Wie gefällt Ihnen das Gedicht? -- Geh'n Sie in jene Kirche, die dort so dunkel hersieht, sagte Friedrich erschüttert, und wenn der Teufel mit meinen gesunden Augen nicht sein Spiel treibt, so werden Sie Sie dort wiedersehen. -- Dort ist sie begraben, antwortete der Prinz und wurde blaß und immer blässer, als ihm Friedrich erzählte, was ihm begegnet. Warum fürchten Sie sich? sagte Friedrich hastig, denn ihm war, als sähe ihn das stille weiße Bild wie in der Kirche wieder an, wenn Sie den Muth hatten, das hinzuschreiben, warum erschrecken Sie, wenn es auf einmal Ernst wird und die Wor¬ te sich rühren und lebendig werden? Ich möchte nicht dichten, wenn es nur Spaß wäre, denn wo dürfen wir jetzt noch redlich und wahrhaft seyn, wenn es nicht im Gedichte ist? Haben Sie den rechten Muth, besser zu werden, so geh'n Sie in die Kirche und bitten Sie Gott inbrünstig um seine Kraft und Gnade. Ist aber das Beten und alle unsere schönen Gedanken um des Reimes Willen auf dem Papiere, so hol' der Teufel auf ewig den Reim sammt den Gedanken! --
Hier fiel der Prinz Friedrich'n ungestümm um den Hals. Ich bin durch und durch schlecht, rief er, Sie wissen gar nicht und niemand weiß es, wie schlecht ich bin! Die Gräfin Romana hat mich zu¬ erst verdorben vor langer Zeit, das verstorbene Mädchen habe ich sehr künstlich verführt, der da¬ mals in der Nacht zu Marien bey Ihnen vorbey¬
schlich,
Wie gefällt Ihnen das Gedicht? — Geh'n Sie in jene Kirche, die dort ſo dunkel herſieht, ſagte Friedrich erſchüttert, und wenn der Teufel mit meinen geſunden Augen nicht ſein Spiel treibt, ſo werden Sie Sie dort wiederſehen. — Dort iſt ſie begraben, antwortete der Prinz und wurde blaß und immer bläſſer, als ihm Friedrich erzählte, was ihm begegnet. Warum fürchten Sie ſich? ſagte Friedrich haſtig, denn ihm war, als ſähe ihn das ſtille weiße Bild wie in der Kirche wieder an, wenn Sie den Muth hatten, das hinzuſchreiben, warum erſchrecken Sie, wenn es auf einmal Ernſt wird und die Wor¬ te ſich rühren und lebendig werden? Ich möchte nicht dichten, wenn es nur Spaß wäre, denn wo dürfen wir jetzt noch redlich und wahrhaft ſeyn, wenn es nicht im Gedichte iſt? Haben Sie den rechten Muth, beſſer zu werden, ſo geh'n Sie in die Kirche und bitten Sie Gott inbrünſtig um ſeine Kraft und Gnade. Iſt aber das Beten und alle unſere ſchönen Gedanken um des Reimes Willen auf dem Papiere, ſo hol' der Teufel auf ewig den Reim ſammt den Gedanken! —
Hier fiel der Prinz Friedrich'n ungeſtümm um den Hals. Ich bin durch und durch ſchlecht, rief er, Sie wiſſen gar nicht und niemand weiß es, wie ſchlecht ich bin! Die Gräfin Romana hat mich zu¬ erſt verdorben vor langer Zeit, das verſtorbene Mädchen habe ich ſehr künſtlich verführt, der da¬ mals in der Nacht zu Marien bey Ihnen vorbey¬
ſchlich,
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Wie gefällt Ihnen das Gedicht? — Geh'n Sie
in jene Kirche, die dort ſo dunkel herſieht, ſagte
Friedrich erſchüttert, und wenn der Teufel mit
meinen geſunden Augen nicht ſein Spiel treibt, ſo
werden Sie Sie dort wiederſehen. — Dort iſt ſie
begraben, antwortete der Prinz und wurde blaß und
immer bläſſer, als ihm Friedrich erzählte, was ihm
begegnet. Warum fürchten Sie ſich? ſagte Friedrich
haſtig, denn ihm war, als ſähe ihn das ſtille weiße
Bild wie in der Kirche wieder an, wenn Sie den
Muth hatten, das hinzuſchreiben, warum erſchrecken
Sie, wenn es auf einmal Ernſt wird und die Wor¬
te ſich rühren und lebendig werden? Ich möchte
nicht dichten, wenn es nur Spaß wäre, denn wo
dürfen wir jetzt noch redlich und wahrhaft ſeyn,
wenn es nicht im Gedichte iſt? Haben Sie den
rechten Muth, beſſer zu werden, ſo geh'n Sie in die
Kirche und bitten Sie Gott inbrünſtig um ſeine
Kraft und Gnade. Iſt aber das Beten und alle
unſere ſchönen Gedanken um des Reimes Willen
auf dem Papiere, ſo hol' der Teufel auf ewig den
Reim ſammt den Gedanken! —
Hier fiel der Prinz Friedrich'n ungeſtümm um
den Hals. Ich bin durch und durch ſchlecht, rief
er, Sie wiſſen gar nicht und niemand weiß es, wie
ſchlecht ich bin! Die Gräfin Romana hat mich zu¬
erſt verdorben vor langer Zeit, das verſtorbene
Mädchen habe ich ſehr künſtlich verführt, der da¬
mals in der Nacht zu Marien bey Ihnen vorbey¬
ſchlich,
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/310>, abgerufen am 23.11.2024.
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