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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Es wurde wieder still. Friedrich erschrack, denn
es kam ihm nicht anders vor, als sey er selber mit
dem Liede gemeynt. Die Stimme war ihm durch¬
aus unbekannt. Er eilte auf den Ort zu, woher der
Gesang gekommen war, aber kein Laut ließ sich
weiter vernehmen.

Als er eben so um eine Felsenecke bog, stand
plötzlich Rosa in ihrer Jägertracht vor ihm. Sie
konnte der Sänger nicht gewesen seyn, denn der
Gesang hatte sich nach einer ganz anderen Richtung
hin verlohren. Sie schien heftig erschrocken über
den unerwarteten Anblick Friedrichs. Hochroth im
Gesicht, ängstlich und verwirrt, wandte sie sich
schnell und sprang wie ein aufgescheuchtes Reh,
ohne der Gefahr zu achten, von Klippe zu Klippe
die Höhe hinab, bis sie sich unten im Walde ver¬
lohr. Friedrich sah ihr lange verwundert nach.
Später stieg auch er in's Thal hinab.

Dort fand er die Gesellschaft auf der schönen
Wiese schon größtentheils versammelt. Das Zelt in
der Mitte derselben schien von den vielen Lichtern
wie in farbigen Flammen zu steh'n, eine Tafel mit
Wein und allerhand Erfrischungen schimmerte lü¬
sternlockend zwischen den buntgewirkten Teppichen
hervor, Männer und Frauen waren in freyen
Scherzen ringsumher gelagert. Die vielen wan¬
delnden Windlichter der Jäger, deren Scheine an
den Felsenwänden und dem Walde auf und nieder
schweiften, gewährten einen zauberischen Anblick.
Mitten unter den Fröhlichgelagerten und den magi¬

Es wurde wieder ſtill. Friedrich erſchrack, denn
es kam ihm nicht anders vor, als ſey er ſelber mit
dem Liede gemeynt. Die Stimme war ihm durch¬
aus unbekannt. Er eilte auf den Ort zu, woher der
Geſang gekommen war, aber kein Laut ließ ſich
weiter vernehmen.

Als er eben ſo um eine Felſenecke bog, ſtand
plötzlich Roſa in ihrer Jägertracht vor ihm. Sie
konnte der Sänger nicht geweſen ſeyn, denn der
Geſang hatte ſich nach einer ganz anderen Richtung
hin verlohren. Sie ſchien heftig erſchrocken über
den unerwarteten Anblick Friedrichs. Hochroth im
Geſicht, ängſtlich und verwirrt, wandte ſie ſich
ſchnell und ſprang wie ein aufgeſcheuchtes Reh,
ohne der Gefahr zu achten, von Klippe zu Klippe
die Höhe hinab, bis ſie ſich unten im Walde ver¬
lohr. Friedrich ſah ihr lange verwundert nach.
Später ſtieg auch er in's Thal hinab.

Dort fand er die Geſellſchaft auf der ſchönen
Wieſe ſchon größtentheils verſammelt. Das Zelt in
der Mitte derſelben ſchien von den vielen Lichtern
wie in farbigen Flammen zu ſteh'n, eine Tafel mit
Wein und allerhand Erfriſchungen ſchimmerte lü¬
ſternlockend zwiſchen den buntgewirkten Teppichen
hervor, Männer und Frauen waren in freyen
Scherzen ringsumher gelagert. Die vielen wan¬
delnden Windlichter der Jäger, deren Scheine an
den Felſenwänden und dem Walde auf und nieder
ſchweiften, gewährten einen zauberiſchen Anblick.
Mitten unter den Fröhlichgelagerten und den magi¬

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[315/0321] Es wurde wieder ſtill. Friedrich erſchrack, denn es kam ihm nicht anders vor, als ſey er ſelber mit dem Liede gemeynt. Die Stimme war ihm durch¬ aus unbekannt. Er eilte auf den Ort zu, woher der Geſang gekommen war, aber kein Laut ließ ſich weiter vernehmen. Als er eben ſo um eine Felſenecke bog, ſtand plötzlich Roſa in ihrer Jägertracht vor ihm. Sie konnte der Sänger nicht geweſen ſeyn, denn der Geſang hatte ſich nach einer ganz anderen Richtung hin verlohren. Sie ſchien heftig erſchrocken über den unerwarteten Anblick Friedrichs. Hochroth im Geſicht, ängſtlich und verwirrt, wandte ſie ſich ſchnell und ſprang wie ein aufgeſcheuchtes Reh, ohne der Gefahr zu achten, von Klippe zu Klippe die Höhe hinab, bis ſie ſich unten im Walde ver¬ lohr. Friedrich ſah ihr lange verwundert nach. Später ſtieg auch er in's Thal hinab. Dort fand er die Geſellſchaft auf der ſchönen Wieſe ſchon größtentheils verſammelt. Das Zelt in der Mitte derſelben ſchien von den vielen Lichtern wie in farbigen Flammen zu ſteh'n, eine Tafel mit Wein und allerhand Erfriſchungen ſchimmerte lü¬ ſternlockend zwiſchen den buntgewirkten Teppichen hervor, Männer und Frauen waren in freyen Scherzen ringsumher gelagert. Die vielen wan¬ delnden Windlichter der Jäger, deren Scheine an den Felſenwänden und dem Walde auf und nieder ſchweiften, gewährten einen zauberiſchen Anblick. Mitten unter den Fröhlichgelagerten und den magi¬

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/321>, abgerufen am 23.11.2024.