Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite
Wann Tag und Nacht in verworrenem Streit,
Schon Hähne krähen in Dörfern weit,
Da schauert sein Roß und wühlet hinab,
Scharret ihm schnaubend sein eigenes Grab.

Er mochte ohngefähr eine Stunde so gesessen
haben, als der große Hund unten im Hofe ein
Paarmal anschlug. Bald darauf kam es ihm vor,
als hörte er draussen mehrere Stimmen. Er horch¬
te hinaus, aber alles war wieder still. Eine Un¬
ruhe bemächtigte sich seiner, er stand vom Fenster
auf, untersuchte seine geladenen Taschenpistolen und
legte seinen Reisesäbel auf den Tisch. In diesem
Augenblicke gieng auch die Thüre auf, und mehrere
wilde Männer traten herein. Sie blieben erschro¬
cken stehen, da sie den Grafen wach fanden. Er
erkannte sogleich die fürchterlichen Gesichter aus der
Waldschenke und seinen Hauswirth, den langen
Müller, mitten unter ihnen. Dieser faßte sich zu¬
erst und drückte unversehens eine Pistol nach ihm
ab. Die Kugel prellte neben seinem Kopfe an die
Mauer. Falsch gezielt, heimtükischer Hund! schrie
der Graf ausser sich vor Zorn und schoß den Kerl
durch's Hirn. Darauf ergriff er seinen Säbel,
stürzte sich in den Haufen hinein und warf die
Räuber, rechts und links mit in die Augen gedrück¬
tem Hute um sich herumhauend, die Stiege hinun¬
ter. Mitten in dem Gemetzel glaubte er das schö¬
ne Müllermädchen wieder zu sehen. Sie hatte sel¬
ber ein Schwerdt in der Hand, mit dem sie sich
hochherzig, den Grafen vertheidigend, zwischen die
Verräther warf. Unten an der Stiege endlich, da

Wann Tag und Nacht in verworrenem Streit,
Schon Hähne krähen in Dörfern weit,
Da ſchauert ſein Roß und wühlet hinab,
Scharret ihm ſchnaubend ſein eigenes Grab.

Er mochte ohngefähr eine Stunde ſo geſeſſen
haben, als der große Hund unten im Hofe ein
Paarmal anſchlug. Bald darauf kam es ihm vor,
als hörte er drauſſen mehrere Stimmen. Er horch¬
te hinaus, aber alles war wieder ſtill. Eine Un¬
ruhe bemächtigte ſich ſeiner, er ſtand vom Fenſter
auf, unterſuchte ſeine geladenen Taſchenpiſtolen und
legte ſeinen Reiſeſäbel auf den Tiſch. In dieſem
Augenblicke gieng auch die Thüre auf, und mehrere
wilde Männer traten herein. Sie blieben erſchro¬
cken ſtehen, da ſie den Grafen wach fanden. Er
erkannte ſogleich die fürchterlichen Geſichter aus der
Waldſchenke und ſeinen Hauswirth, den langen
Müller, mitten unter ihnen. Dieſer faßte ſich zu¬
erſt und drückte unverſehens eine Piſtol nach ihm
ab. Die Kugel prellte neben ſeinem Kopfe an die
Mauer. Falſch gezielt, heimtükiſcher Hund! ſchrie
der Graf auſſer ſich vor Zorn und ſchoß den Kerl
durch's Hirn. Darauf ergriff er ſeinen Säbel,
ſtürzte ſich in den Haufen hinein und warf die
Räuber, rechts und links mit in die Augen gedrück¬
tem Hute um ſich herumhauend, die Stiege hinun¬
ter. Mitten in dem Gemetzel glaubte er das ſchö¬
ne Müllermädchen wieder zu ſehen. Sie hatte ſel¬
ber ein Schwerdt in der Hand, mit dem ſie ſich
hochherzig, den Grafen vertheidigend, zwiſchen die
Verräther warf. Unten an der Stiege endlich, da

