te sich in das Bogenthor zwischen beyde, wo die doppelten Musikchöre aus beyden Sälen verworren ineinander klangen. Zu beyden Seiten toste der seltsame, lustige Markt, fröhliche, reitzende und ernste Bilder des Lebens zogen wechselnd vorüber, Guirlanden von Lampen schmückten die Wände, unzählige Spiegel dazwischen spielten das Leben ins Unendliche, so daß man die Gestalten mit ihrem Wiederspiel verwechselte, und das Auge verwirrt in der gränzenlosen Ferne dieser Aussicht sich verlohr. Ihn schauderte mitten unter diesen Larven. Er stürzte sich selber mit in das Gewimmel, wo es am dichtesten war.
Gewöhnliches Volk, Karaktermasken ohne Ka¬ rakter, vertraten auch hier, wie draussen im Le¬ ben, überall den Weg: gespreitzte Spanier, pa¬ pierne Ritter, Taminos, die über ihre Flöte stol¬ perten, hin und wieder ein behender Harlekin, der sich durch die unbehülflichen Züge hindurchwand und nach allen Seiten peitschte. Eine höchstseltsame Maske zog indeß seine Aufmerksamkeit auf sich. Es war ein Ritter in schwarzer, altdeutscher Tracht, die so genau und streng gehalten war, daß man glaubte, irgend ein altes Bild sey aus seinem Rah¬ men ins Leben hinausgetreten. Die Gestalt war hoch und schlank, sein Wams reich mit Gold, der Hut mit hohen Federn geschmückt, die ganze Pracht doch so uralt, fremd und fast gespenstisch, daß je¬ dem unheimlich zu Muthe ward, an dem er vor¬ überstreifte. Er war übrigens galant und wußte zu
te ſich in das Bogenthor zwiſchen beyde, wo die doppelten Muſikchöre aus beyden Sälen verworren ineinander klangen. Zu beyden Seiten toſte der ſeltſame, luſtige Markt, fröhliche, reitzende und ernſte Bilder des Lebens zogen wechſelnd vorüber, Guirlanden von Lampen ſchmückten die Wände, unzählige Spiegel dazwiſchen ſpielten das Leben ins Unendliche, ſo daß man die Geſtalten mit ihrem Wiederſpiel verwechſelte, und das Auge verwirrt in der gränzenloſen Ferne dieſer Ausſicht ſich verlohr. Ihn ſchauderte mitten unter dieſen Larven. Er ſtürzte ſich ſelber mit in das Gewimmel, wo es am dichteſten war.
Gewöhnliches Volk, Karaktermaſken ohne Ka¬ rakter, vertraten auch hier, wie drauſſen im Le¬ ben, überall den Weg: geſpreitzte Spanier, pa¬ pierne Ritter, Taminos, die über ihre Flöte ſtol¬ perten, hin und wieder ein behender Harlekin, der ſich durch die unbehülflichen Züge hindurchwand und nach allen Seiten peitſchte. Eine höchſtſeltſame Maſke zog indeß ſeine Aufmerkſamkeit auf ſich. Es war ein Ritter in ſchwarzer, altdeutſcher Tracht, die ſo genau und ſtreng gehalten war, daß man glaubte, irgend ein altes Bild ſey aus ſeinem Rah¬ men ins Leben hinausgetreten. Die Geſtalt war hoch und ſchlank, ſein Wams reich mit Gold, der Hut mit hohen Federn geſchmückt, die ganze Pracht doch ſo uralt, fremd und faſt geſpenſtiſch, daß je¬ dem unheimlich zu Muthe ward, an dem er vor¬ überſtreifte. Er war übrigens galant und wußte zu
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0181"n="175"/>
te ſich in das Bogenthor zwiſchen beyde, wo die<lb/>
doppelten Muſikchöre aus beyden Sälen verworren<lb/>
