gossen. Allein es war Alles ohne Erfolg. Die Flamme ras'te nach wie vor aufwärts und trieb unerschöpflich eine Masse glühender Funken und brennende Stücke leichter Stoffe gegen den dunkelen Himmel, die sodann mit geringem Lufthauche seitwärts über die Stadt zogen. Der Lärm und das Rufen und Schreien der an den Feuerleitern und Spritzen arbeitenden Menschen¬ masse war groß. Alle Kräfte waren in Aufregung, man schien mit Gewalt siegen zu wollen. Ein wenig seitwärts, so nahe die Gluth es erlaubte, stand ein Mann im Mantel und Militair-Mütze, in der ruhigsten Fassung eine Cigarre rauchend. Er schien beim ersten Anblick ein müßiger Zuschauer zu seyn; allein er war es nicht. Personen gingen von ihm aus, denen er mit wenigen Worten Befehle ertheilte, die sogleich vollzogen wurden. Es war der Großherzog Carl August. Er hatte bald gesehen, daß das Gebäude selbst nicht zu retten war; er befahl daher, es in sich zusammenzustürzen und alle nur entbehrlichen Spritzen gegen die Nachbarhäuser zu wenden, die von der nahen Gluth sehr zu leiden hatten. Er schien in fürstlicher Resignation zu denken:
"Das brenne nieder! -- Schöner bau't sich's wieder auf."
Er hatte nicht Unrecht. Das Theater war alt, keineswegs schön, und lange nicht geräumig genug, um ein sich mit jedem Jahre vergrößerndes Publicum zu
goſſen. Allein es war Alles ohne Erfolg. Die Flamme raſ'te nach wie vor aufwärts und trieb unerſchöpflich eine Maſſe glühender Funken und brennende Stücke leichter Stoffe gegen den dunkelen Himmel, die ſodann mit geringem Lufthauche ſeitwärts über die Stadt zogen. Der Lärm und das Rufen und Schreien der an den Feuerleitern und Spritzen arbeitenden Menſchen¬ maſſe war groß. Alle Kräfte waren in Aufregung, man ſchien mit Gewalt ſiegen zu wollen. Ein wenig ſeitwärts, ſo nahe die Gluth es erlaubte, ſtand ein Mann im Mantel und Militair-Mütze, in der ruhigſten Faſſung eine Cigarre rauchend. Er ſchien beim erſten Anblick ein müßiger Zuſchauer zu ſeyn; allein er war es nicht. Perſonen gingen von ihm aus, denen er mit wenigen Worten Befehle ertheilte, die ſogleich vollzogen wurden. Es war der Großherzog Carl Auguſt. Er hatte bald geſehen, daß das Gebäude ſelbſt nicht zu retten war; er befahl daher, es in ſich zuſammenzuſtürzen und alle nur entbehrlichen Spritzen gegen die Nachbarhäuſer zu wenden, die von der nahen Gluth ſehr zu leiden hatten. Er ſchien in fürſtlicher Reſignation zu denken:
„Das brenne nieder! — Schöner bau't ſich's wieder auf.“
Er hatte nicht Unrecht. Das Theater war alt, keineswegs ſchön, und lange nicht geräumig genug, um ein ſich mit jedem Jahre vergrößerndes Publicum zu
<TEI><text><body><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0082"n="60"/>
goſſen. Allein es war Alles ohne Erfolg. Die Flamme<lb/>
raſ'te nach wie vor aufwärts und trieb unerſchöpflich<lb/>
eine Maſſe glühender Funken und brennende Stücke<lb/>
leichter Stoffe gegen den dunkelen Himmel, die ſodann<lb/>
mit geringem Lufthauche ſeitwärts über die Stadt<lb/>
zogen. Der Lärm und das Rufen und Schreien der<lb/>
an den Feuerleitern und Spritzen arbeitenden Menſchen¬<lb/>
maſſe war groß. Alle Kräfte waren in Aufregung,<lb/>
man ſchien mit Gewalt ſiegen zu wollen. Ein wenig<lb/>ſeitwärts, ſo nahe die Gluth es erlaubte, ſtand ein<lb/>
Mann im Mantel und Militair-Mütze, in der ruhigſten<lb/>
Faſſung eine Cigarre rauchend. Er ſchien beim erſten<lb/>
Anblick ein müßiger Zuſchauer zu ſeyn; allein er war<lb/>
es nicht. Perſonen gingen von ihm aus, denen er<lb/>
mit wenigen Worten Befehle ertheilte, die ſogleich<lb/>
vollzogen wurden. Es war der Großherzog Carl<lb/>
Auguſt. Er hatte bald geſehen, daß das Gebäude<lb/>ſelbſt nicht zu retten war; er befahl daher, es in ſich<lb/>
zuſammenzuſtürzen und alle nur entbehrlichen Spritzen<lb/>
gegen die Nachbarhäuſer zu wenden, die von der nahen<lb/>
Gluth ſehr zu leiden hatten. Er ſchien in fürſtlicher<lb/>
Reſignation zu denken:</p><lb/><lgtype="poem"><l>„Das brenne nieder! —</l><lb/><l>Schöner bau't ſich's wieder auf.“</l><lb/></lg><p>Er hatte nicht Unrecht. Das Theater war alt,<lb/>
keineswegs ſchön, und lange nicht geräumig genug, um<lb/>
ein ſich mit jedem Jahre vergrößerndes Publicum zu<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[60/0082]
goſſen. Allein es war Alles ohne Erfolg. Die Flamme
raſ'te nach wie vor aufwärts und trieb unerſchöpflich
eine Maſſe glühender Funken und brennende Stücke
leichter Stoffe gegen den dunkelen Himmel, die ſodann
mit geringem Lufthauche ſeitwärts über die Stadt
zogen. Der Lärm und das Rufen und Schreien der
an den Feuerleitern und Spritzen arbeitenden Menſchen¬
maſſe war groß. Alle Kräfte waren in Aufregung,
man ſchien mit Gewalt ſiegen zu wollen. Ein wenig
ſeitwärts, ſo nahe die Gluth es erlaubte, ſtand ein
Mann im Mantel und Militair-Mütze, in der ruhigſten
Faſſung eine Cigarre rauchend. Er ſchien beim erſten
Anblick ein müßiger Zuſchauer zu ſeyn; allein er war
es nicht. Perſonen gingen von ihm aus, denen er
mit wenigen Worten Befehle ertheilte, die ſogleich
vollzogen wurden. Es war der Großherzog Carl
Auguſt. Er hatte bald geſehen, daß das Gebäude
ſelbſt nicht zu retten war; er befahl daher, es in ſich
zuſammenzuſtürzen und alle nur entbehrlichen Spritzen
gegen die Nachbarhäuſer zu wenden, die von der nahen
Gluth ſehr zu leiden hatten. Er ſchien in fürſtlicher
Reſignation zu denken:
„Das brenne nieder! —
Schöner bau't ſich's wieder auf.“
Er hatte nicht Unrecht. Das Theater war alt,
keineswegs ſchön, und lange nicht geräumig genug, um
ein ſich mit jedem Jahre vergrößerndes Publicum zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/82>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.