sagte Leontin, jeder Schiffmann hat seine Sterne und das Alter treibt uns zeitig genug auf den Sand. Du brichst dem tollen Nachtwandler doch den Hals, wenn du ihn bey seinem prosaischen, bürgerlichen Nahmen rufst. Aber härter müssen Sie seyn, sagte er zu dem Studenten, denn die Welt ist hart und drückt Sie sonst zu Schanden.
Das Mädchen kam unterdeß wieder und trel¬ lerte ein Liedchen. Ihre Gestalt war herrlich, aber ihr schönes Gesicht hatte etwas Verwildertes. Sie antwortete auf alle Fragen sehr unterwürfig und keck zugleich, und schien nicht üble Lust zu haben, noch länger bey den beyden Grafen zurückzubleiben, als der Theaterprinzipal kam und ankündigte, daß alles zur Abreise fertig sey.
Der Student drückte Friedrich'n herzlich die Hand und eilte zu dem aufbrechenden Haufen. Der mit allerhand Decorationen schwerbepackte Wagen, von dessen schwankender Höhe der Prinzipal noch immerfort aus der Ferne seine unterthänigste Bitte an Leontin wiederholte, heut Abend mit seiner höchstnöthigen Protektion nicht auszubleiben, wa¬ ckelte indeß langsam fort, nebenher gieng die ganze übrige Gesellschaft bunt zerstreut und lustig einher, der Student war zu Pferde, neben ihm ritt sein Mädchen auch auf einem Klepper und warf Leonti¬ nen noch einige Blicke zu, die ziemlich vertraulich aussahen, und so zog die bunte Karawane wie ein Schattenspiel in die grüne Schluft hinein. Wie
ſagte Leontin, jeder Schiffmann hat ſeine Sterne und das Alter treibt uns zeitig genug auf den Sand. Du brichſt dem tollen Nachtwandler doch den Hals, wenn du ihn bey ſeinem proſaiſchen, bürgerlichen Nahmen rufſt. Aber härter müſſen Sie ſeyn, ſagte er zu dem Studenten, denn die Welt iſt hart und drückt Sie ſonſt zu Schanden.
Das Mädchen kam unterdeß wieder und trel¬ lerte ein Liedchen. Ihre Geſtalt war herrlich, aber ihr ſchönes Geſicht hatte etwas Verwildertes. Sie antwortete auf alle Fragen ſehr unterwürfig und keck zugleich, und ſchien nicht üble Luſt zu haben, noch länger bey den beyden Grafen zurückzubleiben, als der Theaterprinzipal kam und ankündigte, daß alles zur Abreiſe fertig ſey.
Der Student drückte Friedrich'n herzlich die Hand und eilte zu dem aufbrechenden Haufen. Der mit allerhand Decorationen ſchwerbepackte Wagen, von deſſen ſchwankender Höhe der Prinzipal noch immerfort aus der Ferne ſeine unterthänigſte Bitte an Leontin wiederholte, heut Abend mit ſeiner höchſtnöthigen Protektion nicht auszubleiben, wa¬ ckelte indeß langſam fort, nebenher gieng die ganze übrige Geſellſchaft bunt zerſtreut und luſtig einher, der Student war zu Pferde, neben ihm ritt ſein Mädchen auch auf einem Klepper und warf Leonti¬ nen noch einige Blicke zu, die ziemlich vertraulich ausſahen, und ſo zog die bunte Karawane wie ein Schattenſpiel in die grüne Schluft hinein. Wie
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ſagte Leontin, jeder Schiffmann hat ſeine Sterne
und das Alter treibt uns zeitig genug auf den
Sand. Du brichſt dem tollen Nachtwandler doch
den Hals, wenn du ihn bey ſeinem proſaiſchen,
bürgerlichen Nahmen rufſt. Aber härter müſſen
Sie ſeyn, ſagte er zu dem Studenten, denn die
Welt iſt hart und drückt Sie ſonſt zu Schanden.
Das Mädchen kam unterdeß wieder und trel¬
lerte ein Liedchen. Ihre Geſtalt war herrlich, aber
ihr ſchönes Geſicht hatte etwas Verwildertes. Sie
antwortete auf alle Fragen ſehr unterwürfig und
keck zugleich, und ſchien nicht üble Luſt zu haben,
noch länger bey den beyden Grafen zurückzubleiben,
als der Theaterprinzipal kam und ankündigte, daß
alles zur Abreiſe fertig ſey.
Der Student drückte Friedrich'n herzlich die
Hand und eilte zu dem aufbrechenden Haufen. Der
mit allerhand Decorationen ſchwerbepackte Wagen,
von deſſen ſchwankender Höhe der Prinzipal noch
immerfort aus der Ferne ſeine unterthänigſte Bitte
an Leontin wiederholte, heut Abend mit ſeiner
höchſtnöthigen Protektion nicht auszubleiben, wa¬
ckelte indeß langſam fort, nebenher gieng die ganze
übrige Geſellſchaft bunt zerſtreut und luſtig einher,
der Student war zu Pferde, neben ihm ritt ſein
Mädchen auch auf einem Klepper und warf Leonti¬
nen noch einige Blicke zu, die ziemlich vertraulich
ausſahen, und ſo zog die bunte Karawane wie ein
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/239>, abgerufen am 23.11.2024.
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