unbekannten Gast. Die wildesten Gedanken, wie er sie sein Lebelang nicht gehabt, durchkreuzten sei¬ ne Seele. Aber der Prinz kam nicht wieder her¬ aus. -- Rosa hatte von der ganzen letzten Bege¬ benheit nichts mehr gesehen. -- Der Prinz hatte sie überrascht. Noch niemals war er ihr so bescheiden, so gut, so schön und liebenswürdig vorgekommen, und sein Kuß brannte die ganze Nacht verführerisch auf ihren schönen Lippen fort.
Es war ein herrlicher Morgen, als Friedrich und Leontin in den ewigen Zwinger der Alpen ein¬ ritten, wohin auch sie von der Gräfin Romana zur Jagd geladen waren. Als sie um die letzte Ber¬ gesecke herumkamen, fanden sie schon die Gesellschaft auf einer schönen Wiese zwischen grünen Bergen bunt und schallend zerstreut. Einzelne Gruppen von Pferden und gekoppelten Hunden standen rings in der schönen Wildniß umher, im Hintergrunde erhob sich lustig ein farbiges Zelt. Mitten auf der glän¬ zenden Wiese stand die zauberische Romana in einer grünen Jagdkleidung, sehr geschmückt, fast phanta¬ stisch, wie eine Waldfee anzuseh'n. Neben ihr auf ihre Achsel gelehnt stand Rosa in männlichen Jä¬ gerkleidern und versteckte ihr Gesicht an der Gräfin, da der Prinz eben zu ihr sprach, als sie Friedrich'n mit ihrem Bruder von der anderen Seite ankommen sah. Von allen Seiten vom Gebirge herab bliesen die Jäger auf ihren Hörnern, als bewillkommten sie die beyden neuangekommenen Gäste. Friedrich hatte Rosa'n noch nie in dieser Verkleidung gesehen
unbekannten Gaſt. Die wildeſten Gedanken, wie er ſie ſein Lebelang nicht gehabt, durchkreuzten ſei¬ ne Seele. Aber der Prinz kam nicht wieder her¬ aus. — Roſa hatte von der ganzen letzten Bege¬ benheit nichts mehr geſehen. — Der Prinz hatte ſie überraſcht. Noch niemals war er ihr ſo beſcheiden, ſo gut, ſo ſchön und liebenswürdig vorgekommen, und ſein Kuß brannte die ganze Nacht verführeriſch auf ihren ſchönen Lippen fort.
Es war ein herrlicher Morgen, als Friedrich und Leontin in den ewigen Zwinger der Alpen ein¬ ritten, wohin auch ſie von der Gräfin Romana zur Jagd geladen waren. Als ſie um die letzte Ber¬ gesecke herumkamen, fanden ſie ſchon die Geſellſchaft auf einer ſchönen Wieſe zwiſchen grünen Bergen bunt und ſchallend zerſtreut. Einzelne Gruppen von Pferden und gekoppelten Hunden ſtanden rings in der ſchönen Wildniß umher, im Hintergrunde erhob ſich luſtig ein farbiges Zelt. Mitten auf der glän¬ zenden Wieſe ſtand die zauberiſche Romana in einer grünen Jagdkleidung, ſehr geſchmückt, faſt phanta¬ ſtiſch, wie eine Waldfee anzuſeh'n. Neben ihr auf ihre Achſel gelehnt ſtand Roſa in männlichen Jä¬ gerkleidern und verſteckte ihr Geſicht an der Gräfin, da der Prinz eben zu ihr ſprach, als ſie Friedrich'n mit ihrem Bruder von der anderen Seite ankommen ſah. Von allen Seiten vom Gebirge herab blieſen die Jäger auf ihren Hörnern, als bewillkommten ſie die beyden neuangekommenen Gäſte. Friedrich hatte Roſa'n noch nie in dieſer Verkleidung geſehen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0317"n="311"/>
unbekannten Gaſt. Die wildeſten Gedanken, wie<lb/>
er ſie ſein Lebelang nicht gehabt, durchkreuzten ſei¬<lb/>
