leben. Friedrich sah ihn fast mit allen Schönen buhlen. Doch alle machten sich gleich nach den er¬ sten Worten schnell wieder von ihm los, denn unter den Spitzen der Ritterärmel langten die Knochen¬ hände eines Todtengerippes hervor.
Friedrich wollte eben den sonderbaren Gast wei¬ ter verfolgen, als sich die Bahn mit einem Janha¬ gel junger Männer verstopfte, die auf einer Jagd begriffen schienen. Bald erblickte er auch das flüch¬ tige Reh. Es war eine kleine, junge Zigeunerin, sehr nachlässig verhüllt, das schöne schwarze Haar mit bunten Bändern in lange Zöpfe geflochten. Sie hatte ein Tambourin, mit dem sie die Zu¬ dringlichsten so schalkisch abzuwehren wußte, daß ihr alles nur um desto lieber nachfolgte. Jede ihrer Bewegungen war zierlich, es war das niedlichste Figürchen, daß Friedrich jemals gesehen.
In diesem Augenblicke streiften zwey schöne, hohe weibliche Gestalten an ihm vorbey. Zwey männliche Masken drängten sich nach. Es ist ganz sicher die Gräfin Rosa, sagte die eine Maske mit düsterer Stimme. Friedrich traute seinen Ohren kaum. Er drängte sich ihnen schnell nach, aber das Gewimmel war zu groß, und sie blieben ihm im¬ mer eine Strecke voraus. Er sah, daß der schwar¬ ze Ritter den beyden weiblichen Masken begegnete, und der einen im Vorbeygehen etwas ins Ohr raunte, worüber sie höchstbestürzt schien, und ihm eine Weile nachsah, während er längst schon wie¬
der
leben. Friedrich ſah ihn faſt mit allen Schönen buhlen. Doch alle machten ſich gleich nach den er¬ ſten Worten ſchnell wieder von ihm los, denn unter den Spitzen der Ritterärmel langten die Knochen¬ hände eines Todtengerippes hervor.
Friedrich wollte eben den ſonderbaren Gaſt wei¬ ter verfolgen, als ſich die Bahn mit einem Janha¬ gel junger Männer verſtopfte, die auf einer Jagd begriffen ſchienen. Bald erblickte er auch das flüch¬ tige Reh. Es war eine kleine, junge Zigeunerin, ſehr nachläſſig verhüllt, das ſchöne ſchwarze Haar mit bunten Bändern in lange Zöpfe geflochten. Sie hatte ein Tambourin, mit dem ſie die Zu¬ dringlichſten ſo ſchalkiſch abzuwehren wußte, daß ihr alles nur um deſto lieber nachfolgte. Jede ihrer Bewegungen war zierlich, es war das niedlichſte Figürchen, daß Friedrich jemals geſehen.
In dieſem Augenblicke ſtreiften zwey ſchöne, hohe weibliche Geſtalten an ihm vorbey. Zwey männliche Maſken drängten ſich nach. Es iſt ganz ſicher die Gräfin Roſa, ſagte die eine Maſke mit düſterer Stimme. Friedrich traute ſeinen Ohren kaum. Er drängte ſich ihnen ſchnell nach, aber das Gewimmel war zu groß, und ſie blieben ihm im¬ mer eine Strecke voraus. Er ſah, daß der ſchwar¬ ze Ritter den beyden weiblichen Maſken begegnete, und der einen im Vorbeygehen etwas ins Ohr raunte, worüber ſie höchſtbeſtürzt ſchien, und ihm eine Weile nachſah, während er längſt ſchon wie¬
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leben. Friedrich ſah ihn faſt mit allen Schönen
buhlen. Doch alle machten ſich gleich nach den er¬
ſten Worten ſchnell wieder von ihm los, denn unter
den Spitzen der Ritterärmel langten die Knochen¬
hände eines Todtengerippes hervor.
Friedrich wollte eben den ſonderbaren Gaſt wei¬
ter verfolgen, als ſich die Bahn mit einem Janha¬
gel junger Männer verſtopfte, die auf einer Jagd
begriffen ſchienen. Bald erblickte er auch das flüch¬
tige Reh. Es war eine kleine, junge Zigeunerin,
ſehr nachläſſig verhüllt, das ſchöne ſchwarze Haar
mit bunten Bändern in lange Zöpfe geflochten.
Sie hatte ein Tambourin, mit dem ſie die Zu¬
dringlichſten ſo ſchalkiſch abzuwehren wußte, daß ihr
alles nur um deſto lieber nachfolgte. Jede ihrer
Bewegungen war zierlich, es war das niedlichſte
Figürchen, daß Friedrich jemals geſehen.
In dieſem Augenblicke ſtreiften zwey ſchöne,
hohe weibliche Geſtalten an ihm vorbey. Zwey
männliche Maſken drängten ſich nach. Es iſt ganz
ſicher die Gräfin Roſa, ſagte die eine Maſke mit
düſterer Stimme. Friedrich traute ſeinen Ohren
kaum. Er drängte ſich ihnen ſchnell nach, aber das
Gewimmel war zu groß, und ſie blieben ihm im¬
mer eine Strecke voraus. Er ſah, daß der ſchwar¬
ze Ritter den beyden weiblichen Maſken begegnete,
und der einen im Vorbeygehen etwas ins Ohr
raunte, worüber ſie höchſtbeſtürzt ſchien, und ihm
eine Weile nachſah, während er längſt ſchon wie¬
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/182>, abgerufen am 25.11.2024.
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