nug, gleich beym Eintritte des Maskenzuges eine sonderbare Furcht überfallen; er nahm Reißaus und ließ sich nicht mehr wiedersehen.
Viktor führte daher, als die Ergötzung an dem Spektakel anfieng lau zu werden, endlich die Ban¬ de wieder fort, um den flüchtigen Ritter aufzusu¬ chen. Sie fanden ihn in einem finsteren Winkel des Hofes versteckt. Er war äußerst aufgebracht und wehrte sich mit Händen und Füßen, als sie ihn aufspürten. Viktor nahm ihn beym Arme und walz¬ te mit ihm, wie wahnsinnig, im Hofe um den Brunnen herum. Ein alter, dicker Gerichtsverwal¬ ter, dem sie unvermerkt die Dose mit Kienruß ge¬ füllt, und der daher, da er sich bey jeder Priese das Gesicht bemahlte, wider sein Wissen und Wil¬ len eine Hauptfigur in dem Lustspiele abgab, mu߬ te ebenfalls an einer allgemeinen Menuett Theil nehmen, die sich jezt in dem Hofe entspann. Ein einziges Licht stand auf einem Pfahle und warf im Winde einen flatternden Schein über die seltsame Verwirrung. Leontin, der sich bald Anfangs mit Leib und Seele mit hineingemischt hatte, saß hoch oben auf dem Gartenzaune und strich die verstimm¬ te Geige dazu. Den irrenden Ritter, der sich in¬ deß voll Angst und Zorn mit Gewalt wieder losge¬ macht hatte, sah man auf seinem Pferde mitten in der mondhellen Nacht über die Felder entfliehen.
Wie haben Ihnen die Streiche gefallen? frag¬ te die Tante den Grafen Friedrich, von dem sie
nug, gleich beym Eintritte des Maſkenzuges eine ſonderbare Furcht überfallen; er nahm Reißaus und ließ ſich nicht mehr wiederſehen.
Viktor führte daher, als die Ergötzung an dem Spektakel anfieng lau zu werden, endlich die Ban¬ de wieder fort, um den flüchtigen Ritter aufzuſu¬ chen. Sie fanden ihn in einem finſteren Winkel des Hofes verſteckt. Er war äußerſt aufgebracht und wehrte ſich mit Händen und Füßen, als ſie ihn aufſpürten. Viktor nahm ihn beym Arme und walz¬ te mit ihm, wie wahnſinnig, im Hofe um den Brunnen herum. Ein alter, dicker Gerichtsverwal¬ ter, dem ſie unvermerkt die Doſe mit Kienruß ge¬ füllt, und der daher, da er ſich bey jeder Prieſe das Geſicht bemahlte, wider ſein Wiſſen und Wil¬ len eine Hauptfigur in dem Luſtſpiele abgab, mu߬ te ebenfalls an einer allgemeinen Menuett Theil nehmen, die ſich jezt in dem Hofe entſpann. Ein einziges Licht ſtand auf einem Pfahle und warf im Winde einen flatternden Schein über die ſeltſame Verwirrung. Leontin, der ſich bald Anfangs mit Leib und Seele mit hineingemiſcht hatte, ſaß hoch oben auf dem Gartenzaune und ſtrich die verſtimm¬ te Geige dazu. Den irrenden Ritter, der ſich in¬ deß voll Angſt und Zorn mit Gewalt wieder losge¬ macht hatte, ſah man auf ſeinem Pferde mitten in der mondhellen Nacht über die Felder entfliehen.
Wie haben Ihnen die Streiche gefallen? frag¬ te die Tante den Grafen Friedrich, von dem ſie
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nug, gleich beym Eintritte des Maſkenzuges eine
ſonderbare Furcht überfallen; er nahm Reißaus und
ließ ſich nicht mehr wiederſehen.
Viktor führte daher, als die Ergötzung an dem
Spektakel anfieng lau zu werden, endlich die Ban¬
de wieder fort, um den flüchtigen Ritter aufzuſu¬
chen. Sie fanden ihn in einem finſteren Winkel des
Hofes verſteckt. Er war äußerſt aufgebracht und
wehrte ſich mit Händen und Füßen, als ſie ihn
aufſpürten. Viktor nahm ihn beym Arme und walz¬
te mit ihm, wie wahnſinnig, im Hofe um den
Brunnen herum. Ein alter, dicker Gerichtsverwal¬
ter, dem ſie unvermerkt die Doſe mit Kienruß ge¬
füllt, und der daher, da er ſich bey jeder Prieſe
das Geſicht bemahlte, wider ſein Wiſſen und Wil¬
len eine Hauptfigur in dem Luſtſpiele abgab, mu߬
te ebenfalls an einer allgemeinen Menuett Theil
nehmen, die ſich jezt in dem Hofe entſpann. Ein
einziges Licht ſtand auf einem Pfahle und warf im
Winde einen flatternden Schein über die ſeltſame
Verwirrung. Leontin, der ſich bald Anfangs mit
Leib und Seele mit hineingemiſcht hatte, ſaß hoch
oben auf dem Gartenzaune und ſtrich die verſtimm¬
te Geige dazu. Den irrenden Ritter, der ſich in¬
deß voll Angſt und Zorn mit Gewalt wieder losge¬
macht hatte, ſah man auf ſeinem Pferde mitten in
der mondhellen Nacht über die Felder entfliehen.
Wie haben Ihnen die Streiche gefallen? frag¬
te die Tante den Grafen Friedrich, von dem ſie
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/138>, abgerufen am 27.11.2024.
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