pfiffiger als Gottes Wort. Nicht wahr, der Teufel stinkt nicht und hat keine Hörner, und Ehebrechen und Ehebrechen ist zweyerley? -- Der Fremde war verlegen wie ein Schulknabe.
Es neigte sich indeß zum Abend, aber die Luft war schwül geworden und man hörte von ferne donnern. Das letztere war dem Fremden eben recht; der Donner, den er nicht anders als rollend nannte, schien ihn mit einem neuen Anfalle von Genialität aufzublähen. Er versicherte, er müsse im Gewitter einsam und im Freyen seyn, das wäre von jeher so seine Art, und nahm Abschied von ihnen. Leontin klopfte ihn beym Weggeh'n tüchtig auf die Achsel: beten und fasten Sie fleissig und dann schauen Sie wieder in Gottes Welt hinaus, wie da der Herr genialisch ist. Es ist doch nichts lächerli¬ cher, sagte er, als jener fort war, als eine aus der Mode gekommene Genialität. Man weiß dann gar nicht, was die Kerls eigentlich haben wollen.
Es gewitterte indeß immer stärker und näher. Leontin bestieg schnell eine hohe Tanne, die am Abhange stand, um das Wetter zu beschauen. Der Wind, der dem Gewitter vorausflog, rauschte durch die dunklen Aeste des Baumes und neigte den Wi¬ pfel über den Abgrund hinaus. Ich sehe das Städtchen in alle Strassen hinab, rief Leontin von oben, wie die Leute eilig hin und her laufen und die Fenster und Thüren schließen und mit den Laden klappern vor dem heranziehenden Wetter, es achtet ihrer doch nicht und zieht über sie weg. Unseren
pfiffiger als Gottes Wort. Nicht wahr, der Teufel ſtinkt nicht und hat keine Hörner, und Ehebrechen und Ehebrechen iſt zweyerley? — Der Fremde war verlegen wie ein Schulknabe.
Es neigte ſich indeß zum Abend, aber die Luft war ſchwül geworden und man hörte von ferne donnern. Das letztere war dem Fremden eben recht; der Donner, den er nicht anders als rollend nannte, ſchien ihn mit einem neuen Anfalle von Genialität aufzublähen. Er verſicherte, er müſſe im Gewitter einſam und im Freyen ſeyn, das wäre von jeher ſo ſeine Art, und nahm Abſchied von ihnen. Leontin klopfte ihn beym Weggeh'n tüchtig auf die Achſel: beten und faſten Sie fleiſſig und dann ſchauen Sie wieder in Gottes Welt hinaus, wie da der Herr genialiſch iſt. Es iſt doch nichts lächerli¬ cher, ſagte er, als jener fort war, als eine aus der Mode gekommene Genialität. Man weiß dann gar nicht, was die Kerls eigentlich haben wollen.
Es gewitterte indeß immer ſtärker und näher. Leontin beſtieg ſchnell eine hohe Tanne, die am Abhange ſtand, um das Wetter zu beſchauen. Der Wind, der dem Gewitter vorausflog, rauſchte durch die dunklen Aeſte des Baumes und neigte den Wi¬ pfel über den Abgrund hinaus. Ich ſehe das Städtchen in alle Straſſen hinab, rief Leontin von oben, wie die Leute eilig hin und her laufen und die Fenſter und Thüren ſchließen und mit den Laden klappern vor dem heranziehenden Wetter, es achtet ihrer doch nicht und zieht über ſie weg. Unſeren
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0288"n="282"/>
pfiffiger als Gottes Wort. Nicht wahr, der Teufel<lb/>ſtinkt nicht und hat keine Hörner, und Ehebrechen<lb/>
und Ehebrechen iſt zweyerley? — Der Fremde war<lb/>
verlegen wie ein Schulknabe.</p><lb/><p>Es neigte ſich indeß zum Abend, aber die Luft<lb/>
war ſchwül geworden und man hörte von ferne<lb/>
donnern. Das letztere war dem Fremden eben<lb/>
recht; der Donner, den er nicht anders als rollend<lb/>
nannte, ſchien ihn mit einem neuen Anfalle von<lb/>
Genialität aufzublähen. Er verſicherte, er müſſe im<lb/>
Gewitter einſam und im Freyen ſeyn, das wäre von<lb/>
jeher ſo ſeine Art, und nahm Abſchied von ihnen.<lb/>
Leontin klopfte ihn beym Weggeh'n tüchtig auf die<lb/>
Achſel: beten und faſten Sie fleiſſig und dann<lb/>ſchauen Sie wieder in Gottes Welt hinaus, wie da<lb/>
der <hirendition="#g">Herr</hi> genialiſch iſt. Es iſt doch nichts lächerli¬<lb/>
cher, ſagte er, als jener fort war, als eine aus der<lb/>
Mode gekommene Genialität. Man weiß dann gar<lb/>
nicht, was die Kerls eigentlich haben wollen.</p><lb/><p>Es gewitterte indeß immer ſtärker und näher.<lb/>
Leontin beſtieg ſchnell eine hohe Tanne, die am<lb/>
Abhange ſtand, um das Wetter zu beſchauen. Der<lb/>
Wind, der dem Gewitter vorausflog, rauſchte durch<lb/>
die dunklen Aeſte des Baumes und neigte den Wi¬<lb/>
pfel über den Abgrund hinaus. Ich ſehe das<lb/>
Städtchen in alle Straſſen hinab, rief Leontin von<lb/>
oben, wie die Leute eilig hin und her laufen und<lb/>
die Fenſter und Thüren ſchließen und mit den Laden<lb/>
klappern vor dem heranziehenden Wetter, es achtet<lb/>
ihrer doch nicht und zieht über ſie weg. Unſeren<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[282/0288]
pfiffiger als Gottes Wort. Nicht wahr, der Teufel
ſtinkt nicht und hat keine Hörner, und Ehebrechen
und Ehebrechen iſt zweyerley? — Der Fremde war
verlegen wie ein Schulknabe.
Es neigte ſich indeß zum Abend, aber die Luft
war ſchwül geworden und man hörte von ferne
donnern. Das letztere war dem Fremden eben
recht; der Donner, den er nicht anders als rollend
nannte, ſchien ihn mit einem neuen Anfalle von
Genialität aufzublähen. Er verſicherte, er müſſe im
Gewitter einſam und im Freyen ſeyn, das wäre von
jeher ſo ſeine Art, und nahm Abſchied von ihnen.
Leontin klopfte ihn beym Weggeh'n tüchtig auf die
Achſel: beten und faſten Sie fleiſſig und dann
ſchauen Sie wieder in Gottes Welt hinaus, wie da
der Herr genialiſch iſt. Es iſt doch nichts lächerli¬
cher, ſagte er, als jener fort war, als eine aus der
Mode gekommene Genialität. Man weiß dann gar
nicht, was die Kerls eigentlich haben wollen.
Es gewitterte indeß immer ſtärker und näher.
Leontin beſtieg ſchnell eine hohe Tanne, die am
Abhange ſtand, um das Wetter zu beſchauen. Der
Wind, der dem Gewitter vorausflog, rauſchte durch
die dunklen Aeſte des Baumes und neigte den Wi¬
pfel über den Abgrund hinaus. Ich ſehe das
Städtchen in alle Straſſen hinab, rief Leontin von
oben, wie die Leute eilig hin und her laufen und
die Fenſter und Thüren ſchließen und mit den Laden
klappern vor dem heranziehenden Wetter, es achtet
ihrer doch nicht und zieht über ſie weg. Unſeren
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/288>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.