ineinander klangen. Zu beyden Seiten toſte der<lb/>ſeltſame, luſtige Markt, fröhliche, reitzende und<lb/>
ernſte Bilder des Lebens zogen wechſelnd vorüber,<lb/>
Guirlanden von Lampen ſchmückten die Wände,<lb/>
unzählige Spiegel dazwiſchen ſpielten das Leben ins<lb/>
Unendliche, ſo daß man die Geſtalten mit ihrem<lb/>
Wiederſpiel verwechſelte, und das Auge verwirrt in<lb/>
der gränzenloſen Ferne dieſer Ausſicht ſich verlohr.<lb/>
Ihn ſchauderte mitten unter dieſen Larven. Er<lb/>ſtürzte ſich ſelber mit in das Gewimmel, wo es am<lb/>
dichteſten war.</p><lb/><p>Gewöhnliches Volk, Karaktermaſken ohne Ka¬<lb/>
rakter, vertraten auch hier, wie drauſſen im Le¬<lb/>
ben, überall den Weg: geſpreitzte Spanier, pa¬<lb/>
pierne Ritter, Taminos, die über ihre Flöte ſtol¬<lb/>
perten, hin und wieder ein behender Harlekin, der<lb/>ſich durch die unbehülflichen Züge hindurchwand und<lb/>
nach allen Seiten peitſchte. Eine höchſtſeltſame<lb/>
Maſke zog indeß ſeine Aufmerkſamkeit auf ſich. Es<lb/>
war ein Ritter in ſchwarzer, altdeutſcher Tracht,<lb/>
die ſo genau und ſtreng gehalten war, daß man<lb/>
glaubte, irgend ein altes Bild ſey aus ſeinem Rah¬<lb/>
men ins Leben hinausgetreten. Die Geſtalt war<lb/>
hoch und ſchlank, ſein Wams reich mit Gold, der<lb/>
Hut mit hohen Federn geſchmückt, die ganze Pracht<lb/>
doch ſo uralt, fremd und faſt geſpenſtiſch, daß je¬<lb/>
dem unheimlich zu Muthe ward, an dem er vor¬<lb/>
überſtreifte. Er war übrigens galant und wußte zu<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[175/0181]
te ſich in das Bogenthor zwiſchen beyde, wo die
doppelten Muſikchöre aus beyden Sälen verworren
ineinander klangen. Zu beyden Seiten toſte der
ſeltſame, luſtige Markt, fröhliche, reitzende und
ernſte Bilder des Lebens zogen wechſelnd vorüber,
Guirlanden von Lampen ſchmückten die Wände,
unzählige Spiegel dazwiſchen ſpielten das Leben ins
Unendliche, ſo daß man die Geſtalten mit ihrem
Wiederſpiel verwechſelte, und das Auge verwirrt in
der gränzenloſen Ferne dieſer Ausſicht ſich verlohr.
Ihn ſchauderte mitten unter dieſen Larven. Er
ſtürzte ſich ſelber mit in das Gewimmel, wo es am
dichteſten war.
Gewöhnliches Volk, Karaktermaſken ohne Ka¬
rakter, vertraten auch hier, wie drauſſen im Le¬
ben, überall den Weg: geſpreitzte Spanier, pa¬
pierne Ritter, Taminos, die über ihre Flöte ſtol¬
perten, hin und wieder ein behender Harlekin, der
ſich durch die unbehülflichen Züge hindurchwand und
nach allen Seiten peitſchte. Eine höchſtſeltſame
Maſke zog indeß ſeine Aufmerkſamkeit auf ſich. Es
war ein Ritter in ſchwarzer, altdeutſcher Tracht,
die ſo genau und ſtreng gehalten war, daß man
glaubte, irgend ein altes Bild ſey aus ſeinem Rah¬
men ins Leben hinausgetreten. Die Geſtalt war
hoch und ſchlank, ſein Wams reich mit Gold, der
Hut mit hohen Federn geſchmückt, die ganze Pracht
doch ſo uralt, fremd und faſt geſpenſtiſch, daß je¬
dem unheimlich zu Muthe ward, an dem er vor¬
überſtreifte. Er war übrigens galant und wußte zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/181>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.