Aber das darf nie vergessen werden, daß infolge der Sünde meistens in dem Tempera- mente die Keime gefährlicher Leidenschaften vorhanden sind. Diese müssen die Eltern aufmerksam beobachten, und sobald sie die vorherrschende Neigung eines Kindes kennen, sollen sie die ganze Erziehung darauf be- rechnen, in diesem Punkte künftigen sittlichen Unordnungen vorzubeugen. Wem es ernst ist mit der Besserung seiner selbst, der muß immer auf seinen Hauptfehler schauen, und wer gut erziehen will, muß immer die vor- herrschende Neigung des Kindes im Auge behalten.
Mit dem Temperament wird häufig der Charakter zusammengestellt. Das Tem- perament ist Naturanlage, der Charakter ist die durch Erziehung und eigene Angewöhnung gebildete Willensrichtung, nach welcher der Mensch in der Regel sein Handeln einrichtet. Wer den Charakter eines Menschen kennt, kann mit einiger Sicherheit voraussehen, wie er sich bei gewissen sittlichen Proben verhalten wird, ob er in Zorn ausbricht oder seine Aufregung beherrscht, ob er unbestechlich ist oder nicht, ob er gerade und redlich handelt, sei es auch zum eigenen Schaden, oder für
Aber das darf nie vergessen werden, daß infolge der Sünde meistens in dem Tempera- mente die Keime gefährlicher Leidenschaften vorhanden sind. Diese müssen die Eltern aufmerksam beobachten, und sobald sie die vorherrschende Neigung eines Kindes kennen, sollen sie die ganze Erziehung darauf be- rechnen, in diesem Punkte künftigen sittlichen Unordnungen vorzubeugen. Wem es ernst ist mit der Besserung seiner selbst, der muß immer auf seinen Hauptfehler schauen, und wer gut erziehen will, muß immer die vor- herrschende Neigung des Kindes im Auge behalten.
Mit dem Temperament wird häufig der Charakter zusammengestellt. Das Tem- perament ist Naturanlage, der Charakter ist die durch Erziehung und eigene Angewöhnung gebildete Willensrichtung, nach welcher der Mensch in der Regel sein Handeln einrichtet. Wer den Charakter eines Menschen kennt, kann mit einiger Sicherheit voraussehen, wie er sich bei gewissen sittlichen Proben verhalten wird, ob er in Zorn ausbricht oder seine Aufregung beherrscht, ob er unbestechlich ist oder nicht, ob er gerade und redlich handelt, sei es auch zum eigenen Schaden, oder für
<TEI><text><body><divn="1"><divn="25"><pbfacs="#f0197"xml:id="E29V3_001_1895_pb0183_0001"n="183"/><p>Aber das darf nie vergessen werden, daß<lb/>
infolge der Sünde meistens in dem Tempera-<lb/>
mente die Keime gefährlicher Leidenschaften<lb/>
vorhanden sind. Diese müssen die Eltern<lb/>
aufmerksam beobachten, und sobald sie die<lb/>
vorherrschende Neigung eines Kindes kennen,<lb/>
sollen sie die ganze Erziehung darauf be-<lb/>
rechnen, in diesem Punkte künftigen sittlichen<lb/>
Unordnungen vorzubeugen. Wem es ernst<lb/>
ist mit der Besserung seiner selbst, der muß<lb/>
immer auf seinen Hauptfehler schauen, und<lb/>
wer gut erziehen will, muß immer die vor-<lb/>
herrschende Neigung des Kindes im Auge<lb/>
behalten.</p><p>Mit dem Temperament wird häufig der<lb/><hirendition="#g">Charakter</hi> zusammengestellt. Das Tem-<lb/>
perament ist Naturanlage, der Charakter ist<lb/>
die durch Erziehung und eigene Angewöhnung<lb/>
gebildete Willensrichtung, nach welcher der<lb/>
Mensch in der Regel sein Handeln einrichtet.<lb/>
Wer den Charakter eines Menschen kennt,<lb/>
kann mit einiger Sicherheit voraussehen,<lb/>
wie er sich bei gewissen sittlichen Proben<lb/>
verhalten wird, ob er in Zorn ausbricht oder<lb/>
seine Aufregung beherrscht, ob er unbestechlich<lb/>
ist oder nicht, ob er gerade und redlich handelt,<lb/>
sei es auch zum eigenen Schaden, oder für<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[183/0197]
Aber das darf nie vergessen werden, daß
infolge der Sünde meistens in dem Tempera-
mente die Keime gefährlicher Leidenschaften
vorhanden sind. Diese müssen die Eltern
aufmerksam beobachten, und sobald sie die
vorherrschende Neigung eines Kindes kennen,
sollen sie die ganze Erziehung darauf be-
rechnen, in diesem Punkte künftigen sittlichen
Unordnungen vorzubeugen. Wem es ernst
ist mit der Besserung seiner selbst, der muß
immer auf seinen Hauptfehler schauen, und
wer gut erziehen will, muß immer die vor-
herrschende Neigung des Kindes im Auge
behalten.
Mit dem Temperament wird häufig der
Charakter zusammengestellt. Das Tem-
perament ist Naturanlage, der Charakter ist
die durch Erziehung und eigene Angewöhnung
gebildete Willensrichtung, nach welcher der
Mensch in der Regel sein Handeln einrichtet.
Wer den Charakter eines Menschen kennt,
kann mit einiger Sicherheit voraussehen,
wie er sich bei gewissen sittlichen Proben
verhalten wird, ob er in Zorn ausbricht oder
seine Aufregung beherrscht, ob er unbestechlich
ist oder nicht, ob er gerade und redlich handelt,
sei es auch zum eigenen Schaden, oder für
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Egger, Augustinus: Der christliche Vater in der modernen Welt. Erbauungs- und Gebetbuch. Einsiedeln u. a., [1895], S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/egger_vater_1895/197>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.