von Sales hatte ein sehr aufbrausendes Tem- perament, und doch ist er ein Muster der Sanftmut geworden. Der heilige Ignatius wurde ein seltener Meister in dem überleg- ten und besonnen Handeln, während sein Temperament eher zum Gegenteil geneigt war. Das ist die sittliche Seite der Charakter- bildung. Dieselbe ist unentbehrlich, aber für sich noch nicht genügend.
Der echte Charakter handelt nicht bloß nach den Angewöhnungen der Erziehung, sondern nach Grundsätzen. Er handelt nach den Forderungen des Gewissens, welches aus einer festen religiösen Ueberzeugung seine Kraft schöpft. Religion und Gewissen, diese sind es, welche den Charakter über alles menschliche Schwanken erheben und ihn zuver- lässig und unerschütterlich machen, und ihn von menschlicher Einseitigkeit befreien. Ein solcher Charakter bildet die harmonische Ver- bindung scheinbar entgegengesetzter Tugen- den. Man findet auch bei den Heiden Charaktere, die etwas Großes an sich ha- ben, aber nie fehlt auch ein Zug der Ein- seitigkeit und Härte. Anders ist es bei den christlichen Heiligen. die Martyrer ha- ben ihren Charakter nach allen Seiten be-
von Sales hatte ein sehr aufbrausendes Tem- perament, und doch ist er ein Muster der Sanftmut geworden. Der heilige Ignatius wurde ein seltener Meister in dem überleg- ten und besonnen Handeln, während sein Temperament eher zum Gegenteil geneigt war. Das ist die sittliche Seite der Charakter- bildung. Dieselbe ist unentbehrlich, aber für sich noch nicht genügend.
Der echte Charakter handelt nicht bloß nach den Angewöhnungen der Erziehung, sondern nach Grundsätzen. Er handelt nach den Forderungen des Gewissens, welches aus einer festen religiösen Ueberzeugung seine Kraft schöpft. Religion und Gewissen, diese sind es, welche den Charakter über alles menschliche Schwanken erheben und ihn zuver- lässig und unerschütterlich machen, und ihn von menschlicher Einseitigkeit befreien. Ein solcher Charakter bildet die harmonische Ver- bindung scheinbar entgegengesetzter Tugen- den. Man findet auch bei den Heiden Charaktere, die etwas Großes an sich ha- ben, aber nie fehlt auch ein Zug der Ein- seitigkeit und Härte. Anders ist es bei den christlichen Heiligen. die Martyrer ha- ben ihren Charakter nach allen Seiten be-
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[188/0202]
von Sales hatte ein sehr aufbrausendes Tem-
perament, und doch ist er ein Muster der
Sanftmut geworden. Der heilige Ignatius
wurde ein seltener Meister in dem überleg-
ten und besonnen Handeln, während sein
Temperament eher zum Gegenteil geneigt
war. Das ist die sittliche Seite der Charakter-
bildung. Dieselbe ist unentbehrlich, aber für
sich noch nicht genügend.
Der echte Charakter handelt nicht bloß
nach den Angewöhnungen der Erziehung,
sondern nach Grundsätzen. Er handelt nach
den Forderungen des Gewissens, welches aus
einer festen religiösen Ueberzeugung seine
Kraft schöpft. Religion und Gewissen, diese
sind es, welche den Charakter über alles
menschliche Schwanken erheben und ihn zuver-
lässig und unerschütterlich machen, und ihn
von menschlicher Einseitigkeit befreien. Ein
solcher Charakter bildet die harmonische Ver-
bindung scheinbar entgegengesetzter Tugen-
den. Man findet auch bei den Heiden
Charaktere, die etwas Großes an sich ha-
ben, aber nie fehlt auch ein Zug der Ein-
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Egger, Augustinus: Der christliche Vater in der modernen Welt. Erbauungs- und Gebetbuch. Einsiedeln u. a., [1895], S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/egger_vater_1895/202>, abgerufen am 28.11.2024.
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