bricht, sogleich bey der Hand, wobey sie dann die armen Verunglückten mit ansehnlichen Summen un¬ terstüzt. Die Bauern glauben nun ganz zuversicht¬ lich, sobald sie nur erscheint, müsse das Feuer sich legen, wie beym Anblick einer Heiligen. Uebrigens empfängt und erwiedert sie keine Besuche, und nie¬ mand weiß eigentlich recht, wie sie heißt, und wo¬ her sie gekommen; denn sie selber spricht niemals von ihrem vergangenen Leben. Ja wohl, sagte der Gerichtsverwalter, mit einer wichtigen Miene, es geht dort überaus geheimnißvoll zu. Aber es giebt auch noch Leute hinter'm Berge. Man weiß wohl, wie es zugeht in der Welt. Mein Gott! die liebe Jugend -- junges Blut thut nicht gut --. Ich bitte, mahlen Sie uns keinen Schnurrbart an das Heiligenbild! unterbrach ihn Leontin, der sich seine Phantasie von der wunderbaren Erscheinung nicht verderben lassen wollte.
Es war unterdeß schon wieder aufgepackt wor¬ den, um auf das Schloß des Herrn v. A. zurück¬ zukehren. Leontin konnte der Begierde nicht wider¬ stehen, die weiße Frau näher kennen zu lernen. Er beredete daher Friedrich, mit ihm einen Streif¬ zug nach dem nahgelegenen Guthe derselben zu ma¬ chen. Sie versprachen, beyde noch vor Abend wie¬ der bey der Gesellschaft einzutreffen.
Gegen Mittag kamen sie auf dem Landsitze der Unbekannten an. Sie fanden ein neu erbautes Schloß, das, ohne eben groß zu seyn, durch seine
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bricht, ſogleich bey der Hand, wobey ſie dann die armen Verunglückten mit anſehnlichen Summen un¬ terſtüzt. Die Bauern glauben nun ganz zuverſicht¬ lich, ſobald ſie nur erſcheint, müſſe das Feuer ſich legen, wie beym Anblick einer Heiligen. Uebrigens empfängt und erwiedert ſie keine Beſuche, und nie¬ mand weiß eigentlich recht, wie ſie heißt, und wo¬ her ſie gekommen; denn ſie ſelber ſpricht niemals von ihrem vergangenen Leben. Ja wohl, ſagte der Gerichtsverwalter, mit einer wichtigen Miene, es geht dort überaus geheimnißvoll zu. Aber es giebt auch noch Leute hinter'm Berge. Man weiß wohl, wie es zugeht in der Welt. Mein Gott! die liebe Jugend — junges Blut thut nicht gut —. Ich bitte, mahlen Sie uns keinen Schnurrbart an das Heiligenbild! unterbrach ihn Leontin, der ſich ſeine Phantaſie von der wunderbaren Erſcheinung nicht verderben laſſen wollte.
Es war unterdeß ſchon wieder aufgepackt wor¬ den, um auf das Schloß des Herrn v. A. zurück¬ zukehren. Leontin konnte der Begierde nicht wider¬ ſtehen, die weiße Frau näher kennen zu lernen. Er beredete daher Friedrich, mit ihm einen Streif¬ zug nach dem nahgelegenen Guthe derſelben zu ma¬ chen. Sie verſprachen, beyde noch vor Abend wie¬ der bey der Geſellſchaft einzutreffen.
Gegen Mittag kamen ſie auf dem Landſitze der Unbekannten an. Sie fanden ein neu erbautes Schloß, das, ohne eben groß zu ſeyn, durch ſeine
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bricht, ſogleich bey der Hand, wobey ſie dann die
armen Verunglückten mit anſehnlichen Summen un¬
terſtüzt. Die Bauern glauben nun ganz zuverſicht¬
lich, ſobald ſie nur erſcheint, müſſe das Feuer ſich
legen, wie beym Anblick einer Heiligen. Uebrigens
empfängt und erwiedert ſie keine Beſuche, und nie¬
mand weiß eigentlich recht, wie ſie heißt, und wo¬
her ſie gekommen; denn ſie ſelber ſpricht niemals
von ihrem vergangenen Leben. Ja wohl, ſagte der
Gerichtsverwalter, mit einer wichtigen Miene, es
geht dort überaus geheimnißvoll zu. Aber es giebt
auch noch Leute hinter'm Berge. Man weiß wohl,
wie es zugeht in der Welt. Mein Gott! die liebe
Jugend — junges Blut thut nicht gut —. Ich
bitte, mahlen Sie uns keinen Schnurrbart an das
Heiligenbild! unterbrach ihn Leontin, der ſich ſeine
Phantaſie von der wunderbaren Erſcheinung nicht
verderben laſſen wollte.
Es war unterdeß ſchon wieder aufgepackt wor¬
den, um auf das Schloß des Herrn v. A. zurück¬
zukehren. Leontin konnte der Begierde nicht wider¬
ſtehen, die weiße Frau näher kennen zu lernen.
Er beredete daher Friedrich, mit ihm einen Streif¬
zug nach dem nahgelegenen Guthe derſelben zu ma¬
chen. Sie verſprachen, beyde noch vor Abend wie¬
der bey der Geſellſchaft einzutreffen.
Gegen Mittag kamen ſie auf dem Landſitze der
Unbekannten an. Sie fanden ein neu erbautes
Schloß, das, ohne eben groß zu ſeyn, durch ſeine
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/151>, abgerufen am 27.11.2024.
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