Thränen dir im Auge stehen, Denn so schön klingt, was er spricht, Wann die lauen Winde wehen, Glaub' dem falschen Herzen nicht!
Wann die Lerchen wieder schwirren,
Trittst du draussen vor das Haus, Doch Er mag nicht mit dir irren, Zog weit in das Land hinaus; Die Gedanken sich verwirren, Wie du siehst den Morgen roth, Wann die Lerchen wieder schwirren, Armes Kind, ach, wärst du todt!
Das Lied rührte Friedrich'n selbst mit einer un¬ beschreiblichen Gewalt. Die Glücklichen hatten ihn nicht bemerkt, er hörte das Mädchen noch munter lachen, als sie schon beyde wieder verschwunden wa¬ ren.
Der Winter neckte bald darauf noch einmal durch seine späten Züge. Es war ein unfreundlicher Abend, der Wind jagte den Schnee durch die Gas¬ sen, da gieng Friedrich, in seinem Mantel fest ein¬ gewickelt, zu Rosa. Sie hatte ihm, da sie über¬ haupt jetzt mehr als sonst sich in Gesellschaften ein¬ ließ, feyerlich versprochen, ihn heute zu Hause zu erwarten. Er hatte eine Sammlung alter Bilder unter dem Mantel, die er erst unlängst aufgekauft, und an denen sie sich heute ergötzen wollten. Er freute sich unbeschreiblich darauf, ihr die Bedeutung und die alten Geschichten dazu zu erzählen. Wie groß war aber sein Erstaunen, als er alles im Hause still fand. Er konnte es noch nicht glauben,
Thränen dir im Auge ſtehen, Denn ſo ſchön klingt, was er ſpricht, Wann die lauen Winde wehen, Glaub' dem falſchen Herzen nicht!
Wann die Lerchen wieder ſchwirren,
Trittſt du drauſſen vor das Haus, Doch Er mag nicht mit dir irren, Zog weit in das Land hinaus; Die Gedanken ſich verwirren, Wie du ſiehſt den Morgen roth, Wann die Lerchen wieder ſchwirren, Armes Kind, ach, wärſt du todt!
Das Lied rührte Friedrich'n ſelbſt mit einer un¬ beſchreiblichen Gewalt. Die Glücklichen hatten ihn nicht bemerkt, er hörte das Mädchen noch munter lachen, als ſie ſchon beyde wieder verſchwunden wa¬ ren.
Der Winter neckte bald darauf noch einmal durch ſeine ſpäten Züge. Es war ein unfreundlicher Abend, der Wind jagte den Schnee durch die Gaſ¬ ſen, da gieng Friedrich, in ſeinem Mantel feſt ein¬ gewickelt, zu Roſa. Sie hatte ihm, da ſie über¬ haupt jetzt mehr als ſonſt ſich in Geſellſchaften ein¬ ließ, feyerlich verſprochen, ihn heute zu Hauſe zu erwarten. Er hatte eine Sammlung alter Bilder unter dem Mantel, die er erſt unlängſt aufgekauft, und an denen ſie ſich heute ergötzen wollten. Er freute ſich unbeſchreiblich darauf, ihr die Bedeutung und die alten Geſchichten dazu zu erzählen. Wie groß war aber ſein Erſtaunen, als er alles im Hauſe ſtill fand. Er konnte es noch nicht glauben,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><lgn="2"><pbfacs="#f0271"n="265"/><l>Thränen dir im Auge ſtehen,</l><lb/><l>Denn ſo ſchön klingt, was er ſpricht,</l><lb/><l>Wann die lauen Winde wehen,</l><lb/><l>Glaub' dem falſchen Herzen nicht!</l><lb/></lg><lgn="3"><lrendition="#et">Wann die Lerchen wieder ſchwirren,</l><lb/><l>Trittſt du drauſſen vor das Haus,</l><lb/><l>Doch Er mag nicht mit dir irren,</l><lb/><l>Zog weit in das Land hinaus;</l><lb/><l>Die Gedanken ſich verwirren,</l><lb/><l>Wie du ſiehſt den Morgen roth,</l><lb/><l>Wann die Lerchen wieder ſchwirren,</l><lb/><l>Armes Kind, ach, wärſt du todt!</l><lb/></lg></lg><p>Das Lied rührte Friedrich'n ſelbſt mit einer un¬<lb/>
beſchreiblichen Gewalt. Die Glücklichen hatten ihn<lb/>
nicht bemerkt, er hörte das Mädchen noch munter<lb/>
lachen, als ſie ſchon beyde wieder verſchwunden wa¬<lb/>
ren.</p><lb/><p>Der Winter neckte bald darauf noch einmal<lb/>
durch ſeine ſpäten Züge. Es war ein unfreundlicher<lb/>
Abend, der Wind jagte den Schnee durch die Gaſ¬<lb/>ſen, da gieng Friedrich, in ſeinem Mantel feſt ein¬<lb/>
gewickelt, zu Roſa. Sie hatte ihm, da ſie über¬<lb/>
haupt jetzt mehr als ſonſt ſich in Geſellſchaften ein¬<lb/>
ließ, feyerlich verſprochen, ihn heute zu Hauſe zu<lb/>
erwarten. Er hatte eine Sammlung alter Bilder<lb/>
unter dem Mantel, die er erſt unlängſt aufgekauft,<lb/>
und an denen ſie ſich heute ergötzen wollten. Er<lb/>
freute ſich unbeſchreiblich darauf, ihr die Bedeutung<lb/>
und die alten Geſchichten dazu zu erzählen. Wie<lb/>
groß war aber ſein Erſtaunen, als er alles im<lb/>
Hauſe ſtill fand. Er konnte es noch nicht glauben,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[265/0271]
Thränen dir im Auge ſtehen,
Denn ſo ſchön klingt, was er ſpricht,
Wann die lauen Winde wehen,
Glaub' dem falſchen Herzen nicht!
Wann die Lerchen wieder ſchwirren,
Trittſt du drauſſen vor das Haus,
Doch Er mag nicht mit dir irren,
Zog weit in das Land hinaus;
Die Gedanken ſich verwirren,
Wie du ſiehſt den Morgen roth,
Wann die Lerchen wieder ſchwirren,
Armes Kind, ach, wärſt du todt!
Das Lied rührte Friedrich'n ſelbſt mit einer un¬
beſchreiblichen Gewalt. Die Glücklichen hatten ihn
nicht bemerkt, er hörte das Mädchen noch munter
lachen, als ſie ſchon beyde wieder verſchwunden wa¬
ren.
Der Winter neckte bald darauf noch einmal
durch ſeine ſpäten Züge. Es war ein unfreundlicher
Abend, der Wind jagte den Schnee durch die Gaſ¬
ſen, da gieng Friedrich, in ſeinem Mantel feſt ein¬
gewickelt, zu Roſa. Sie hatte ihm, da ſie über¬
haupt jetzt mehr als ſonſt ſich in Geſellſchaften ein¬
ließ, feyerlich verſprochen, ihn heute zu Hauſe zu
erwarten. Er hatte eine Sammlung alter Bilder
unter dem Mantel, die er erſt unlängſt aufgekauft,
und an denen ſie ſich heute ergötzen wollten. Er
freute ſich unbeſchreiblich darauf, ihr die Bedeutung
und die alten Geſchichten dazu zu erzählen. Wie
groß war aber ſein Erſtaunen, als er alles im
Hauſe ſtill fand. Er konnte es noch nicht glauben,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/271>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.