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0033" n="27"/>
            <lg n="4">
              <l rendition="#et">Wann Tag und Nacht in verworrenem Streit,</l><lb/>
              <l>Schon Hähne krähen in Dörfern weit,</l><lb/>
              <l>Da &#x017F;chauert &#x017F;ein Roß und wühlet hinab,</l><lb/>
              <l>Scharret ihm &#x017F;chnaubend &#x017F;ein eigenes Grab.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <p>Er mochte ohngefähr eine Stunde &#x017F;o ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en<lb/>
haben, als der große Hund unten im Hofe ein<lb/>
Paarmal an&#x017F;chlug. Bald darauf kam es ihm vor,<lb/>
als hörte er drau&#x017F;&#x017F;en mehrere Stimmen. Er horch¬<lb/>
te hinaus, aber alles war wieder &#x017F;till. Eine Un¬<lb/>
ruhe bemächtigte &#x017F;ich &#x017F;einer, er &#x017F;tand vom Fen&#x017F;ter<lb/>
auf, unter&#x017F;uchte &#x017F;eine geladenen Ta&#x017F;chenpi&#x017F;tolen und<lb/>
legte &#x017F;einen Rei&#x017F;e&#x017F;äbel auf den Ti&#x017F;ch. In die&#x017F;em<lb/>
Augenblicke gieng auch die Thüre auf, und mehrere<lb/>
wilde Männer traten herein. Sie blieben er&#x017F;chro¬<lb/>
cken &#x017F;tehen, da &#x017F;ie den Grafen wach fanden. Er<lb/>
erkannte &#x017F;ogleich die fürchterlichen Ge&#x017F;ichter aus der<lb/>
Wald&#x017F;chenke und &#x017F;einen Hauswirth, den langen<lb/>
Müller, mitten unter ihnen. Die&#x017F;er faßte &#x017F;ich zu¬<lb/>
er&#x017F;t und drückte unver&#x017F;ehens eine Pi&#x017F;tol nach ihm<lb/>
ab. Die Kugel prellte neben &#x017F;einem Kopfe an die<lb/>
Mauer. Fal&#x017F;ch gezielt, heimtüki&#x017F;cher Hund! &#x017F;chrie<lb/>
der Graf au&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ich vor Zorn und &#x017F;choß den Kerl<lb/>
durch's Hirn. Darauf ergriff er &#x017F;einen Säbel,<lb/>
&#x017F;türzte &#x017F;ich in den Haufen hinein und warf die<lb/>
Räuber, rechts und links mit in die Augen gedrück¬<lb/>
tem Hute um &#x017F;ich herumhauend, die Stiege hinun¬<lb/>
ter. Mitten in dem Gemetzel glaubte er das &#x017F;chö¬<lb/>
ne Müllermädchen wieder zu &#x017F;ehen. Sie hatte &#x017F;el¬<lb/>
ber ein Schwerdt in der Hand, mit dem &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
hochherzig, den Grafen vertheidigend, zwi&#x017F;chen die<lb/>
Verräther warf. Unten an der Stiege endlich, da<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0033] Wann Tag und Nacht in verworrenem Streit, Schon Hähne krähen in Dörfern weit, Da ſchauert ſein Roß und wühlet hinab, Scharret ihm ſchnaubend ſein eigenes Grab. Er mochte ohngefähr eine Stunde ſo geſeſſen haben, als der große Hund unten im Hofe ein Paarmal anſchlug. Bald darauf kam es ihm vor, als hörte er drauſſen mehrere Stimmen. Er horch¬ te hinaus, aber alles war wieder ſtill. Eine Un¬ ruhe bemächtigte ſich ſeiner, er ſtand vom Fenſter auf, unterſuchte ſeine geladenen Taſchenpiſtolen und legte ſeinen Reiſeſäbel auf den Tiſch. In dieſem Augenblicke gieng auch die Thüre auf, und mehrere wilde Männer traten herein. Sie blieben erſchro¬ cken ſtehen, da ſie den Grafen wach fanden. Er erkannte ſogleich die fürchterlichen Geſichter aus der Waldſchenke und ſeinen Hauswirth, den langen Müller, mitten unter ihnen. Dieſer faßte ſich zu¬ erſt und drückte unverſehens eine Piſtol nach ihm ab. Die Kugel prellte neben ſeinem Kopfe an die Mauer. Falſch gezielt, heimtükiſcher Hund! ſchrie der Graf auſſer ſich vor Zorn und ſchoß den Kerl durch's Hirn. Darauf ergriff er ſeinen Säbel, ſtürzte ſich in den Haufen hinein und warf die Räuber, rechts und links mit in die Augen gedrück¬ tem Hute um ſich herumhauend, die Stiege hinun¬ ter. Mitten in dem Gemetzel glaubte er das ſchö¬ ne Müllermädchen wieder zu ſehen. Sie hatte ſel¬ ber ein Schwerdt in der Hand, mit dem ſie ſich hochherzig, den Grafen vertheidigend, zwiſchen die Verräther warf. Unten an der Stiege endlich, da

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/33
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/33>, abgerufen am 27.11.2024.