Land. Alle die wenigen, die Dich kennen und lie¬ ben, siehst Du dort im Sonnenscheine wandeln und das Heimweh befällt auch Dich. Aber Dir fehlen Flügel und Seegel und Du reissest in verzweifelter Lustigkeit an den Saiten der alten Laute, daß es mir oft das Herz zerreissen wollte. Die Leute ge¬ hen unten vorüber und verlachen Dein wildes Ge¬ klimper, aber ich sage Dir, es ist mehr göttlicher Klang darin, als in ihrem ordentlichen, allgeprie¬ senen Geleyre.
An einem schwülen Nachmittage saß Leontin im Garten an dem Abhange, der in das Land hinaus¬ gieng. Kein Mensch war draußen, alle Vögel hiel¬ ten sich im dichtesten Laube versteckt, es war so still und einsam auf den Gängen und in der ganzen Gegend umher, als ob die Natur ihren Athem an sich hielte. Er versuchte einzuschlummern. Aber wie über ihm die Gräser zwischen dem unaufhörlichen, einförmigen Gesumme der Bienen sich hin und wie¬ der neigten, und rings am fernen Horizonte schwe¬ re Gewitterwolken, gleich phantastischen Gebirgen mit großen, einsamen Seen und himmelhohen Fel¬ senzacken, die ganze Welt enge und immer enger einzuschliessen schienen, preßte eine solche Bangigkeit sein Herz zusammen, daß er schnell wieder auf¬ sprang. Er bestieg einen hohen, am Abhange ste¬ henden Baum, in dessen schwankem Wipfel er sich in das schwüle Thal hinauswiegte, um nur die fürchterliche Stille in und um ihn los zu werden.
Land. Alle die wenigen, die Dich kennen und lie¬ ben, ſiehſt Du dort im Sonnenſcheine wandeln und das Heimweh befällt auch Dich. Aber Dir fehlen Flügel und Seegel und Du reiſſeſt in verzweifelter Luſtigkeit an den Saiten der alten Laute, daß es mir oft das Herz zerreiſſen wollte. Die Leute ge¬ hen unten vorüber und verlachen Dein wildes Ge¬ klimper, aber ich ſage Dir, es iſt mehr göttlicher Klang darin, als in ihrem ordentlichen, allgeprie¬ ſenen Geleyre.
An einem ſchwülen Nachmittage ſaß Leontin im Garten an dem Abhange, der in das Land hinaus¬ gieng. Kein Menſch war draußen, alle Vögel hiel¬ ten ſich im dichteſten Laube verſteckt, es war ſo ſtill und einſam auf den Gängen und in der ganzen Gegend umher, als ob die Natur ihren Athem an ſich hielte. Er verſuchte einzuſchlummern. Aber wie über ihm die Gräſer zwiſchen dem unaufhörlichen, einförmigen Geſumme der Bienen ſich hin und wie¬ der neigten, und rings am fernen Horizonte ſchwe¬ re Gewitterwolken, gleich phantaſtiſchen Gebirgen mit großen, einſamen Seen und himmelhohen Fel¬ ſenzacken, die ganze Welt enge und immer enger einzuſchlieſſen ſchienen, preßte eine ſolche Bangigkeit ſein Herz zuſammen, daß er ſchnell wieder auf¬ ſprang. Er beſtieg einen hohen, am Abhange ſte¬ henden Baum, in deſſen ſchwankem Wipfel er ſich in das ſchwüle Thal hinauswiegte, um nur die fürchterliche Stille in und um ihn los zu werden.
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Land. Alle die wenigen, die Dich kennen und lie¬
ben, ſiehſt Du dort im Sonnenſcheine wandeln und
das Heimweh befällt auch Dich. Aber Dir fehlen
Flügel und Seegel und Du reiſſeſt in verzweifelter
Luſtigkeit an den Saiten der alten Laute, daß es
mir oft das Herz zerreiſſen wollte. Die Leute ge¬
hen unten vorüber und verlachen Dein wildes Ge¬
klimper, aber ich ſage Dir, es iſt mehr göttlicher
Klang darin, als in ihrem ordentlichen, allgeprie¬
ſenen Geleyre.
An einem ſchwülen Nachmittage ſaß Leontin im
Garten an dem Abhange, der in das Land hinaus¬
gieng. Kein Menſch war draußen, alle Vögel hiel¬
ten ſich im dichteſten Laube verſteckt, es war ſo
ſtill und einſam auf den Gängen und in der ganzen
Gegend umher, als ob die Natur ihren Athem an
ſich hielte. Er verſuchte einzuſchlummern. Aber wie
über ihm die Gräſer zwiſchen dem unaufhörlichen,
einförmigen Geſumme der Bienen ſich hin und wie¬
der neigten, und rings am fernen Horizonte ſchwe¬
re Gewitterwolken, gleich phantaſtiſchen Gebirgen
mit großen, einſamen Seen und himmelhohen Fel¬
ſenzacken, die ganze Welt enge und immer enger
einzuſchlieſſen ſchienen, preßte eine ſolche Bangigkeit
ſein Herz zuſammen, daß er ſchnell wieder auf¬
ſprang. Er beſtieg einen hohen, am Abhange ſte¬
henden Baum, in deſſen ſchwankem Wipfel er ſich
in das ſchwüle Thal hinauswiegte, um nur die
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/161>, abgerufen am 27.11.2024.
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