Gewisse Unarten wie Eigensinn, Ungehor- sam, sodann Naschen, Lügen, Zornaus- brüche, die Wiederholung roher Redensarten u. dgl. dürfen auch in ihren ersten Anfängen nicht geduldet werden. Sie sind bei dem kleinen Kinde freilich noch keine Sünden, aber es sind die ersten Offenbarungen ge- fährlicher Leidenschaften, die jetzt noch leicht unterdrückt werden können. Wenn man sie schon in dieser Zeit bekämpft, so erweist man dem Kinde eine sehr große Wohlthat. Es wird später viel leichter und sicherer den Weg der Tugend wandeln. Diese inneren Feinde werden ihm dann viel weniger Ver- suchungen und Kämpfe bereiten. Schon Seneka, ein heidnischer Weiser, hat gesagt: "Leicht ist es, die noch zarten Gemüter zu leiten und zu lenken; dagegen ist es sehr schwer, Laster auszurotten, die mit uns aufgewachsen sind." Und der weise Mann in der heiligen Schrift giebt die Mahnung: "Leite im An- fang den Knaben zum Wege der Tugend, er wird dann, auch wenn er älter wird, nicht davon abweichen." (Sprichw. 22, 6.)
Die Hauptsache ist die Gewöhnung an pünktlichen Gehorsam. In ihm ist alles andere schon enthalten, was die sittliche Er-
Gewisse Unarten wie Eigensinn, Ungehor- sam, sodann Naschen, Lügen, Zornaus- brüche, die Wiederholung roher Redensarten u. dgl. dürfen auch in ihren ersten Anfängen nicht geduldet werden. Sie sind bei dem kleinen Kinde freilich noch keine Sünden, aber es sind die ersten Offenbarungen ge- fährlicher Leidenschaften, die jetzt noch leicht unterdrückt werden können. Wenn man sie schon in dieser Zeit bekämpft, so erweist man dem Kinde eine sehr große Wohlthat. Es wird später viel leichter und sicherer den Weg der Tugend wandeln. Diese inneren Feinde werden ihm dann viel weniger Ver- suchungen und Kämpfe bereiten. Schon Seneka, ein heidnischer Weiser, hat gesagt: „Leicht ist es, die noch zarten Gemüter zu leiten und zu lenken; dagegen ist es sehr schwer, Laster auszurotten, die mit uns aufgewachsen sind.“ Und der weise Mann in der heiligen Schrift giebt die Mahnung: „Leite im An- fang den Knaben zum Wege der Tugend, er wird dann, auch wenn er älter wird, nicht davon abweichen.“ (Sprichw. 22, 6.)
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Gewisse Unarten wie Eigensinn, Ungehor-
sam, sodann Naschen, Lügen, Zornaus-
brüche, die Wiederholung roher Redensarten
u. dgl. dürfen auch in ihren ersten Anfängen
nicht geduldet werden. Sie sind bei dem
kleinen Kinde freilich noch keine Sünden,
aber es sind die ersten Offenbarungen ge-
fährlicher Leidenschaften, die jetzt noch leicht
unterdrückt werden können. Wenn man sie
schon in dieser Zeit bekämpft, so erweist
man dem Kinde eine sehr große Wohlthat.
Es wird später viel leichter und sicherer den
Weg der Tugend wandeln. Diese inneren
Feinde werden ihm dann viel weniger Ver-
suchungen und Kämpfe bereiten. Schon Seneka,
ein heidnischer Weiser, hat gesagt: „Leicht
ist es, die noch zarten Gemüter zu leiten
und zu lenken; dagegen ist es sehr schwer,
Laster auszurotten, die mit uns aufgewachsen
sind.“ Und der weise Mann in der heiligen
Schrift giebt die Mahnung: „Leite im An-
fang den Knaben zum Wege der Tugend,
er wird dann, auch wenn er älter wird, nicht
davon abweichen.“ (Sprichw. 22, 6.)
Die Hauptsache ist die Gewöhnung an
pünktlichen Gehorsam. In ihm ist alles
andere schon enthalten, was die sittliche Er-
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Egger, Augustinus: Der christliche Vater in der modernen Welt. Erbauungs- und Gebetbuch. Einsiedeln u. a., [1895], S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/egger_vater_1895/139>, abgerufen am 24.11.2024.
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