sie über die Berge ritten. Er war auf einmal aus¬ gelassen lustig, und sie konnten nicht umhin, über den sonderbar wechselnden Menschen zu erstaunen, der besonders ganz nach Leontins Geschmack war. Unterweges sahen sie den seltsamen irrenden Rit¬ ter, der schon lange wieder das Schloß verlassen hatte, in der Ferne auf seinem Gaule über ein Ackerfeld hinwegstolpern. Viktor'n brachte dieser Anblick ganz außer sich vor Freude. Er rief ihm sogleich mit geschwenktem Hute zu. Da aber jener, statt still zu halten, seinen Gaul vielmehr in Trab sezte, um ihnen zu entkommen, so druckte er so¬ gleich die Sporen ein und machte Jagd auf ihn. Er hatte ihn bald eingeholt und brachte ihn unter einem heftigen und lauten Wortwechsel mit sich zu¬ rück. Um diese Eroberung vermehrt, zogen sie nun fröhlich weiter und erblickten nach einigen Stunden endlich das Gut des Herrn v. A. als sie auf einer Anhöhe plötzlich aus dem Walde herauskamen. Das kleine Schloß mit seinem netten Hofe lag mit¬ ten in einem einsamen Thale, rings umher von Tannenwäldern umschlossen. Leontin, den diese tie¬ fe Einsamkeit überraschte, blieb in Gedanken stehen und sagte: Wie fürchterlich schön, hier mit einem geliebten Weibe ein ganzes Leben lang zu wohnen! Ich möchte mich um alle Welt nicht verlieben.
Als sie unten in das Thal hinabzogen, bog auch schon auf der Höhe der Wagen des Herr v. A. mit seinen vier Rappen um die Waldesecke herum und der Kutscher knallte lustig mit der Peitsche, daß es
ſie über die Berge ritten. Er war auf einmal aus¬ gelaſſen luſtig, und ſie konnten nicht umhin, über den ſonderbar wechſelnden Menſchen zu erſtaunen, der beſonders ganz nach Leontins Geſchmack war. Unterweges ſahen ſie den ſeltſamen irrenden Rit¬ ter, der ſchon lange wieder das Schloß verlaſſen hatte, in der Ferne auf ſeinem Gaule über ein Ackerfeld hinwegſtolpern. Viktor'n brachte dieſer Anblick ganz außer ſich vor Freude. Er rief ihm ſogleich mit geſchwenktem Hute zu. Da aber jener, ſtatt ſtill zu halten, ſeinen Gaul vielmehr in Trab ſezte, um ihnen zu entkommen, ſo druckte er ſo¬ gleich die Sporen ein und machte Jagd auf ihn. Er hatte ihn bald eingeholt und brachte ihn unter einem heftigen und lauten Wortwechſel mit ſich zu¬ rück. Um dieſe Eroberung vermehrt, zogen ſie nun fröhlich weiter und erblickten nach einigen Stunden endlich das Gut des Herrn v. A. als ſie auf einer Anhöhe plötzlich aus dem Walde herauskamen. Das kleine Schloß mit ſeinem netten Hofe lag mit¬ ten in einem einſamen Thale, rings umher von Tannenwäldern umſchloſſen. Leontin, den dieſe tie¬ fe Einſamkeit überraſchte, blieb in Gedanken ſtehen und ſagte: Wie fürchterlich ſchön, hier mit einem geliebten Weibe ein ganzes Leben lang zu wohnen! Ich möchte mich um alle Welt nicht verlieben.
Als ſie unten in das Thal hinabzogen, bog auch ſchon auf der Höhe der Wagen des Herr v. A. mit ſeinen vier Rappen um die Waldesecke herum und der Kutſcher knallte luſtig mit der Peitſche, daß es
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ſie über die Berge ritten. Er war auf einmal aus¬
gelaſſen luſtig, und ſie konnten nicht umhin, über
den ſonderbar wechſelnden Menſchen zu erſtaunen,
der beſonders ganz nach Leontins Geſchmack war.
Unterweges ſahen ſie den ſeltſamen irrenden Rit¬
ter, der ſchon lange wieder das Schloß verlaſſen
hatte, in der Ferne auf ſeinem Gaule über ein
Ackerfeld hinwegſtolpern. Viktor'n brachte dieſer
Anblick ganz außer ſich vor Freude. Er rief ihm
ſogleich mit geſchwenktem Hute zu. Da aber jener,
ſtatt ſtill zu halten, ſeinen Gaul vielmehr in Trab
ſezte, um ihnen zu entkommen, ſo druckte er ſo¬
gleich die Sporen ein und machte Jagd auf ihn.
Er hatte ihn bald eingeholt und brachte ihn unter
einem heftigen und lauten Wortwechſel mit ſich zu¬
rück. Um dieſe Eroberung vermehrt, zogen ſie nun
fröhlich weiter und erblickten nach einigen Stunden
endlich das Gut des Herrn v. A. als ſie auf einer
Anhöhe plötzlich aus dem Walde herauskamen.
Das kleine Schloß mit ſeinem netten Hofe lag mit¬
ten in einem einſamen Thale, rings umher von
Tannenwäldern umſchloſſen. Leontin, den dieſe tie¬
fe Einſamkeit überraſchte, blieb in Gedanken ſtehen
und ſagte: Wie fürchterlich ſchön, hier mit einem
geliebten Weibe ein ganzes Leben lang zu wohnen!
Ich möchte mich um alle Welt nicht verlieben.
Als ſie unten in das Thal hinabzogen, bog auch
ſchon auf der Höhe der Wagen des Herr v. A. mit
ſeinen vier Rappen um die Waldesecke herum und
der Kutſcher knallte luſtig mit der Peitſche, daß es
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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/127>, abgerufen am 27.11.2024.
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