Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.Und wenn mein Weg über Berge hoch geht, Aurora sich aufthut, das Posthorn weht,Da will ich Ihm rufen von Herzen voll, Daß er's in der Ferne spüren soll. Ade! Schloß, heiter über'm Thal, Ihr schwülen Thäler allzumal,Du blauer Fluß ums Schloß herum, Ihr Dörfer, Wälder um und um! Wohl sah ich dort eine Zaub'rinn geh'n, Nach Ihr nur alle Blumen und Wälder seh'n,Mit hellen Augen Ströme und Seen, In stillem Schau'n, wie verzaubert, steh'n. Ein jeder Strom wohl find't sein Meer, Ein jeglich Schiff kehrt endlich her,Nur ich treibe und sehne mich immerzu, O wilder Trieb! wann läßst du einmal Ruh? Darunter stand, kaum leserlich, gekrizzelt: Herr Friedrich, der schläft in der Ruhe Schooß, Ich wünsch' ihm viel Unglück, daß er sich erbos',In's Horn, zum Schwerdt, frisch dran und drauf! Philister über Dir, wach', Simson, wach' auf! Friedrich stutzte über diese lezten Zeilen, die Julie stand noch immerfort am Fenster, sah Und wenn mein Weg über Berge hoch geht, Aurora ſich aufthut, das Poſthorn weht,Da will ich Ihm rufen von Herzen voll, Daß er's in der Ferne ſpüren ſoll. Ade! Schloß, heiter über'm Thal, Ihr ſchwülen Thäler allzumal,Du blauer Fluß ums Schloß herum, Ihr Dörfer, Wälder um und um! Wohl ſah ich dort eine Zaub'rinn geh'n, Nach Ihr nur alle Blumen und Wälder ſeh'n,Mit hellen Augen Ströme und Seen, In ſtillem Schau'n, wie verzaubert, ſteh'n. Ein jeder Strom wohl find't ſein Meer, Ein jeglich Schiff kehrt endlich her,Nur ich treibe und ſehne mich immerzu, O wilder Trieb! wann läßſt du einmal Ruh? Darunter ſtand, kaum leſerlich, gekrizzelt: Herr Friedrich, der ſchläft in der Ruhe Schooß, Ich wünſch' ihm viel Unglück, daß er ſich erboſ',In's Horn, zum Schwerdt, friſch dran und drauf! Philiſter über Dir, wach', Simſon, wach' auf! Friedrich ſtutzte über dieſe lezten Zeilen, die Julie ſtand noch immerfort am Fenſter, ſah <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0173" n="167"/> <lg n="4"> <l rendition="#et">Und wenn mein Weg über Berge hoch geht,</l><lb/> <l>Aurora ſich aufthut, das Poſthorn weht,</l><lb/> <l>Da will ich Ihm rufen von Herzen voll,</l><lb/> <l>Daß er's in der Ferne ſpüren ſoll.</l><lb/> </lg> <lg n="5"> <l rendition="#et">Ade! Schloß, heiter über'm Thal,</l><lb/> <l>Ihr ſchwülen Thäler allzumal,</l><lb/> <l>Du blauer Fluß ums Schloß herum,</l><lb/> <l>Ihr Dörfer, Wälder um und um!</l><lb/> </lg> <lg n="6"> <l rendition="#et">Wohl ſah ich dort eine Zaub'rinn geh'n,</l><lb/> <l>Nach Ihr nur alle Blumen und Wälder ſeh'n,</l><lb/> <l>Mit hellen Augen Ströme und Seen,</l><lb/> <l>In ſtillem Schau'n, wie verzaubert, ſteh'n.</l><lb/> </lg> <lg n="7"> <l rendition="#et">Ein jeder Strom wohl find't ſein Meer,</l><lb/> <l>Ein jeglich Schiff kehrt endlich her,</l><lb/> <l>Nur ich treibe und ſehne mich immerzu,</l><lb/> <l>O wilder Trieb! wann läßſt du einmal Ruh?</l><lb/> </lg> </lg> <p>Darunter ſtand, kaum leſerlich, gekrizzelt:</p><lb/> <lg type="poem"> <l rendition="#et">Herr Friedrich, der ſchläft in der Ruhe Schooß,</l><lb/> <l>Ich wünſch' ihm viel Unglück, daß er ſich erboſ',</l><lb/> <l>In's Horn, zum Schwerdt, friſch dran und drauf!</l><lb/> <l>Philiſter über Dir, wach', Simſon, wach' auf!</l><lb/> </lg> <p>Friedrich ſtutzte über dieſe lezten Zeilen, die<lb/> ihn unerwartet trafen. Er erkannte tief das<lb/> Schwerfällige ſeiner Natur und verſank auf einen<lb/> Augenblick ſinnend in ſich ſelbſt.</p><lb/> <p>Julie ſtand noch immerfort am Fenſter, ſah<lb/> durch die Scheiben und weinte heimlich. Er faßte<lb/> ihre Hand. Da hielt ſie ſich nicht länger, ſie ſez¬<lb/> te ſich auf ihr Bett und ſchluchzte laut. Friedrich<lb/> wußte wohl, wie untröſtlich ein liebendes Mädchen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [167/0173]
Und wenn mein Weg über Berge hoch geht,
Aurora ſich aufthut, das Poſthorn weht,
Da will ich Ihm rufen von Herzen voll,
Daß er's in der Ferne ſpüren ſoll.
Ade! Schloß, heiter über'm Thal,
Ihr ſchwülen Thäler allzumal,
Du blauer Fluß ums Schloß herum,
Ihr Dörfer, Wälder um und um!
Wohl ſah ich dort eine Zaub'rinn geh'n,
Nach Ihr nur alle Blumen und Wälder ſeh'n,
Mit hellen Augen Ströme und Seen,
In ſtillem Schau'n, wie verzaubert, ſteh'n.
Ein jeder Strom wohl find't ſein Meer,
Ein jeglich Schiff kehrt endlich her,
Nur ich treibe und ſehne mich immerzu,
O wilder Trieb! wann läßſt du einmal Ruh?
Darunter ſtand, kaum leſerlich, gekrizzelt:
Herr Friedrich, der ſchläft in der Ruhe Schooß,
Ich wünſch' ihm viel Unglück, daß er ſich erboſ',
In's Horn, zum Schwerdt, friſch dran und drauf!
Philiſter über Dir, wach', Simſon, wach' auf!
Friedrich ſtutzte über dieſe lezten Zeilen, die
ihn unerwartet trafen. Er erkannte tief das
Schwerfällige ſeiner Natur und verſank auf einen
Augenblick ſinnend in ſich ſelbſt.
Julie ſtand noch immerfort am Fenſter, ſah
durch die Scheiben und weinte heimlich. Er faßte
ihre Hand. Da hielt ſie ſich nicht länger, ſie ſez¬
te ſich auf ihr Bett und ſchluchzte laut. Friedrich
wußte wohl, wie untröſtlich ein liebendes Mädchen
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