auch bei einer fehlerhaften Beschaffen- heit des Herzens und Gemütes eine gewisse Beständigkeit aufweist, wird vielfach dem Weibe unberechenbare Launenhaftigkeit nachgeredet. Der Bi- schof und spätere Kardinal Mermillod bemerkte einst in einem Vortrage: "Die göttliche Offenbarung und die Erfahrungen der Welt stimmen in dem Urteil überein, daß das Herz des Wei- bes ein Ocean ist, unergründlich und uferlos zugleich, schon so oft erforscht, und immer noch unbekannt. Unver- sehens wechseln auf demselben glühende Hitze und eisige Kälte, völlige Wind- stille und die heftigsten Stürme, sanft gekräuselte Wellen und bergehohe Wo- gen, ein lachender Himmel und drohende Gewitternacht." Diese Unberechenbar- keit hat ihren Grund meistens in der Ei- genliebe, von welcher das Herz besessen ist. Der Egoismus spottet aller Berechnung der Vernunft und allen sittlichen Anforde- rungen, er bethört die Einbildungskraft
auch bei einer fehlerhaften Beschaffen- heit des Herzens und Gemütes eine gewisse Beständigkeit aufweist, wird vielfach dem Weibe unberechenbare Launenhaftigkeit nachgeredet. Der Bi- schof und spätere Kardinal Mermillod bemerkte einst in einem Vortrage: „Die göttliche Offenbarung und die Erfahrungen der Welt stimmen in dem Urteil überein, daß das Herz des Wei- bes ein Ocean ist, unergründlich und uferlos zugleich, schon so oft erforscht, und immer noch unbekannt. Unver- sehens wechseln auf demselben glühende Hitze und eisige Kälte, völlige Wind- stille und die heftigsten Stürme, sanft gekräuselte Wellen und bergehohe Wo- gen, ein lachender Himmel und drohende Gewitternacht.“ Diese Unberechenbar- keit hat ihren Grund meistens in der Ei- genliebe, von welcher das Herz besessen ist. Der Egoismus spottet aller Berechnung der Vernunft und allen sittlichen Anforde- rungen, er bethört die Einbildungskraft
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[69/0077]
auch bei einer fehlerhaften Beschaffen-
heit des Herzens und Gemütes eine
gewisse Beständigkeit aufweist, wird
vielfach dem Weibe unberechenbare
Launenhaftigkeit nachgeredet. Der Bi-
schof und spätere Kardinal Mermillod
bemerkte einst in einem Vortrage:
„Die göttliche Offenbarung und die
Erfahrungen der Welt stimmen in dem
Urteil überein, daß das Herz des Wei-
bes ein Ocean ist, unergründlich und
uferlos zugleich, schon so oft erforscht,
und immer noch unbekannt. Unver-
sehens wechseln auf demselben glühende
Hitze und eisige Kälte, völlige Wind-
stille und die heftigsten Stürme, sanft
gekräuselte Wellen und bergehohe Wo-
gen, ein lachender Himmel und drohende
Gewitternacht.“ Diese Unberechenbar-
keit hat ihren Grund meistens in der Ei-
genliebe, von welcher das Herz besessen ist.
Der Egoismus spottet aller Berechnung
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Egger, Augustin: Die christliche Mutter. Erbauungs- und Gebetbuch. - Einsiedeln u. a., [1914], S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/egger_mutter_1914/77>, abgerufen am 09.11.2024.
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