ne Seele. Aber der Prinz kam nicht wieder her¬<lb/>
aus. — Roſa hatte von der ganzen letzten Bege¬<lb/>
benheit nichts mehr geſehen. — Der Prinz hatte ſie<lb/>
überraſcht. Noch niemals war er ihr ſo beſcheiden,<lb/>ſo gut, ſo ſchön und liebenswürdig vorgekommen,<lb/>
und ſein Kuß brannte die ganze Nacht verführeriſch<lb/>
auf ihren ſchönen Lippen fort.</p><lb/><p>Es war ein herrlicher Morgen, als Friedrich<lb/>
und Leontin in den ewigen Zwinger der Alpen ein¬<lb/>
ritten, wohin auch ſie von der Gräfin Romana zur<lb/>
Jagd geladen waren. Als ſie um die letzte Ber¬<lb/>
gesecke herumkamen, fanden ſie ſchon die Geſellſchaft<lb/>
auf einer ſchönen Wieſe zwiſchen grünen Bergen<lb/>
bunt und ſchallend zerſtreut. Einzelne Gruppen von<lb/>
Pferden und gekoppelten Hunden ſtanden rings in<lb/>
der ſchönen Wildniß umher, im Hintergrunde erhob<lb/>ſich luſtig ein farbiges Zelt. Mitten auf der glän¬<lb/>
zenden Wieſe ſtand die zauberiſche Romana in einer<lb/>
grünen Jagdkleidung, ſehr geſchmückt, faſt phanta¬<lb/>ſtiſch, wie eine Waldfee anzuſeh'n. Neben ihr auf<lb/>
ihre Achſel gelehnt ſtand Roſa in männlichen Jä¬<lb/>
gerkleidern und verſteckte ihr Geſicht an der Gräfin,<lb/>
da der Prinz eben zu ihr ſprach, als ſie Friedrich'n<lb/>
mit ihrem Bruder von der anderen Seite ankommen<lb/>ſah. Von allen Seiten vom Gebirge herab blieſen<lb/>
die Jäger auf ihren Hörnern, als bewillkommten<lb/>ſie die beyden neuangekommenen Gäſte. Friedrich<lb/>
hatte Roſa'n noch nie in dieſer Verkleidung geſehen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[311/0317]
unbekannten Gaſt. Die wildeſten Gedanken, wie
er ſie ſein Lebelang nicht gehabt, durchkreuzten ſei¬
ne Seele. Aber der Prinz kam nicht wieder her¬
aus. — Roſa hatte von der ganzen letzten Bege¬
benheit nichts mehr geſehen. — Der Prinz hatte ſie
überraſcht. Noch niemals war er ihr ſo beſcheiden,
ſo gut, ſo ſchön und liebenswürdig vorgekommen,
und ſein Kuß brannte die ganze Nacht verführeriſch
auf ihren ſchönen Lippen fort.
Es war ein herrlicher Morgen, als Friedrich
und Leontin in den ewigen Zwinger der Alpen ein¬
ritten, wohin auch ſie von der Gräfin Romana zur
Jagd geladen waren. Als ſie um die letzte Ber¬
gesecke herumkamen, fanden ſie ſchon die Geſellſchaft
auf einer ſchönen Wieſe zwiſchen grünen Bergen
bunt und ſchallend zerſtreut. Einzelne Gruppen von
Pferden und gekoppelten Hunden ſtanden rings in
der ſchönen Wildniß umher, im Hintergrunde erhob
ſich luſtig ein farbiges Zelt. Mitten auf der glän¬
zenden Wieſe ſtand die zauberiſche Romana in einer
grünen Jagdkleidung, ſehr geſchmückt, faſt phanta¬
ſtiſch, wie eine Waldfee anzuſeh'n. Neben ihr auf
ihre Achſel gelehnt ſtand Roſa in männlichen Jä¬
gerkleidern und verſteckte ihr Geſicht an der Gräfin,
da der Prinz eben zu ihr ſprach, als ſie Friedrich'n
mit ihrem Bruder von der anderen Seite ankommen
ſah. Von allen Seiten vom Gebirge herab blieſen
die Jäger auf ihren Hörnern, als bewillkommten
ſie die beyden neuangekommenen Gäſte. Friedrich
hatte Roſa'n noch nie in dieſer Verkleidung geſehen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/317>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.