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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Es schien, als wollte das Wetter heraufkommen,
das man von ferne sah, denn ein kühler Wind
flog über den Teich voran und kräuselte die ruhige
Fläche. Sie glaubten Fräulein Julie an dem Fen¬
ster zu bemerken. Da sang Leontin, der vorn im
Kahne aufrecht stand, folgendes Lied zur Guitarre,
während der ewig rege und unruhige Viktor bald
tollkühn mit dem Kahne schaukelte, bald wieder in
den Wald hinausrief, daß hin und her die Hunde
an den nächsten Häusern wach wurden:

Schlafe, Liebchen, weil's auf Erden
Nun so still und seltsam wird!
Oben geht die goldne Heerde,
Für uns alle wacht der Hirt.
In der Ferne zieh'n Gewitter;
Einsam auf dem Schifflein schwank
Greiff' ich draussen in die Zitter,
Weil mir gar so schwül und bang.
Schlingend sich an Bäum' und Zweigen,
In Dein stilles Kämmerlein,
Wie auf goldnen Leitern, steigen
Diese Töne aus und ein.
Und ein wunderschöner Knabe
Schifft hoch über Thal und Kluft,
Rührt mit seinem goldnen Stabe
Säuselnd in der lauen Luft.
Und in wunderbaren Weisen,
Singt er ein uraltes Lied,
Das in linden Zauberkreisen
Hinter seinem Schifflein zieht.

Es ſchien, als wollte das Wetter heraufkommen,
das man von ferne ſah, denn ein kühler Wind
flog über den Teich voran und kräuſelte die ruhige
Fläche. Sie glaubten Fräulein Julie an dem Fen¬
ſter zu bemerken. Da ſang Leontin, der vorn im
Kahne aufrecht ſtand, folgendes Lied zur Guitarre,
während der ewig rege und unruhige Viktor bald
tollkühn mit dem Kahne ſchaukelte, bald wieder in
den Wald hinausrief, daß hin und her die Hunde
an den nächſten Häuſern wach wurden:

Schlafe, Liebchen, weil's auf Erden
Nun ſo ſtill und ſeltſam wird!
Oben geht die goldne Heerde,
Für uns alle wacht der Hirt.
In der Ferne zieh'n Gewitter;
Einſam auf dem Schifflein ſchwank
Greiff' ich drauſſen in die Zitter,
Weil mir gar ſo ſchwül und bang.
Schlingend ſich an Bäum' und Zweigen,
In Dein ſtilles Kämmerlein,
Wie auf goldnen Leitern, ſteigen
Dieſe Töne aus und ein.
Und ein wunderſchöner Knabe
Schifft hoch über Thal und Kluft,
Rührt mit ſeinem goldnen Stabe
Säuſelnd in der lauen Luft.
Und in wunderbaren Weiſen,
Singt er ein uraltes Lied,
Das in linden Zauberkreiſen
Hinter ſeinem Schifflein zieht.
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[136/0142] Es ſchien, als wollte das Wetter heraufkommen, das man von ferne ſah, denn ein kühler Wind flog über den Teich voran und kräuſelte die ruhige Fläche. Sie glaubten Fräulein Julie an dem Fen¬ ſter zu bemerken. Da ſang Leontin, der vorn im Kahne aufrecht ſtand, folgendes Lied zur Guitarre, während der ewig rege und unruhige Viktor bald tollkühn mit dem Kahne ſchaukelte, bald wieder in den Wald hinausrief, daß hin und her die Hunde an den nächſten Häuſern wach wurden: Schlafe, Liebchen, weil's auf Erden Nun ſo ſtill und ſeltſam wird! Oben geht die goldne Heerde, Für uns alle wacht der Hirt. In der Ferne zieh'n Gewitter; Einſam auf dem Schifflein ſchwank Greiff' ich drauſſen in die Zitter, Weil mir gar ſo ſchwül und bang. Schlingend ſich an Bäum' und Zweigen, In Dein ſtilles Kämmerlein, Wie auf goldnen Leitern, ſteigen Dieſe Töne aus und ein. Und ein wunderſchöner Knabe Schifft hoch über Thal und Kluft, Rührt mit ſeinem goldnen Stabe Säuſelnd in der lauen Luft. Und in wunderbaren Weiſen, Singt er ein uraltes Lied, Das in linden Zauberkreiſen Hinter ſeinem Schifflein zieht.

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/142>, abgerufen am 27.11.2024.