einmal Friedrich'n vor sich sah. Der Ort lag sehr hoch und wie von aller Welt geschieden, sie dachte an ihren neulichen Traum und eine unbeschreibliche Furcht befiel sie vor dem Grafen, die sie schnell von dem Berge herabtrieb.
Unten, fern von der Jagd, saß der Prinz auf einem ungeheueren Baume. Da hörte er das Ge¬ räusch hinter sich durch das Dickicht brechen. Er sprang auf und Rosa fiel athemlos in seine ausge¬ spreiteten Arme. Ihr gestörtes Verhältniß zu Frie¬ drich, das Lied oben und tausend alte Erinnerun¬ gen, die in der grünen Einsamkeit wieder wach ge¬ worden, hatten das reizende Mädchen heftig be¬ wegt. Ihr Schmerz machte sich hier endlich in ei¬ nem Strom von Thränen Luft. Ich Herz war zu voll, sie konnte nicht schweigen. Sie erzählte dem Prinzen alles aus tiefster, gerührter Seele.
Es ist gefährlich für ein junges Mädchen, ei¬ nen schönen Vertrauten zu haben. Der Prinz setz¬ te sich neben ihr auf den Rasen hin. Sie ließ sich willig von ihm in den Arm nehmen und lehnte ihr Gesicht müde an seine Brust. Die Abendscheine spielten schon zuckend durch die Wipfel, unzählige Vögel sangen von allen Seiten, die Waldhörner klangen wollüstig durch den warmen Abend aus der Ferne herüber. Der Prinz hatte ihre langen Haa¬ re, die aufgegangen waren, um seinen Arm ge¬ wickelt und sprach in einemfort so wunderliebliche, zauberische Worte, gleich sanfter Quellen Rauschen
21
einmal Friedrich'n vor ſich ſah. Der Ort lag ſehr hoch und wie von aller Welt geſchieden, ſie dachte an ihren neulichen Traum und eine unbeſchreibliche Furcht befiel ſie vor dem Grafen, die ſie ſchnell von dem Berge herabtrieb.
Unten, fern von der Jagd, ſaß der Prinz auf einem ungeheueren Baume. Da hörte er das Ge¬ räuſch hinter ſich durch das Dickicht brechen. Er ſprang auf und Roſa fiel athemlos in ſeine ausge¬ ſpreiteten Arme. Ihr geſtörtes Verhältniß zu Frie¬ drich, das Lied oben und tauſend alte Erinnerun¬ gen, die in der grünen Einſamkeit wieder wach ge¬ worden, hatten das reizende Mädchen heftig be¬ wegt. Ihr Schmerz machte ſich hier endlich in ei¬ nem Strom von Thränen Luft. Ich Herz war zu voll, ſie konnte nicht ſchweigen. Sie erzählte dem Prinzen alles aus tiefſter, gerührter Seele.
