Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht einen guten Succeß auf Jahre hin mit einiger
Bestimmtheit voraussieht. Niemand bedenkt hinreichend
das Aufgebot von Kräften, die das Einstudiren eines
fünfactigen Stückes oder gar einer Oper von gleicher
Länge in Anspruch nimmt. Ja, Ihr Lieben, es gehört
viel dazu, ehe ein Sänger eine Partie durch alle
Scenen und Acte durchaus inne habe, und sehr viel,
ehe die Chöre gehen, wie sie gehen müssen. Es kann
mich gelegentlich ein Grauen überfallen, wenn ich höre,
wie leichtsinnig man oft den Befehl zum Einstudiren
einer Oper giebt, von deren Succeß man eigentlich
nichts weiß und wovon man nur durch einige sehr
unsichere Zeitungsnachrichten gehört hat. Da wir in
Deutschland schon ganz leidliche Posten besitzen, ja
sogar anfangen Schnellposten zu bekommen, so würde
ich bei der Nachricht von irgend einer auswärts gege¬
benen und gepriesenen neuen Oper den Regisseur oder
ein anderes zuverlässiges Mitglied der Bühne an Ort
und Stelle schicken, damit er sich durch seine persönliche
Gegenwart bei einer wirklichen Aufführung überzeuge,
inwiefern die gepriesene neue Oper gut und tüchtig,
und inwiefern unsere Kräfte dazu hinreichen oder nicht.
Die Kosten einer solchen Reise kommen gar nicht in
Betracht in Vergleich der enormen Vortheile, die da¬
durch erreicht, und der unseligen Mißgriffe, die dadurch
verhütet werden."

"Und dann, ist einmal ein gutes Stück oder eine

nicht einen guten Succeß auf Jahre hin mit einiger
Beſtimmtheit vorausſieht. Niemand bedenkt hinreichend
das Aufgebot von Kräften, die das Einſtudiren eines
fünfactigen Stückes oder gar einer Oper von gleicher
Länge in Anſpruch nimmt. Ja, Ihr Lieben, es gehört
viel dazu, ehe ein Sänger eine Partie durch alle
Scenen und Acte durchaus inne habe, und ſehr viel,
ehe die Chöre gehen, wie ſie gehen müſſen. Es kann
mich gelegentlich ein Grauen überfallen, wenn ich höre,
wie leichtſinnig man oft den Befehl zum Einſtudiren
einer Oper giebt, von deren Succeß man eigentlich
nichts weiß und wovon man nur durch einige ſehr
unſichere Zeitungsnachrichten gehört hat. Da wir in
Deutſchland ſchon ganz leidliche Poſten beſitzen, ja
ſogar anfangen Schnellpoſten zu bekommen, ſo würde
ich bei der Nachricht von irgend einer auswärts gege¬
benen und geprieſenen neuen Oper den Regiſſeur oder
ein anderes zuverläſſiges Mitglied der Bühne an Ort
und Stelle ſchicken, damit er ſich durch ſeine perſönliche
Gegenwart bei einer wirklichen Aufführung überzeuge,
inwiefern die geprieſene neue Oper gut und tüchtig,
und inwiefern unſere Kräfte dazu hinreichen oder nicht.
Die Koſten einer ſolchen Reiſe kommen gar nicht in
Betracht in Vergleich der enormen Vortheile, die da¬
durch erreicht, und der unſeligen Mißgriffe, die dadurch
verhütet werden.“

