vom Haus, bey der er die Theegesellschaft verlebt, war auch da und schien wieder an ihren ästhetischen Krämpfen zu leiden. Sie unterhielt sich sehr leben¬ dig mit mehreren hübschen jungen Männern über die Kunst, und Friedrich verstand nur, wie sie zuletzt ausrief: O, ich möchte Millionen glücklich machen! -- Da hörte man plötzlich ein lautes Lachen aus ei¬ nem anderen abgelegenen Winkel des Zimmers er¬ schallen. Friedrich erkannte mit Erstaunen sogleich Leontins Stimme. Die Männer bissen sich heimlich in die Lippen über dieses Lachen zu rechter Zeit, obschon keiner vermuthete, daß es wirklich jenem Ausruf gelten sollte, da der Lacher fern in eine ganz andere Unterhaltung vertieft schien. Friedrich aber wußte gar wohl, wie es Leontin meynte. Er eilte sogleich auf ihn los und fand ihn zwischen zwey alten Herren mit Perücken und altfränkischen Ge¬ sichtern, mit denen sich niemand abgeben mochte, mit denen er sich aber kindlich besprach und gut zu vertragen schien. Er erzählte ihnen von seiner Ge¬ birgsreise die wunderbarsten Geschichten vor, und lachte herzlich mit den beyden guten Alten, wenn sie ihn dabey über offenbaren, gar zu tollen Lügen ertappten. Er freute sich sehr, Friedrich'n noch heut zu seh'n, und sagte, wie es ihm eine gar wunder¬ lichschauerliche Lust sey, so aus der Grabesstille der verschneyten Felder mitten in die glänzendsten Stadt¬ zirkel hineinzureiten und umgekehrt.
Sie sprachen noch manches zusammen, als der Prinz hinzutrat und Friedrich'n in ein Fenster führ¬
vom Haus, bey der er die Theegeſellſchaft verlebt, war auch da und ſchien wieder an ihren äſthetiſchen Krämpfen zu leiden. Sie unterhielt ſich ſehr leben¬ dig mit mehreren hübſchen jungen Männern über die Kunſt, und Friedrich verſtand nur, wie ſie zuletzt ausrief: O, ich möchte Millionen glücklich machen! — Da hörte man plötzlich ein lautes Lachen aus ei¬ nem anderen abgelegenen Winkel des Zimmers er¬ ſchallen. Friedrich erkannte mit Erſtaunen ſogleich Leontins Stimme. Die Männer biſſen ſich heimlich in die Lippen über dieſes Lachen zu rechter Zeit, obſchon keiner vermuthete, daß es wirklich jenem Ausruf gelten ſollte, da der Lacher fern in eine ganz andere Unterhaltung vertieft ſchien. Friedrich aber wußte gar wohl, wie es Leontin meynte. Er eilte ſogleich auf ihn los und fand ihn zwiſchen zwey alten Herren mit Perücken und altfränkiſchen Ge¬ ſichtern, mit denen ſich niemand abgeben mochte, mit denen er ſich aber kindlich beſprach und gut zu vertragen ſchien. Er erzählte ihnen von ſeiner Ge¬ birgsreiſe die wunderbarſten Geſchichten vor, und lachte herzlich mit den beyden guten Alten, wenn ſie ihn dabey über offenbaren, gar zu tollen Lügen ertappten. Er freute ſich ſehr, Friedrich'n noch heut zu ſeh'n, und ſagte, wie es ihm eine gar wunder¬ lichſchauerliche Luſt ſey, ſo aus der Grabesſtille der verſchneyten Felder mitten in die glänzendſten Stadt¬ zirkel hineinzureiten und umgekehrt.
Sie ſprachen noch manches zuſammen, als der Prinz hinzutrat und Friedrich'n in ein Fenſter führ¬
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vom Haus, bey der er die Theegeſellſchaft verlebt,
war auch da und ſchien wieder an ihren äſthetiſchen
Krämpfen zu leiden. Sie unterhielt ſich ſehr leben¬
dig mit mehreren hübſchen jungen Männern über die
Kunſt, und Friedrich verſtand nur, wie ſie zuletzt
ausrief: O, ich möchte Millionen glücklich machen!
— Da hörte man plötzlich ein lautes Lachen aus ei¬
nem anderen abgelegenen Winkel des Zimmers er¬
ſchallen. Friedrich erkannte mit Erſtaunen ſogleich
Leontins Stimme. Die Männer biſſen ſich heimlich
in die Lippen über dieſes Lachen zu rechter Zeit,
obſchon keiner vermuthete, daß es wirklich jenem
Ausruf gelten ſollte, da der Lacher fern in eine
ganz andere Unterhaltung vertieft ſchien. Friedrich
aber wußte gar wohl, wie es Leontin meynte. Er
eilte ſogleich auf ihn los und fand ihn zwiſchen zwey
alten Herren mit Perücken und altfränkiſchen Ge¬
ſichtern, mit denen ſich niemand abgeben mochte,
mit denen er ſich aber kindlich beſprach und gut zu
vertragen ſchien. Er erzählte ihnen von ſeiner Ge¬
birgsreiſe die wunderbarſten Geſchichten vor, und
lachte herzlich mit den beyden guten Alten, wenn
ſie ihn dabey über offenbaren, gar zu tollen Lügen
ertappten. Er freute ſich ſehr, Friedrich'n noch heut
zu ſeh'n, und ſagte, wie es ihm eine gar wunder¬
lichſchauerliche Luſt ſey, ſo aus der Grabesſtille der
verſchneyten Felder mitten in die glänzendſten Stadt¬
zirkel hineinzureiten und umgekehrt.
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/257>, abgerufen am 23.11.2024.
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