Friedrich erkannte die Weise, es war Leontins Stimme. -- Ich komme, herrlicher Gesell! rief er bewegt in sich und raffte sich schnell auf, ohne die Gräfin zu wecken. Nicht ohne Schauer gieng er durch die todtenstillen, weitöden Gemächer, zäum¬ te sich im Hofe selber sein Pferd und sprengte den Schloßberg hinab.
Er athmete tief auf, als er draussen in die herrliche Nacht hineinritt, seine Seele war wie von tausend Ketten frey. Es war ihm, als ob er aus fieberhaften Träumen oder aus einem langen, wü¬ sten, lüderlichen Lustleben zurückkehre. Das hohe Bild der Gräfin, das er mit hergebracht, war in seiner Seele durch diese sonderbare Nacht phanta¬ stisch verzerrt und zerrissen, und er verstand nun Leontins wilde Reden an dem Wirthshause.
Leontins Gesang war indeß verschollen, er hat¬ te nichts mehr gehört und schlug voller Gedanken den Weg nach der Residenz ein. Das Feenschloß hinter ihm war lange versunken, die Bäume an der Strasse fiengen schon an lange Schatten über das glänzende Feld zu werfen, Vögel wirbelten schon hin und her hoch in der Luft, die Residenz lag mit ihren Feuersäulen wie ein brennender Wald im Morgenglanze vor ihm.
Friedrich erkannte die Weiſe, es war Leontins Stimme. — Ich komme, herrlicher Geſell! rief er bewegt in ſich und raffte ſich ſchnell auf, ohne die Gräfin zu wecken. Nicht ohne Schauer gieng er durch die todtenſtillen, weitöden Gemächer, zäum¬ te ſich im Hofe ſelber ſein Pferd und ſprengte den Schloßberg hinab.
Er athmete tief auf, als er drauſſen in die herrliche Nacht hineinritt, ſeine Seele war wie von tauſend Ketten frey. Es war ihm, als ob er aus fieberhaften Träumen oder aus einem langen, wü¬ ſten, lüderlichen Luſtleben zurückkehre. Das hohe Bild der Gräfin, das er mit hergebracht, war in ſeiner Seele durch dieſe ſonderbare Nacht phanta¬ ſtiſch verzerrt und zerriſſen, und er verſtand nun Leontins wilde Reden an dem Wirthshauſe.
Leontins Geſang war indeß verſchollen, er hat¬ te nichts mehr gehört und ſchlug voller Gedanken den Weg nach der Reſidenz ein. Das Feenſchloß hinter ihm war lange verſunken, die Bäume an der Straſſe fiengen ſchon an lange Schatten über das glänzende Feld zu werfen, Vögel wirbelten ſchon hin und her hoch in der Luft, die Reſidenz lag mit ihren Feuerſäulen wie ein brennender Wald im Morgenglanze vor ihm.
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Friedrich erkannte die Weiſe, es war Leontins
Stimme. — Ich komme, herrlicher Geſell! rief er
bewegt in ſich und raffte ſich ſchnell auf, ohne die
Gräfin zu wecken. Nicht ohne Schauer gieng er
durch die todtenſtillen, weitöden Gemächer, zäum¬
te ſich im Hofe ſelber ſein Pferd und ſprengte den
Schloßberg hinab.
Er athmete tief auf, als er drauſſen in die
herrliche Nacht hineinritt, ſeine Seele war wie von
tauſend Ketten frey. Es war ihm, als ob er aus
fieberhaften Träumen oder aus einem langen, wü¬
ſten, lüderlichen Luſtleben zurückkehre. Das hohe
Bild der Gräfin, das er mit hergebracht, war in
ſeiner Seele durch dieſe ſonderbare Nacht phanta¬
ſtiſch verzerrt und zerriſſen, und er verſtand nun
Leontins wilde Reden an dem Wirthshauſe.
Leontins Geſang war indeß verſchollen, er hat¬
te nichts mehr gehört und ſchlug voller Gedanken
den Weg nach der Reſidenz ein. Das Feenſchloß
hinter ihm war lange verſunken, die Bäume an
der Straſſe fiengen ſchon an lange Schatten über das
glänzende Feld zu werfen, Vögel wirbelten ſchon
hin und her hoch in der Luft, die Reſidenz lag mit
ihren Feuerſäulen wie ein brennender Wald im
Morgenglanze vor ihm.
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/254>, abgerufen am 23.11.2024.
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