„Und dann, iſt einmal ein gutes Stück oder eine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <div n="4">
          <p><pb facs="#f0097" n="75"/>
nicht einen guten Succeß auf Jahre hin mit einiger<lb/>
Be&#x017F;timmtheit voraus&#x017F;ieht. Niemand bedenkt hinreichend<lb/>
das Aufgebot von Kräften, die das Ein&#x017F;tudiren eines<lb/>
fünfactigen Stückes oder gar einer Oper von gleicher<lb/>
Länge in An&#x017F;pruch nimmt. Ja, Ihr Lieben, es gehört<lb/>
viel dazu, ehe ein Sänger eine Partie durch alle<lb/>
Scenen und Acte durchaus inne habe, und &#x017F;ehr viel,<lb/>
ehe die Chöre gehen, wie &#x017F;ie gehen mü&#x017F;&#x017F;en. Es kann<lb/>
mich gelegentlich ein Grauen überfallen, wenn ich höre,<lb/>
wie leicht&#x017F;innig man oft den Befehl zum Ein&#x017F;tudiren<lb/>
einer Oper giebt, von deren Succeß man eigentlich<lb/>
nichts weiß und wovon man nur durch einige &#x017F;ehr<lb/>
un&#x017F;ichere Zeitungsnachrichten gehört hat. Da wir in<lb/>
Deut&#x017F;chland &#x017F;chon ganz leidliche Po&#x017F;ten be&#x017F;itzen, ja<lb/>
&#x017F;ogar anfangen Schnellpo&#x017F;ten zu bekommen, &#x017F;o würde<lb/>
ich bei der Nachricht von irgend einer auswärts gege¬<lb/>
benen und geprie&#x017F;enen neuen Oper den Regi&#x017F;&#x017F;eur oder<lb/>
ein anderes zuverlä&#x017F;&#x017F;iges Mitglied der Bühne an Ort<lb/>
und Stelle &#x017F;chicken, damit er &#x017F;ich durch &#x017F;eine per&#x017F;önliche<lb/>
Gegenwart bei einer wirklichen Aufführung überzeuge,<lb/>
inwiefern die geprie&#x017F;ene neue Oper gut und tüchtig,<lb/>
und inwiefern un&#x017F;ere Kräfte dazu hinreichen oder nicht.<lb/>
Die Ko&#x017F;ten einer &#x017F;olchen Rei&#x017F;e kommen gar nicht in<lb/>
Betracht in Vergleich der enormen Vortheile, die da¬<lb/>
durch erreicht, und der un&#x017F;eligen Mißgriffe, die dadurch<lb/>
verhütet werden.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Und dann, i&#x017F;t einmal ein gutes Stück oder eine<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0097] nicht einen guten Succeß auf Jahre hin mit einiger Beſtimmtheit vorausſieht. Niemand bedenkt hinreichend das Aufgebot von Kräften, die das Einſtudiren eines fünfactigen Stückes oder gar einer Oper von gleicher Länge in Anſpruch nimmt. Ja, Ihr Lieben, es gehört viel dazu, ehe ein Sänger eine Partie durch alle Scenen und Acte durchaus inne habe, und ſehr viel, ehe die Chöre gehen, wie ſie gehen müſſen. Es kann mich gelegentlich ein Grauen überfallen, wenn ich höre, wie leichtſinnig man oft den Befehl zum Einſtudiren einer Oper giebt, von deren Succeß man eigentlich nichts weiß und wovon man nur durch einige ſehr unſichere Zeitungsnachrichten gehört hat. Da wir in Deutſchland ſchon ganz leidliche Poſten beſitzen, ja ſogar anfangen Schnellpoſten zu bekommen, ſo würde ich bei der Nachricht von irgend einer auswärts gege¬ benen und geprieſenen neuen Oper den Regiſſeur oder ein anderes zuverläſſiges Mitglied der Bühne an Ort und Stelle ſchicken, damit er ſich durch ſeine perſönliche Gegenwart bei einer wirklichen Aufführung überzeuge, inwiefern die geprieſene neue Oper gut und tüchtig, und inwiefern unſere Kräfte dazu hinreichen oder nicht. Die Koſten einer ſolchen Reiſe kommen gar nicht in Betracht in Vergleich der enormen Vortheile, die da¬ durch erreicht, und der unſeligen Mißgriffe, die dadurch verhütet werden.“ „Und dann, iſt einmal ein gutes Stück oder eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/97
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/97>, abgerufen am 23.11.2024.