Unglück macht vieles wieder gut, ſagte er, und reichte ihm die Hand. — Der Offizier wickelte ſich feſter in ſeinen Mantel, und antwortete nicht. — Haſt Du denn alles vergeſſen, fuhr Friedrich fort, was wir in der guten Zeit vorbereitet? Mir war es Ernſt mit dem, was ich vorhatte. Ich war ein ehrlicher Narr, und ich will es lieber ſeyn, als klug ohne Ehre. — Der Offizier fuhr auf, ſchlug ſeinen Mantel auseinander und rief: Schlag' mich todt wie einen Hund! — Laß dieſe weibiſche Wuth, wenn Du nichts beſſeres kannſt, ſagte Friedrich ru¬ hig. Du ſiehſt ſo wüſt und dunkel aus, ich kenne Dein Geſicht nicht mehr wieder. Ich liebte Dich ſonſt, ſo biſt Du mir gar nichts werth. — Bey
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Verwundert gieng er in den Hof hinaus und
fragte nach den Bewohnern des Schloſſes. Nur
einige wußten Beſcheid und ſagten aus, das Schloß
werde gewöhnlich, bloß von einem Vogte bewohnt
und gehöre eigentlich einer Edelfrau im Auslande,
die alle Jahre immer nur auf wenige Tage herkom¬
me. Sonſt konnte er nichts erfahren. Ihm fiel da¬
bey unwillkührlich die weiße Frau ein, die er ſchon
faſt wieder vergeſſen hatte. —
Sein Schlaf war vorbey — er begab ſich da¬
her auf die alte ſteinerne Gallerie, die auf der
Waldſeite über eine tiefe Schluft hinausgieng, um
dort den Morgen abzuwarten. Dort fand er auch
den gefangenen Offizier, der in einem dunklen Win¬
kel zuſammengekrümmt lag. Er ſetzte ſich zu ihm
auf das halbabgebrochene Geländer.
Das Unglück macht vieles wieder gut, ſagte er,
und reichte ihm die Hand. — Der Offizier wickelte
ſich feſter in ſeinen Mantel, und antwortete nicht.
— Haſt Du denn alles vergeſſen, fuhr Friedrich
fort, was wir in der guten Zeit vorbereitet? Mir
war es Ernſt mit dem, was ich vorhatte. Ich war
ein ehrlicher Narr, und ich will es lieber ſeyn, als
klug ohne Ehre. — Der Offizier fuhr auf, ſchlug
ſeinen Mantel auseinander und rief: Schlag' mich
todt wie einen Hund! — Laß dieſe weibiſche Wuth,
wenn Du nichts beſſeres kannſt, ſagte Friedrich ru¬
hig. Du ſiehſt ſo wüſt und dunkel aus, ich kenne
Dein Geſicht nicht mehr wieder. Ich liebte Dich
ſonſt, ſo biſt Du mir gar nichts werth. — Bey
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/347>, abgerufen am 23.11.2024.
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