Ward ein krystallnes Schloß, Der Bach: ein Strom gewunden Ringsum gewaltig floß.
Auf diesem Strome giengen
Viel' Schiffe wohl vorbey, Es konnt' ihn keines bringen Aus böser Zauberey.
Sie hatte kaum noch die letzten Worte ausge¬ sungen, als Friedrich plötzlich auf sie zukam, daß sie innerlichst zusammenfuhr. Wo ist Rosa? fragte er rasch und streng. Ich weiß es nicht, antwortete Romana schnell wieder gefaßt, und suchte mit er¬ zwungener Gleichgültigkeit auf ihrer Guitarre die alte Melodie wiederzufinden. Friedrich wiederholte die Frage noch einmal dringender. Da hielt sie sich nicht länger. Als wäre ihr innerstes Wesen auf einmal losgebunden, brach sie schnell und mit fast schreckhaften Mienen aus: Du kennst mich noch nicht und jene unbezwingliche Gewalt der Liebe, die wie ein Feuer alles verzehrt, um sich an dem freyen Spiel der eigenen Flammen zu weiden und selber zu verzehren, wo Lust und Entsetzen in wildem Wahnsinn einander berühren. Auch die grünblitzen¬ den Augen des buntschillernden, blutleckenden Dra¬ chen im Liebeszauber sind keine Fabel, ich kenne sie wohl und sie machen mich noch rasend. O, hät¬ te ich Helm und Schwert wie Armida! -- Rosa kann mich nicht hindern, denn ihre Schönheit ist
Und dieſe Au' zur Stunde
Ward ein kryſtallnes Schloß, Der Bach: ein Strom gewunden Ringsum gewaltig floß.
Auf dieſem Strome giengen
Viel' Schiffe wohl vorbey, Es konnt' ihn keines bringen Aus böſer Zauberey.
Sie hatte kaum noch die letzten Worte ausge¬ ſungen, als Friedrich plötzlich auf ſie zukam, daß ſie innerlichſt zuſammenfuhr. Wo iſt Roſa? fragte er raſch und ſtreng. Ich weiß es nicht, antwortete Romana ſchnell wieder gefaßt, und ſuchte mit er¬ zwungener Gleichgültigkeit auf ihrer Guitarre die alte Melodie wiederzufinden. Friedrich wiederholte die Frage noch einmal dringender. Da hielt ſie ſich nicht länger. Als wäre ihr innerſtes Weſen auf einmal losgebunden, brach ſie ſchnell und mit faſt ſchreckhaften Mienen aus: Du kennſt mich noch nicht und jene unbezwingliche Gewalt der Liebe, die wie ein Feuer alles verzehrt, um ſich an dem freyen Spiel der eigenen Flammen zu weiden und ſelber zu verzehren, wo Luſt und Entſetzen in wildem Wahnſinn einander berühren. Auch die grünblitzen¬ den Augen des buntſchillernden, blutleckenden Dra¬ chen im Liebeszauber ſind keine Fabel, ich kenne ſie wohl und ſie machen mich noch raſend. O, hät¬ te ich Helm und Schwert wie Armida! — Roſa kann mich nicht hindern, denn ihre Schönheit iſt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0325"n="319"/><lgn="2"><lrendition="#et">Und dieſe Au' zur Stunde</l><lb/><l>Ward ein kryſtallnes Schloß,</l><lb/><l>Der Bach: ein Strom gewunden</l><lb/><l>Ringsum gewaltig floß.</l><lb/></lg><lgn="3"><lrendition="#et">Auf dieſem Strome giengen</l><lb/><l>Viel' Schiffe wohl vorbey,</l><lb/><l>Es konnt' ihn keines bringen</l><lb/><l>Aus böſer Zauberey.</l><lb/></lg></lg><p>Sie hatte kaum noch die letzten Worte ausge¬<lb/>ſungen, als Friedrich plötzlich auf ſie zukam, daß<lb/>ſie innerlichſt zuſammenfuhr. Wo iſt Roſa? fragte<lb/>
er raſch und ſtreng. Ich weiß es nicht, antwortete<lb/>
Romana ſchnell wieder gefaßt, und ſuchte mit er¬<lb/>
zwungener Gleichgültigkeit auf ihrer Guitarre die<lb/>
alte Melodie wiederzufinden. Friedrich wiederholte<lb/>
die Frage noch einmal dringender. Da hielt ſie ſich<lb/>
nicht länger. Als wäre ihr innerſtes Weſen auf<lb/>
einmal losgebunden, brach ſie ſchnell und mit faſt<lb/>ſchreckhaften Mienen aus: Du kennſt mich noch nicht<lb/>
und jene unbezwingliche Gewalt der Liebe, die wie<lb/>
ein Feuer alles verzehrt, um ſich an dem freyen<lb/>
Spiel der eigenen Flammen zu weiden und ſelber<lb/>
zu verzehren, wo Luſt und Entſetzen in wildem<lb/>
Wahnſinn einander berühren. Auch die grünblitzen¬<lb/>
den Augen des buntſchillernden, blutleckenden Dra¬<lb/>
chen im Liebeszauber ſind keine Fabel, ich kenne<lb/>ſie wohl und ſie machen mich noch raſend. O, hät¬<lb/>
te ich Helm und Schwert wie Armida! — Roſa<lb/>
kann mich nicht hindern, denn ihre Schönheit iſt<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[319/0325]
Und dieſe Au' zur Stunde
Ward ein kryſtallnes Schloß,
Der Bach: ein Strom gewunden
Ringsum gewaltig floß.
Auf dieſem Strome giengen
Viel' Schiffe wohl vorbey,
Es konnt' ihn keines bringen
Aus böſer Zauberey.
Sie hatte kaum noch die letzten Worte ausge¬
ſungen, als Friedrich plötzlich auf ſie zukam, daß
ſie innerlichſt zuſammenfuhr. Wo iſt Roſa? fragte
er raſch und ſtreng. Ich weiß es nicht, antwortete
Romana ſchnell wieder gefaßt, und ſuchte mit er¬
zwungener Gleichgültigkeit auf ihrer Guitarre die
alte Melodie wiederzufinden. Friedrich wiederholte
die Frage noch einmal dringender. Da hielt ſie ſich
nicht länger. Als wäre ihr innerſtes Weſen auf
einmal losgebunden, brach ſie ſchnell und mit faſt
ſchreckhaften Mienen aus: Du kennſt mich noch nicht
und jene unbezwingliche Gewalt der Liebe, die wie
ein Feuer alles verzehrt, um ſich an dem freyen
Spiel der eigenen Flammen zu weiden und ſelber
zu verzehren, wo Luſt und Entſetzen in wildem
Wahnſinn einander berühren. Auch die grünblitzen¬
den Augen des buntſchillernden, blutleckenden Dra¬
chen im Liebeszauber ſind keine Fabel, ich kenne
ſie wohl und ſie machen mich noch raſend. O, hät¬
te ich Helm und Schwert wie Armida! — Roſa
kann mich nicht hindern, denn ihre Schönheit iſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/325>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.