[Eckstein, Ernst:] Dudler und Dulder. Studien über die Anmaßungen der Tonkunst. Leipzig, 1893."Nichts." "Vortrefflich. Hiernach dürftest Du wohl geneigt sein, meiner Einladung Folge zu leisten. Ich bin Mahaguma, der Kritiker. Ohne Zweifel hast Du mich nennen hören?" "Mahaguma... Der Name kommt mir bekannt vor... Was kritisirst Du?" "Dramatisches, nur Dramatisches." "Ah, Du wärest..." "Der Referent des ,Grünen Bambusrohres'. Heute geht im Nationaltheater unserer ehrwürdigen Provinzialstadt Devasipatam eine hochinteressante Novität in Scene. Ich verfüge just über ein zweites Freibillet. Willst Du?" "Mit Vergnügen. Du bist in der That für einen Kritiker außerordentlich liebenswürdig." "So komm. In einer Stunde wird man beginnen. Wir haben noch weit bis nach Devasipatam." "Devasipatam... Wo liegt dieses vielsilbige Gemeinwesen?" "Zweihundert Meilen landeinwärts." "Besitzest Du irgend ein diabolisches Faß oder einen mephistophelischen Mantel...?" "Wie prosaisch! Seit den dreißiger Jahren machen wir unsere Luftreisen auf Flügeln des Gesanges." Er zog eine Leier aus der Tasche und präludirte. Dann begann er eine prakritische Uebersetzung des berühmten deutschen Liedes: Ein Fichtenbaum steht einsam Im Norden auf kahler Höh' ... Kaum hatte er die erste Strophe gesungen, als eine unsichtbare Macht uns emporhob und pfeilgeschwind durch „Nichts.“ „Vortrefflich. Hiernach dürftest Du wohl geneigt sein, meiner Einladung Folge zu leisten. Ich bin Mahaguma, der Kritiker. Ohne Zweifel hast Du mich nennen hören?“ „Mahaguma… Der Name kommt mir bekannt vor… Was kritisirst Du?“ „Dramatisches, nur Dramatisches.“ „Ah, Du wärest…“ „Der Referent des ‚Grünen Bambusrohres‘. Heute geht im Nationaltheater unserer ehrwürdigen Provinzialstadt Dêvasipatam eine hochinteressante Novität in Scene. Ich verfüge just über ein zweites Freibillet. Willst Du?“ „Mit Vergnügen. Du bist in der That für einen Kritiker außerordentlich liebenswürdig.“ „So komm. In einer Stunde wird man beginnen. Wir haben noch weit bis nach Dêvasipatam.“ „Dêvasipatam… Wo liegt dieses vielsilbige Gemeinwesen?“ „Zweihundert Meilen landeinwärts.“ „Besitzest Du irgend ein diabolisches Faß oder einen mephistophelischen Mantel…?“ „Wie prosaisch! Seit den dreißiger Jahren machen wir unsere Luftreisen auf Flügeln des Gesanges.“ Er zog eine Leier aus der Tasche und präludirte. Dann begann er eine prakritische Uebersetzung des berühmten deutschen Liedes: Ein Fichtenbaum steht einsam Im Norden auf kahler Höh' … Kaum hatte er die erste Strophe gesungen, als eine unsichtbare Macht uns emporhob und pfeilgeschwind durch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0026" n="24"/> <p>„Nichts.“</p> <p>„Vortrefflich. Hiernach dürftest Du wohl geneigt sein, meiner Einladung Folge zu leisten. Ich bin Mahaguma, der Kritiker. Ohne Zweifel hast Du mich nennen hören?“</p> <p>„Mahaguma… Der Name kommt mir bekannt vor… Was kritisirst Du?“</p> <p>„Dramatisches, nur Dramatisches.“</p> <p>„Ah, Du wärest…“</p> <p>„Der Referent des ‚Grünen Bambusrohres‘. Heute geht im Nationaltheater unserer ehrwürdigen Provinzialstadt Dêvasipatam eine hochinteressante Novität in Scene. Ich verfüge just über ein zweites Freibillet. Willst Du?“</p> <p>„Mit Vergnügen. Du bist in der That für einen Kritiker außerordentlich liebenswürdig.“</p> <p>„So komm. In einer Stunde wird man beginnen. Wir haben noch weit bis nach Dêvasipatam.“</p> <p>„Dêvasipatam… Wo liegt dieses vielsilbige Gemeinwesen?“</p> <p>„Zweihundert Meilen landeinwärts.“</p> <p>„Besitzest Du irgend ein diabolisches Faß oder einen mephistophelischen Mantel…?“</p> <p>„Wie prosaisch! Seit den dreißiger Jahren machen wir unsere Luftreisen auf Flügeln des Gesanges.“</p> <p>Er zog eine Leier aus der Tasche und präludirte. Dann begann er eine prakritische Uebersetzung des berühmten deutschen Liedes:</p> <lg type="poem"> <l rendition="#et">Ein Fichtenbaum steht einsam</l><lb/> <l rendition="#et">Im Norden auf kahler Höh' …</l><lb/> </lg> <p>Kaum hatte er die erste Strophe gesungen, als eine unsichtbare Macht uns emporhob und pfeilgeschwind durch </p> </div> </body> </text> </TEI> [24/0026]
„Nichts.“
„Vortrefflich. Hiernach dürftest Du wohl geneigt sein, meiner Einladung Folge zu leisten. Ich bin Mahaguma, der Kritiker. Ohne Zweifel hast Du mich nennen hören?“
„Mahaguma… Der Name kommt mir bekannt vor… Was kritisirst Du?“
„Dramatisches, nur Dramatisches.“
„Ah, Du wärest…“
„Der Referent des ‚Grünen Bambusrohres‘. Heute geht im Nationaltheater unserer ehrwürdigen Provinzialstadt Dêvasipatam eine hochinteressante Novität in Scene. Ich verfüge just über ein zweites Freibillet. Willst Du?“
„Mit Vergnügen. Du bist in der That für einen Kritiker außerordentlich liebenswürdig.“
„So komm. In einer Stunde wird man beginnen. Wir haben noch weit bis nach Dêvasipatam.“
„Dêvasipatam… Wo liegt dieses vielsilbige Gemeinwesen?“
„Zweihundert Meilen landeinwärts.“
„Besitzest Du irgend ein diabolisches Faß oder einen mephistophelischen Mantel…?“
„Wie prosaisch! Seit den dreißiger Jahren machen wir unsere Luftreisen auf Flügeln des Gesanges.“
Er zog eine Leier aus der Tasche und präludirte. Dann begann er eine prakritische Uebersetzung des berühmten deutschen Liedes:
Ein Fichtenbaum steht einsam
Im Norden auf kahler Höh' …
Kaum hatte er die erste Strophe gesungen, als eine unsichtbare Macht uns emporhob und pfeilgeschwind durch
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Zitationshilfe: | [Eckstein, Ernst:] Dudler und Dulder. Studien über die Anmaßungen der Tonkunst. Leipzig, 1893, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckstein_dudler_1893/26>, abgerufen am 08.07.2024. |