mals gehört wurde, während es ringsumher schon lange finster geworden war. Der Ritter, dem ein so aufmerksamer Zuhörer etwas Seltenes war, hielt tapfer Stich, und focht nach allen Seiten in einem wunderlichen Chaos von Sinn und Unsinn, das oft die herrlichsten Gedanken durchblizten. Leontin erstaunte über die scharfen, ganz selbsterschaffenen Ausdrücke und die entschiedene Anlage zum Tiefsinn. Aber alles schien, wie eine üppige Wildniß, durch den lebenslangen Müßiggang zerrüttet und fast bis zum Wahnwitz verworren.
Zuletzt sprach der Ritter noch von einem Phi¬ losophen, den er jährlich einmal besuche. Leontin war mit ganzer Seele gespannt, denn die Beschrei¬ bung von demselben stimmte auffallend mit dem al¬ ten Ritterbilde überein, dessen Anblick ihn auf dem Schlosse der weißen Frau so sehr erschüttert hatte. Er fragte näher nach, aber der Ritter antwortete jedesmal so toll und abschweifend, daß er alle wei¬ tere Erkundigungen aufgeben mußte.
Endlich brach der Ritter auf, da er heute noch auf dem Schlosse der niedlichen Braut Herberg suchen wollte. Leontin trug ihm an dieselbe seine schönsten Grüße auf. Der Ritter stolperte nun auf seinem Rosinante langsam über die Haide hinab und unterhielt sich noch immerfort mit Leontin mit gro¬ ßem Geschrey über die Philosophie, während er schon längst in der Nacht verschwunden war.
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mals gehört wurde, während es ringsumher ſchon lange finſter geworden war. Der Ritter, dem ein ſo aufmerkſamer Zuhörer etwas Seltenes war, hielt tapfer Stich, und focht nach allen Seiten in einem wunderlichen Chaos von Sinn und Unſinn, das oft die herrlichſten Gedanken durchblizten. Leontin erſtaunte über die ſcharfen, ganz ſelbſterſchaffenen Ausdrücke und die entſchiedene Anlage zum Tiefſinn. Aber alles ſchien, wie eine üppige Wildniß, durch den lebenslangen Müßiggang zerrüttet und faſt bis zum Wahnwitz verworren.
Zuletzt ſprach der Ritter noch von einem Phi¬ loſophen, den er jährlich einmal beſuche. Leontin war mit ganzer Seele geſpannt, denn die Beſchrei¬ bung von demſelben ſtimmte auffallend mit dem al¬ ten Ritterbilde überein, deſſen Anblick ihn auf dem Schloſſe der weißen Frau ſo ſehr erſchüttert hatte. Er fragte näher nach, aber der Ritter antwortete jedesmal ſo toll und abſchweifend, daß er alle wei¬ tere Erkundigungen aufgeben mußte.
Endlich brach der Ritter auf, da er heute noch auf dem Schloſſe der niedlichen Braut Herberg ſuchen wollte. Leontin trug ihm an dieſelbe ſeine ſchönſten Grüße auf. Der Ritter ſtolperte nun auf ſeinem Roſinante langſam über die Haide hinab und unterhielt ſich noch immerfort mit Leontin mit gro¬ ßem Geſchrey über die Philoſophie, während er ſchon längſt in der Nacht verſchwunden war.
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mals gehört wurde, während es ringsumher ſchon
lange finſter geworden war. Der Ritter, dem ein
ſo aufmerkſamer Zuhörer etwas Seltenes war, hielt
tapfer Stich, und focht nach allen Seiten in einem
wunderlichen Chaos von Sinn und Unſinn, das
oft die herrlichſten Gedanken durchblizten. Leontin
erſtaunte über die ſcharfen, ganz ſelbſterſchaffenen
Ausdrücke und die entſchiedene Anlage zum Tiefſinn.
Aber alles ſchien, wie eine üppige Wildniß, durch
den lebenslangen Müßiggang zerrüttet und faſt bis
zum Wahnwitz verworren.
Zuletzt ſprach der Ritter noch von einem Phi¬
loſophen, den er jährlich einmal beſuche. Leontin
war mit ganzer Seele geſpannt, denn die Beſchrei¬
bung von demſelben ſtimmte auffallend mit dem al¬
ten Ritterbilde überein, deſſen Anblick ihn auf dem
Schloſſe der weißen Frau ſo ſehr erſchüttert hatte.
Er fragte näher nach, aber der Ritter antwortete
jedesmal ſo toll und abſchweifend, daß er alle wei¬
tere Erkundigungen aufgeben mußte.
Endlich brach der Ritter auf, da er heute noch
auf dem Schloſſe der niedlichen Braut Herberg
ſuchen wollte. Leontin trug ihm an dieſelbe ſeine
ſchönſten Grüße auf. Der Ritter ſtolperte nun auf
ſeinem Roſinante langſam über die Haide hinab und
unterhielt ſich noch immerfort mit Leontin mit gro¬
ßem Geſchrey über die Philoſophie, während er
ſchon längſt in der Nacht verſchwunden war.
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/167>, abgerufen am 26.11.2024.
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