mitsingen durfte, aller Augen auf ein neues Schau¬ spiel. Er warf nemlich im Hintergrunde, um nicht bemerkt zu werden, zu seiner eignen Herzenslust die leeren Weinfäßchen in die Luft, während die Jä¬ ger alle nach denselben schießen mußten, welches nicht ohne daß größte Geschrey ablief. Die Tante, welche keinen Rausch an Männern ertragen konnte, befürchtete eine allgemeine Anarchie und lud die Ge¬ sellschaft, um die erhizten Gemüther zu zerstreuen, noch auf einige Stunden zu sich auf das Jagdschloß. Alles brach daher auf und bestieg den Wagen. Friedrich, Leontin und Viktor ritten wieder dem langen Zuge voran, den Ritter von der traurigen Gestalt in ihrer Mitte, dessen baufälliges Pferd die Jäger mit einem Baldachin von grünen Zwei¬ gen und jungen Bäumchen besteckt hatten, so daß er, gleich Münchhausen, wie unter einer Laube ritt.
Als sie auf dem Schlosse angekommen waren, wurden geschwind noch einige Musikanten, so gut sie hier zu bekommen waren, zusammengebracht, und man tanzte bis zur einbrechenden Nacht. Für Friedrich und Leontin, die, frühzeitig in die Welt hinausgestossen, gewohnt waren, das Leben immer nur in großen, vollendeten Maßen, gleichsam wie im Fluge, zu berühren, gewährte dieser kleine Kreis, wo fast alle mit einander verwandt nur Eine Familie bildeten, eine neue Erscheinung. Die er¬ quickliche Art, wie die jungen Landfräulein immer
mit
mitſingen durfte, aller Augen auf ein neues Schau¬ ſpiel. Er warf nemlich im Hintergrunde, um nicht bemerkt zu werden, zu ſeiner eignen Herzensluſt die leeren Weinfäßchen in die Luft, während die Jä¬ ger alle nach denſelben ſchießen mußten, welches nicht ohne daß größte Geſchrey ablief. Die Tante, welche keinen Rauſch an Männern ertragen konnte, befürchtete eine allgemeine Anarchie und lud die Ge¬ ſellſchaft, um die erhizten Gemüther zu zerſtreuen, noch auf einige Stunden zu ſich auf das Jagdſchloß. Alles brach daher auf und beſtieg den Wagen. Friedrich, Leontin und Viktor ritten wieder dem langen Zuge voran, den Ritter von der traurigen Geſtalt in ihrer Mitte, deſſen baufälliges Pferd die Jäger mit einem Baldachin von grünen Zwei¬ gen und jungen Bäumchen beſteckt hatten, ſo daß er, gleich Münchhauſen, wie unter einer Laube ritt.
Als ſie auf dem Schloſſe angekommen waren, wurden geſchwind noch einige Muſikanten, ſo gut ſie hier zu bekommen waren, zuſammengebracht, und man tanzte bis zur einbrechenden Nacht. Für Friedrich und Leontin, die, frühzeitig in die Welt hinausgeſtoſſen, gewohnt waren, das Leben immer nur in großen, vollendeten Maßen, gleichſam wie im Fluge, zu berühren, gewährte dieſer kleine Kreis, wo faſt alle mit einander verwandt nur Eine Familie bildeten, eine neue Erſcheinung. Die er¬ quickliche Art, wie die jungen Landfräulein immer
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mitſingen durfte, aller Augen auf ein neues Schau¬
ſpiel. Er warf nemlich im Hintergrunde, um nicht
bemerkt zu werden, zu ſeiner eignen Herzensluſt die
leeren Weinfäßchen in die Luft, während die Jä¬
ger alle nach denſelben ſchießen mußten, welches
nicht ohne daß größte Geſchrey ablief. Die Tante,
welche keinen Rauſch an Männern ertragen konnte,
befürchtete eine allgemeine Anarchie und lud die Ge¬
ſellſchaft, um die erhizten Gemüther zu zerſtreuen,
noch auf einige Stunden zu ſich auf das Jagdſchloß.
Alles brach daher auf und beſtieg den Wagen.
Friedrich, Leontin und Viktor ritten wieder dem
langen Zuge voran, den Ritter von der traurigen
Geſtalt in ihrer Mitte, deſſen baufälliges Pferd
die Jäger mit einem Baldachin von grünen Zwei¬
gen und jungen Bäumchen beſteckt hatten, ſo daß
er, gleich Münchhauſen, wie unter einer Laube
ritt.
Als ſie auf dem Schloſſe angekommen waren,
wurden geſchwind noch einige Muſikanten, ſo gut
ſie hier zu bekommen waren, zuſammengebracht,
und man tanzte bis zur einbrechenden Nacht. Für
Friedrich und Leontin, die, frühzeitig in die Welt
hinausgeſtoſſen, gewohnt waren, das Leben immer
nur in großen, vollendeten Maßen, gleichſam wie
im Fluge, zu berühren, gewährte dieſer kleine
Kreis, wo faſt alle mit einander verwandt nur Eine
Familie bildeten, eine neue Erſcheinung. Die er¬
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/134>, abgerufen am 27.11.2024.
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