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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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die Welt, der große Tölpel, der niemals gescheider
wird, wäre freylich der Mühe werth, daß man ihm
höflich und voll Ehrfurcht das Gesicht streichelte,
damit er einen wohlwollend und voll Applaus an¬
lächle. Es ist ja doch nichts, als Magen und
Kopf, und noch dazu ein recht breiter, übermüthi¬
ger, selbstgefälliger, eitler, unerträglicher, den es
eine rechte Götterlust ist aufs Maul zu schlagen. --
Sie brach hierbey schnell ab und lenkte das Ge¬
spräch auf andere Gegenstände.

Friedrich mußte dabey mehr als einmal die fast
unweidliche Kühnheit ihrer Gedanken bewundern,
ihr Geist schien heut von allen Banden los. Sie
ergriff endlich die Guitarre und sang einige Lieder,
die sie selbst gedichtet und komponirt hatte. Die
Musik war durchaus wunderbar, unbegreiflich und
oft beynahe wild, aber es war eine unwiderstehli¬
che Gewalt in ihrem Zusammenklange. Der weite,
stille Kreis von Strömen, Seen, Wäldern und Ber¬
gen, die in großen, halbkenntlichen Maßen über¬
einander ruhten, rauschten dabey feenhaft zwischen
die hinausschiffenden Töne hinein. Die Zauberey
dieses Abende ergriff auch Friedrichs Herz, und in
diesem sinnenverwirrenden Rausche fand er das
schöne Weib an seiner Seite zum erstenmale ver¬
führerisch. Wahrhaftig, sagte sie endlich aus tief¬
ster Seele, wenn ich mich einmal recht verliebte, es
würde mich gewiß das Leben kosten! -- Es reiste
einmal, fuhr sie fort, ein Student hier in der Nacht
beym Schlosse vorbey, als ich eben auf dem Dache
eingeschlummert war, der sang:

die Welt, der große Tölpel, der niemals geſcheider
wird, wäre freylich der Mühe werth, daß man ihm
höflich und voll Ehrfurcht das Geſicht ſtreichelte,
damit er einen wohlwollend und voll Applaus an¬
lächle. Es iſt ja doch nichts, als Magen und
Kopf, und noch dazu ein recht breiter, übermüthi¬
ger, ſelbſtgefälliger, eitler, unerträglicher, den es
eine rechte Götterluſt iſt aufs Maul zu ſchlagen. —
Sie brach hierbey ſchnell ab und lenkte das Ge¬
ſpräch auf andere Gegenſtände.

Friedrich mußte dabey mehr als einmal die faſt
unweidliche Kühnheit ihrer Gedanken bewundern,
ihr Geiſt ſchien heut von allen Banden los. Sie
ergriff endlich die Guitarre und ſang einige Lieder,
die ſie ſelbſt gedichtet und komponirt hatte. Die
Muſik war durchaus wunderbar, unbegreiflich und
oft beynahe wild, aber es war eine unwiderſtehli¬
che Gewalt in ihrem Zuſammenklange. Der weite,
ſtille Kreis von Strömen, Seen, Wäldern und Ber¬
gen, die in großen, halbkenntlichen Maßen über¬
einander ruhten, rauſchten dabey feenhaft zwiſchen
die hinausſchiffenden Töne hinein. Die Zauberey
dieſes Abende ergriff auch Friedrichs Herz, und in
dieſem ſinnenverwirrenden Rauſche fand er das
ſchöne Weib an ſeiner Seite zum erſtenmale ver¬
führeriſch. Wahrhaftig, ſagte ſie endlich aus tief¬
ſter Seele, wenn ich mich einmal recht verliebte, es
würde mich gewiß das Leben koſten! — Es reiste
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[244/0250] die Welt, der große Tölpel, der niemals geſcheider wird, wäre freylich der Mühe werth, daß man ihm höflich und voll Ehrfurcht das Geſicht ſtreichelte, damit er einen wohlwollend und voll Applaus an¬ lächle. Es iſt ja doch nichts, als Magen und Kopf, und noch dazu ein recht breiter, übermüthi¬ ger, ſelbſtgefälliger, eitler, unerträglicher, den es eine rechte Götterluſt iſt aufs Maul zu ſchlagen. — Sie brach hierbey ſchnell ab und lenkte das Ge¬ ſpräch auf andere Gegenſtände. Friedrich mußte dabey mehr als einmal die faſt unweidliche Kühnheit ihrer Gedanken bewundern, ihr Geiſt ſchien heut von allen Banden los. Sie ergriff endlich die Guitarre und ſang einige Lieder, die ſie ſelbſt gedichtet und komponirt hatte. Die Muſik war durchaus wunderbar, unbegreiflich und oft beynahe wild, aber es war eine unwiderſtehli¬ che Gewalt in ihrem Zuſammenklange. Der weite, ſtille Kreis von Strömen, Seen, Wäldern und Ber¬ gen, die in großen, halbkenntlichen Maßen über¬ einander ruhten, rauſchten dabey feenhaft zwiſchen die hinausſchiffenden Töne hinein. Die Zauberey dieſes Abende ergriff auch Friedrichs Herz, und in dieſem ſinnenverwirrenden Rauſche fand er das ſchöne Weib an ſeiner Seite zum erſtenmale ver¬ führeriſch. Wahrhaftig, ſagte ſie endlich aus tief¬ ſter Seele, wenn ich mich einmal recht verliebte, es würde mich gewiß das Leben koſten! — Es reiste einmal, fuhr ſie fort, ein Student hier in der Nacht beym Schloſſe vorbey, als ich eben auf dem Dache eingeſchlummert war, der ſang:

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/250>, abgerufen am 23.11.2024.