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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Nun sitzt sie hoch auf lichtem Schlosse,
In schöne Kleider putzt sie sich,
Die Fenster glüh'n, sie winkt vom Schlosse,
Die Sonne blinkt, das blendet dich.
Die Augen, die so furchtsam waren,
Die haben jezt so freyen Lauf,
Fort ist das Kränzlein aus den Haaren,
Und hohe Federn steh'n darauf.
Das Kränzlein ist herausgerissen,
Ganz ohne Scheu sie mich anlacht;
Geh' Du vorbey: sie wird Dich grüssen,
Winkt Dir zu einer schönen Nacht. --
Da sieht sie die Gesellen wieder,
Die fahren unten auf dem Fluß,
Es singen laut die lust'gen Brüder,
So furchtbar schallt des Einen Gruß:
"Was bist du für'ne schöne Leiche!
So wüste ist mir meine Brust,
Wie bist du nun so arm, du Reiche,
Ich hab' an dir nicht weiter Lust!"
Der wilde hat ihr so gefallen,
Laut schrie sie auf bey seinem Gruß,
Vom Schloß möcht' sie hinunterfallen,
Und unten ruh'n im kühlen Fluß. --
Sie blieb nicht länger mehr da oben,
Weil alles anders worden war,
Vor Schmerz ist ihr das Herz erhoben,
Da ward's so kalt, doch himmlischklar.
Da legt sie ab die goldnen Spangen,
Den falschen Putz und Ziererey,
Aus dem verstockten Herzen drangen
Die alten Thränen wieder frey.
Nun ſitzt ſie hoch auf lichtem Schloſſe,
In ſchöne Kleider putzt ſie ſich,
Die Fenſter glüh'n, ſie winkt vom Schloſſe,
Die Sonne blinkt, das blendet dich.
Die Augen, die ſo furchtſam waren,
Die haben jezt ſo freyen Lauf,
Fort iſt das Kränzlein aus den Haaren,
Und hohe Federn ſteh'n darauf.
Das Kränzlein iſt herausgeriſſen,
Ganz ohne Scheu ſie mich anlacht;
Geh' Du vorbey: ſie wird Dich grüſſen,
Winkt Dir zu einer ſchönen Nacht. —
Da ſieht ſie die Geſellen wieder,
Die fahren unten auf dem Fluß,
Es ſingen laut die luſt'gen Brüder,
So furchtbar ſchallt des Einen Gruß:
„Was biſt du für'ne ſchöne Leiche!
So wüſte iſt mir meine Bruſt,
Wie biſt du nun ſo arm, du Reiche,
Ich hab' an dir nicht weiter Luſt!“
Der wilde hat ihr ſo gefallen,
Laut ſchrie ſie auf bey ſeinem Gruß,
Vom Schloß möcht' ſie hinunterfallen,
Und unten ruh'n im kühlen Fluß. —
Sie blieb nicht länger mehr da oben,
Weil alles anders worden war,
Vor Schmerz iſt ihr das Herz erhoben,
Da ward's ſo kalt, doch himmliſchklar.
Da legt ſie ab die goldnen Spangen,
Den falſchen Putz und Ziererey,
Aus dem verſtockten Herzen drangen
Die alten Thränen wieder frey.
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[186/0192] Nun ſitzt ſie hoch auf lichtem Schloſſe, In ſchöne Kleider putzt ſie ſich, Die Fenſter glüh'n, ſie winkt vom Schloſſe, Die Sonne blinkt, das blendet dich. Die Augen, die ſo furchtſam waren, Die haben jezt ſo freyen Lauf, Fort iſt das Kränzlein aus den Haaren, Und hohe Federn ſteh'n darauf. Das Kränzlein iſt herausgeriſſen, Ganz ohne Scheu ſie mich anlacht; Geh' Du vorbey: ſie wird Dich grüſſen, Winkt Dir zu einer ſchönen Nacht. — Da ſieht ſie die Geſellen wieder, Die fahren unten auf dem Fluß, Es ſingen laut die luſt'gen Brüder, So furchtbar ſchallt des Einen Gruß: „Was biſt du für'ne ſchöne Leiche! So wüſte iſt mir meine Bruſt, Wie biſt du nun ſo arm, du Reiche, Ich hab' an dir nicht weiter Luſt!“ Der wilde hat ihr ſo gefallen, Laut ſchrie ſie auf bey ſeinem Gruß, Vom Schloß möcht' ſie hinunterfallen, Und unten ruh'n im kühlen Fluß. — Sie blieb nicht länger mehr da oben, Weil alles anders worden war, Vor Schmerz iſt ihr das Herz erhoben, Da ward's ſo kalt, doch himmliſchklar. Da legt ſie ab die goldnen Spangen, Den falſchen Putz und Ziererey, Aus dem verſtockten Herzen drangen Die alten Thränen wieder frey.

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/192>, abgerufen am 28.11.2024.