Es iſt gefährlich für ein junges Mädchen, ei¬ nen ſchönen Vertrauten zu haben. Der Prinz ſetz¬ te ſich neben ihr auf den Raſen hin. Sie ließ ſich willig von ihm in den Arm nehmen und lehnte ihr Geſicht müde an ſeine Bruſt. Die Abendſcheine ſpielten ſchon zuckend durch die Wipfel, unzählige Vögel ſangen von allen Seiten, die Waldhörner klangen wollüſtig durch den warmen Abend aus der Ferne herüber. Der Prinz hatte ihre langen Haa¬ re, die aufgegangen waren, um ſeinen Arm ge¬ wickelt und ſprach in einemfort ſo wunderliebliche, zauberiſche Worte, gleich ſanfter Quellen Rauſchen
21
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0327"n="321"/>
einmal Friedrich'n vor ſich ſah. Der Ort lag ſehr<lb/>
hoch und wie von aller Welt geſchieden, ſie dachte<lb/>
an ihren neulichen Traum und eine unbeſchreibliche<lb/>
Furcht befiel ſie vor dem Grafen, die ſie ſchnell<lb/>
von dem Berge herabtrieb.</p><lb/><p>Unten, fern von der Jagd, ſaß der Prinz auf<lb/>
einem ungeheueren Baume. Da hörte er das Ge¬<lb/>
räuſch hinter ſich durch das Dickicht brechen. Er<lb/>ſprang auf und Roſa fiel athemlos in ſeine ausge¬<lb/>ſpreiteten Arme. Ihr geſtörtes Verhältniß zu Frie¬<lb/>
drich, das Lied oben und tauſend alte Erinnerun¬<lb/>
gen, die in der grünen Einſamkeit wieder wach ge¬<lb/>
worden, hatten das reizende Mädchen heftig be¬<lb/>
wegt. Ihr Schmerz machte ſich hier endlich in ei¬<lb/>
nem Strom von Thränen Luft. Ich Herz war zu<lb/>
voll, ſie konnte nicht ſchweigen. Sie erzählte dem<lb/>
Prinzen alles aus tiefſter, gerührter Seele.</p><lb/><p>Es iſt gefährlich für ein junges Mädchen, ei¬<lb/>
nen ſchönen Vertrauten zu haben. Der Prinz ſetz¬<lb/>
te ſich neben ihr auf den Raſen hin. Sie ließ ſich<lb/>
willig von ihm in den Arm nehmen und lehnte ihr<lb/>
Geſicht müde an ſeine Bruſt. Die Abendſcheine<lb/>ſpielten ſchon zuckend durch die Wipfel, unzählige<lb/>
Vögel ſangen von allen Seiten, die Waldhörner<lb/>
klangen wollüſtig durch den warmen Abend aus der<lb/>
Ferne herüber. Der Prinz hatte ihre langen Haa¬<lb/>
re, die aufgegangen waren, um ſeinen Arm ge¬<lb/>
wickelt und ſprach in einemfort ſo wunderliebliche,<lb/>
zauberiſche Worte, gleich ſanfter Quellen Rauſchen<lb/><fwplace="bottom"type="sig">21<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[321/0327]
einmal Friedrich'n vor ſich ſah. Der Ort lag ſehr
hoch und wie von aller Welt geſchieden, ſie dachte
an ihren neulichen Traum und eine unbeſchreibliche
Furcht befiel ſie vor dem Grafen, die ſie ſchnell
von dem Berge herabtrieb.
Unten, fern von der Jagd, ſaß der Prinz auf
einem ungeheueren Baume. Da hörte er das Ge¬
räuſch hinter ſich durch das Dickicht brechen. Er
ſprang auf und Roſa fiel athemlos in ſeine ausge¬
ſpreiteten Arme. Ihr geſtörtes Verhältniß zu Frie¬
drich, das Lied oben und tauſend alte Erinnerun¬
gen, die in der grünen Einſamkeit wieder wach ge¬
worden, hatten das reizende Mädchen heftig be¬
wegt. Ihr Schmerz machte ſich hier endlich in ei¬
nem Strom von Thränen Luft. Ich Herz war zu
voll, ſie konnte nicht ſchweigen. Sie erzählte dem
Prinzen alles aus tiefſter, gerührter Seele.
Es iſt gefährlich für ein junges Mädchen, ei¬
nen ſchönen Vertrauten zu haben. Der Prinz ſetz¬
te ſich neben ihr auf den Raſen hin. Sie ließ ſich
willig von ihm in den Arm nehmen und lehnte ihr
Geſicht müde an ſeine Bruſt. Die Abendſcheine
ſpielten ſchon zuckend durch die Wipfel, unzählige
Vögel ſangen von allen Seiten, die Waldhörner
klangen wollüſtig durch den warmen Abend aus der
Ferne herüber. Der Prinz hatte ihre langen Haa¬
re, die aufgegangen waren, um ſeinen Arm ge¬
wickelt und ſprach in einemfort ſo wunderliebliche,
zauberiſche Worte, gleich ſanfter Quellen Rauſchen
21
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/327>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.