Reuterinn schon nicht mehr zu sehen. Er sezte die Sporen tapfer ein und sprengte weiter fort. Ein Weg gieng links von der Straße ab in den Wald hinein. Er erkannte an der frischen Spur der Roßeshufe, daß ihn die Reuter eingeschlagen hat¬ ten. Er folgte ihm daher auch. Als er aber eine große Strecke so fortgeritten war, theilten sich auf einmal wieder drey Wege nach verschiedenen Rich¬ tungen und keine Spur war weiter auf dem härte¬ ren Boden zu bemerken. Fluchend und lachend zu¬ gleich vor Ungeduld, blieb er nun hier eine Weile stillstehen, wählte dann gelassener den Pfad, der ihm der anmuthigste dünkte, und zog langsam weiter.
Der Wald wurde indeß immer dunkler und dichter, der Pfad enger und wilder. Er kam end¬ lich an einen dunkelgrünen, kühlen Platz, der rings von Felsen und hohen Bäumen umgeben war. Der einsame Ort gefiel ihm so wohl, daß er vom Pfer¬ de stieg, um hier etwas auszuruhen. Er streichelte ihm den gebogenen Hals, zäumte es ab und ließ es frey weiden. Er selbst legte sich auf den Rü¬ cken und sah dem Wolkenzuge zu. Die Sonne neig¬ te sich schon und funkelte schräge durch die dunkeln Wipfeln, die sich leiserauschend hin und her beweg¬ ten. Unzählige Waldvögel zwitscherten in lustiger Verwirrung durcheinander. Er war so müde, er konnte sich nicht halten, die Augen sanken ihm zu. Mitten im Schlummer kam es ihm manchmal vor, als höre er Hörner aus der Ferne. Er hörte den Klang oft ganz deutlich und näher, aber er konnte
Reuterinn ſchon nicht mehr zu ſehen. Er ſezte die Sporen tapfer ein und ſprengte weiter fort. Ein Weg gieng links von der Straße ab in den Wald hinein. Er erkannte an der friſchen Spur der Roßeshufe, daß ihn die Reuter eingeſchlagen hat¬ ten. Er folgte ihm daher auch. Als er aber eine große Strecke ſo fortgeritten war, theilten ſich auf einmal wieder drey Wege nach verſchiedenen Rich¬ tungen und keine Spur war weiter auf dem härte¬ ren Boden zu bemerken. Fluchend und lachend zu¬ gleich vor Ungeduld, blieb er nun hier eine Weile ſtillſtehen, wählte dann gelaſſener den Pfad, der ihm der anmuthigſte dünkte, und zog langſam weiter.
Der Wald wurde indeß immer dunkler und dichter, der Pfad enger und wilder. Er kam end¬ lich an einen dunkelgrünen, kühlen Platz, der rings von Felſen und hohen Bäumen umgeben war. Der einſame Ort gefiel ihm ſo wohl, daß er vom Pfer¬ de ſtieg, um hier etwas auszuruhen. Er ſtreichelte ihm den gebogenen Hals, zäumte es ab und ließ es frey weiden. Er ſelbſt legte ſich auf den Rü¬ cken und ſah dem Wolkenzuge zu. Die Sonne neig¬ te ſich ſchon und funkelte ſchräge durch die dunkeln Wipfeln, die ſich leiſerauſchend hin und her beweg¬ ten. Unzählige Waldvögel zwitſcherten in luſtiger Verwirrung durcheinander. Er war ſo müde, er konnte ſich nicht halten, die Augen ſanken ihm zu. Mitten im Schlummer kam es ihm manchmal vor, als höre er Hörner aus der Ferne. Er hörte den Klang oft ganz deutlich und näher, aber er konnte
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Reuterinn ſchon nicht mehr zu ſehen. Er ſezte die
Sporen tapfer ein und ſprengte weiter fort. Ein
Weg gieng links von der Straße ab in den Wald
hinein. Er erkannte an der friſchen Spur der
Roßeshufe, daß ihn die Reuter eingeſchlagen hat¬
ten. Er folgte ihm daher auch. Als er aber eine
große Strecke ſo fortgeritten war, theilten ſich auf
einmal wieder drey Wege nach verſchiedenen Rich¬
tungen und keine Spur war weiter auf dem härte¬
ren Boden zu bemerken. Fluchend und lachend zu¬
gleich vor Ungeduld, blieb er nun hier eine Weile
ſtillſtehen, wählte dann gelaſſener den Pfad, der
ihm der anmuthigſte dünkte, und zog langſam
weiter.
Der Wald wurde indeß immer dunkler und
dichter, der Pfad enger und wilder. Er kam end¬
lich an einen dunkelgrünen, kühlen Platz, der rings
von Felſen und hohen Bäumen umgeben war. Der
einſame Ort gefiel ihm ſo wohl, daß er vom Pfer¬
de ſtieg, um hier etwas auszuruhen. Er ſtreichelte
ihm den gebogenen Hals, zäumte es ab und ließ
es frey weiden. Er ſelbſt legte ſich auf den Rü¬
cken und ſah dem Wolkenzuge zu. Die Sonne neig¬
te ſich ſchon und funkelte ſchräge durch die dunkeln
Wipfeln, die ſich leiſerauſchend hin und her beweg¬
ten. Unzählige Waldvögel zwitſcherten in luſtiger
Verwirrung durcheinander. Er war ſo müde, er
konnte ſich nicht halten, die Augen ſanken ihm zu.
Mitten im Schlummer kam es ihm manchmal vor,
als höre er Hörner aus der Ferne. Er hörte den
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/28>, abgerufen am 23.11.2024.
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