küßte die Weinende und beschwor alle Teufel seiner Liebe herauf. Die Hörner klangen lockend immer¬ fort, und zitternd, halb gezwungen und halb ver¬ führt, folgte sie ihm endlich den Berg hinauf. Es war ein abgelegenes Jagdschloß des Prinzen. Nur wenige verschwiegene Diener hatten dort alles zu ihrem Empfange bereitet.
Friedrich ritt indeß zwischen den Bergen fort. Sein Jäger, der gegen Abend weit von der Jagd abgekommen war, hatte zufällig Rosa mit dem Prinzen auf ihrer Flucht durch den Wald fortjagen gesehen, und war sogleich zu seinem Herrn zurück¬ geeilt, um ihm diese Entdeckung mitzutheilen. Dieß war es, was Friedrich'n so schnell auf sein Pferd getrieben hatte.
Als er eben nach manchem Umwege an die letzten Felsen kam, welche die Wiese umschlossen, erblickte er plötzlich seitwärts im Walde eine weiße Figur, die, eine Flinte im Arm, grade auf seine Brust zielte. Ein flüchtiger Mondesblick beleuchtete die unbewegliche Gestalt und Friedrich glaubte mit Entsetzen Romana zu erkennen. Sie ließ erschro¬ cken die Flinte sinken, als er sich nach ihr umwand¬ te, und war im Augenblicke im Walde verschwun¬ den. Ein seltsames Grau'n befiel dabey den Gra¬ fen. Er setzte die Sporen ein, bis er das ganze furchtbare Jagdrevier weit hinter sich hatte.
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küßte die Weinende und beſchwor alle Teufel ſeiner Liebe herauf. Die Hörner klangen lockend immer¬ fort, und zitternd, halb gezwungen und halb ver¬ führt, folgte ſie ihm endlich den Berg hinauf. Es war ein abgelegenes Jagdſchloß des Prinzen. Nur wenige verſchwiegene Diener hatten dort alles zu ihrem Empfange bereitet.
Friedrich ritt indeß zwiſchen den Bergen fort. Sein Jäger, der gegen Abend weit von der Jagd abgekommen war, hatte zufällig Roſa mit dem Prinzen auf ihrer Flucht durch den Wald fortjagen geſehen, und war ſogleich zu ſeinem Herrn zurück¬ geeilt, um ihm dieſe Entdeckung mitzutheilen. Dieß war es, was Friedrich'n ſo ſchnell auf ſein Pferd getrieben hatte.
Als er eben nach manchem Umwege an die letzten Felſen kam, welche die Wieſe umſchloſſen, erblickte er plötzlich ſeitwärts im Walde eine weiße Figur, die, eine Flinte im Arm, grade auf ſeine Bruſt zielte. Ein flüchtiger Mondesblick beleuchtete die unbewegliche Geſtalt und Friedrich glaubte mit Entſetzen Romana zu erkennen. Sie ließ erſchro¬ cken die Flinte ſinken, als er ſich nach ihr umwand¬ te, und war im Augenblicke im Walde verſchwun¬ den. Ein ſeltſames Grau'n befiel dabey den Gra¬ fen. Er ſetzte die Sporen ein, bis er das ganze furchtbare Jagdrevier weit hinter ſich hatte.
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küßte die Weinende und beſchwor alle Teufel ſeiner
Liebe herauf. Die Hörner klangen lockend immer¬
fort, und zitternd, halb gezwungen und halb ver¬
führt, folgte ſie ihm endlich den Berg hinauf. Es
war ein abgelegenes Jagdſchloß des Prinzen. Nur
wenige verſchwiegene Diener hatten dort alles zu
ihrem Empfange bereitet.
Friedrich ritt indeß zwiſchen den Bergen fort.
Sein Jäger, der gegen Abend weit von der Jagd
abgekommen war, hatte zufällig Roſa mit dem
Prinzen auf ihrer Flucht durch den Wald fortjagen
geſehen, und war ſogleich zu ſeinem Herrn zurück¬
geeilt, um ihm dieſe Entdeckung mitzutheilen.
Dieß war es, was Friedrich'n ſo ſchnell auf ſein
Pferd getrieben hatte.
Als er eben nach manchem Umwege an die
letzten Felſen kam, welche die Wieſe umſchloſſen,
erblickte er plötzlich ſeitwärts im Walde eine weiße
Figur, die, eine Flinte im Arm, grade auf ſeine
Bruſt zielte. Ein flüchtiger Mondesblick beleuchtete
die unbewegliche Geſtalt und Friedrich glaubte mit
Entſetzen Romana zu erkennen. Sie ließ erſchro¬
cken die Flinte ſinken, als er ſich nach ihr umwand¬
te, und war im Augenblicke im Walde verſchwun¬
den. Ein ſeltſames Grau'n befiel dabey den Gra¬
fen. Er ſetzte die Sporen ein, bis er das ganze
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/329>, abgerufen am 23.11.2024.
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